Politik

19.12.2019

Soll der Mindestlohn auf zwölf Euro erhöht werden?

Natascha Kohnen, Chefin der Bayern-SPD, fordert: "Der Mindestlohn muss rauf!" Denn nur dann seien existenzsichernde Löhne gewährleistet. Die Lohnfindung sei Aufgabe der unabhängigen Mindestlohnkommission, betont hingegen der CSU-Sozialpolitiker Thomas Huber. "Die Politik kann es nicht besser wissen."

JA

Natascha Kohnen, MdL und Vorsitzende der Bayern-SPD

Der Mindestlohn ist ein Meilenstein. Mehr als vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben im Niedriglohnsektor seit 2015 davon profitiert. Diesen Weg gilt es nun konsequent weiterzugehen. Das heißt: Der Mindestlohn muss rauf. Derzeit liegt er bei 9,19 Euro. Das ist zu wenig.

Denn eines der Ziele des Mindestlohns wurde noch nicht erreicht: existenzsichernde Löhne. Jeder vollzeitbeschäftigte Mensch in unserem Land soll ein gutes Leben führen können, ohne dass der Staat die Löhne am Monatsende aufstocken muss, weil trotz Vollzeitjob weniger bleibt als bei der Grundsicherung. Wer arbeitet, darf aber nicht arm sein. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Und davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt.

Die CSU stemmt sich wie bereits vor fünf Jahren momentan wieder gegen höhere Mindestlöhne. CSU-Chef Markus Söder liebäugelt lieber mit den Profitinteressen der Unternehmen. Diese wollen hohe Gewinne vereinnahmen, aber nur geringe Löhne zahlen. Aufstocken am Monatsende soll der Staat, während die Börsenkurse steigen. Das ist nicht gerecht.

9,19 Euro pro Stunde reichen auch nicht, um später eine armutsfeste Rente zu erzielen. Auch deshalb müssen wir den Mindestlohn anheben, damit die Menschen im Niedriglohnsektor auch im Alter in Würde leben können. Bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche und 45 Beitragsjahren ist dafür ein Mindestlohn von 12,25 Euro pro Stunde nötig.

Bayern sollte mit gutem Beispiel vorangehen! Mit einem Tariftreue- und Vergabegesetz, das den Lohn von 12,25 Euro für Beschäftigte im Bereich des Freistaats zwingend festschreibt und sich am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder orientiert. Das hilft den Menschen unmittelbar. Und zum anderen hat es eine wichtige Signalwirkung auch für alle anderen Arbeitgeber. Darum ist es Zeit für eine außerordentliche Erhöhung auf 12,25 Euro pro Stunde.

NEIN

Thomas Huber, sozialpolitischer Sprecher der CSU im Landtag

Der allgemeine Mindestlohn ist eine wichtige Errungenschaft. Er trägt in Deutschland im Sinne einer Lohnuntergrenze zur Absicherung sozialer Arbeitsbedingungen bei und steigt ab 2020 auf 9,35 Euro. Aber die Höhe des Mindestlohns wird aus gutem Grund nicht durch den Gesetzgeber bestimmt, sondern durch eine unabhängige Mindestlohnkommission.

Zum einen arbeiten in der Mindestlohnkommission Arbeitgeber und Gewerkschaften – die Sozialpartner – mit Vertretern der Wissenschaft zusammen. An ihnen vorbei gesetzlich einen Mindestlohn von zwölf Euro festzulegen, würde die verfassungsrechtlich verbürgte Tarifautonomie der Sozialpartner massiv verletzen. Die Lohnfindung ist ihre ureigene Aufgabe. Ich bin dafür, die Sozialpartner zu stärken, anstatt in ihre Rechte einzugreifen. Denn es sind gerade die Sozialpartner, die in den meisten Branchen für gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen und für eine faire Bezahlung sorgen.

Zum anderen maßt sich der Gesetzgeber aus gutem Grund nicht an, die Höhe des Mindestlohns festzusetzen. Die Mindestlohnkommission nutzt ihre praktischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und prüft in einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen und Arbeitsplätze in Deutschland nicht zu gefährden. Bei ihrer Empfehlung für eine Mindestlohnhöhe orientiert sich die Mindestlohnkommission vor allem auch an der Tarifentwicklung. Ich habe Vertrauen in die Sozialpartner, dass sie gute, ausgewogene Ergebnisse erzielen. Die Politik kann es nicht besser wissen! Ein Mindestlohn von zwölf Euro würde zum Beispiel sofort in Konflikt mit den unteren Entgeltstufen in vielen Tarifverträgen geraten und das Abstandsgebot zu den Tariflöhnen verletzen. Daher lehnen auch Gewerkschaften einen solchen Eingriff des Gesetzgebers klar ab!

Kommentare (4)

  1. KHJ am 01.01.2020
    solche Aussagen von Herrn Huber kann nur er nach dem § GG 33 machen. Dieser selbstgestrickt Gummi § öffnet allen Politikern Tür für ein Selbstbedienungsladen wie Deutschland. Deshalb braucht sich Herr Huber über einen Mindestlohn von 12,00 Euro keine Gedanken zu machen. Nach dem Motto wär nicht viel arbeitet soll wenigstens gut verdienen.
  2. audio001 am 21.12.2019
    Eine wahrlich interessante Aussage der Vorsitzenden der Bayern-SPD Natascha Kohnen, Zitat: "9,19 Euro pro Stunde reichen auch nicht, um später eine armutsfeste Rente zu erzielen. Auch deshalb müssen wir den Mindestlohn anheben, damit die Menschen im Niedriglohnsektor auch im Alter in Würde leben können. Bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche und 45 Beitragsjahren ist dafür ein Mindestlohn von 12,25 Euro pro Stunde nötig."

    Ich habe mir die Mühe gemacht mal die Aussage zur (angeblichen) "armutsfesten Rente" der Natascha Kohnen nachzurechnen:

    Nach ihren Angaben von 12,25 Euro pro Stunde, 38,5 Stunden pro Woche (das sind rund 2.000 Arbeitsstunden im Jahr!), errechnet sich ein Jahresbrutto von rund 24.500 Euro.

    Diese rund 24.500 Euro p.a. entsprechen rund 0,63 Entgeltpunkten (gerechnet auf der Basis des „durchschnittlichen Jahresarbeitsentgelts“ (West) für 2019 von 38.901 Euro (gleich 1,0 Entgeltpunkt in 2019).

    Unter Zugrundelegung der Eckrente (West) aus 2019 von 1.326,63 Euro, ergäbe sich also - auf dem Niveau einer Mindestlohnhöhe in 2019 von 12,25 Euro pro Stunde hochgerechnete Rente - ein Rentenanspruch brutto von rund 835 Euro monatlich (bei 0,63 Eckpunkten gerechnet auf 45 Beitragsjahre).

    Unter Abzug der anteiligen Kranken- und Pflegeversicherung also ein Zahlbetrag netto von 734 Euro monatlich an den/die Renter*in.

    Ich versuche gerade zu ergründen, welche Rentenhöhe nach Definition der Natascha Kohnen „eine armutsfeste Rente“ wäre!?

    Und ich komme letztendlich zum Schluss, dass man PolitikerInnen – und da schließe ich die verqueren Aussagen des sozialpolitischen Sprechers der CSU im Landtag Thomas Huber zur Mindestlohnhöhe mit ein – nicht das Berechnen von Mindestlohn und Rente überlassen sollte.

    Oder gar das Schicksal von Arbeitnehmer*innen und Rentner*innen in deren Hände legen sollte ...
  3. 1A-Landei am 20.12.2019
    Sehr geehrter Herr Huber (MdL), Sie sind sozialpolitischer Sprecher einer Partei, welche sich als Cristlich Soziale Union bezeichnet. Ich schlage vor, dass alle Mitglieder des Bayerischen Landtages für 12 Monate mit dem Mindestlohn von Euro 9,35 und ohne allen sonstigen Zuwendungen und legalen bzw. anderen Einnahmen besoldet/vergütet werden. Und schaun wir, in wie fern Sie Ihre Aussage aufrecht erhalten?!
  4. Peter am 20.12.2019
    Lieber Thomas,

    überall wo Gewerkschaften mit dem Arbeitgeber verhandeln können, gibt es Mindestlöhne, teils sogar über 12,- €. In Pflegeberufen oder bei Paketzustellern gibt es dies nicht. Dort wird teilweise zu Hungerlöhnen gearbeitet. Also muss die Regierung Mindestlöhne festlegen.
    Die gespielte Gutgläubigkeit der Konservativen ist absoluter Mist.
    Kein Arbeitgeber verzichtet freiwillig auf Gewinne.
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