Politik

07.05.2020

Soll es einen Rechtsanspruch auf Homeoffice geben?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will das Recht auf Arbeiten von zu Hause aus gesetzlich verankern. Bayerns DGB-Chef Matthias Jena begrüßt das "als ein Puzzleteil für selbstbestimmtes Arbeiten". Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, lehnt das Vorhaben als Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit dagegen entschieden ab

JA

Matthias Jena, Vorsitzender des DGB Bayern

Um es vorwegzunehmen: Homeoffice ist kein allumfassender Heilsbringer. Dies gilt schon deshalb, da Homeoffice – oder weiter gefasst mobiles Arbeiten – nicht für jeden Beruf oder Arbeitsplatz möglich ist. Daher ist die Debatte um mobiles Arbeiten auch in einen größeren Kontext zu setzen. Es geht darum, die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten zu erhöhen. Häufig haben diese keinen oder nur geringen Einfluss auf die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit, wie der DGB-Index Gute Arbeit regelmäßig erfasst. Mobiles Arbeiten kann dort, wo es möglich ist, dazu beitragen, dass Arbeit und Leben besser miteinander vereinbart werden können. Es ist somit ein Puzzleteil für selbstbestimmteres Arbeiten. Unabdingbar ist dabei jedoch ein klarer Ordnungsrahmen statt der derzeitigen Grauzone der ungeregelten, „wilden mobilen Arbeit“. Und einen weiteren positiven Nebeneffekt gibt es: die Entlastung des Berufsverkehrs. Wer nicht mit dem Auto zur Arbeit fährt, schadet auch nicht der Umwelt.

Die Notwendigkeit gut gemachter Leitplanken ergibt sich aus dem Umstand, dass mobiles Arbeiten nicht nur ein Mehr an Gestaltungsfreiheit bieten kann, sondern den einschlägigen Untersuchungen nach derzeit noch zu oft zu Selbstausbeutung, Überlastungen, unbezahlter Mehrarbeit und permanenter Erreichbarkeit führt. Damit aus der neuen Flexibilität durch digitale Möglichkeiten tatsächlich mehr persönliche Arbeitszeit- und Arbeitsortsouveränität erwächst, ist ein entsprechender Arbeits- und Gesundheitsschutz essenziell.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften schlagen deshalb einen gesetzlichen Ordnungsrahmen für selbstbestimmtes mobiles Arbeiten – inklusive Homeoffice – vor, der im Rahmen der Mitbestimmung und über Tarifverträge zu flankieren und zu konkretisieren ist. Bei der Ausgestaltung ist zu berücksichtigen, dass die Wahl des selbstbestimmten mobilen Arbeitens durch die Beschäftigten freiwillig erfolgt und diese Ent-scheidung mit einer Ankündigungsfrist widerrufen werden kann.

NEIN

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.

Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. lehnt die Planungen des Bundesarbeitsministers auf einen Rechtsanspruch auf Homeoffice entschieden ab. Es muss der grundgesetzlich geschützten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überlassen bleiben, wo der Arbeitseinsatz der Mitarbeiter erfolgt.

In vielen Branchen und Betrieben werden gute, spezifische, flexible und freiwillige Lösungen zur Gestaltung des Homeoffice gefunden, die den Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen gerecht werden. Oftmals gibt es sinnvolle Vereinbarungen der Sozialpartner beziehungsweise der Betriebspartner. Ein individueller Anspruch für den einzelnen Arbeitnehmer würde die personalpolitische und arbeitsorganisatorische Balance in der betrieblichen Praxis gefährden. An der derzeit durch die Corona-Krise umfassenden Nutzung von Homeoffice zeigen sich gerade die Grenzen der effizienten und sinnvollen Arbeitsgestaltung von zu Hause aus.

Die für Homeoffice erforderliche Datenübertragung stellt außerdem – auch bei guter Sicherung – ein Einfallstor für Cyberangriffe dar. Die damit verbundenen Risiken müssen abgewogen werden. Auch das spricht gegen einen Rechtsanspruch auf Homeoffice für alle.

Im Koalitionsausschuss vom 22. April 2020 wurde unter anderem beschlossen, besonders darauf zu achten, Belastungen für Beschäftigte und Unternehmen durch Gesetze und andere Regelungen möglichst zu vermeiden. Die Ankündigung von Arbeitsminister Heil, einen Anspruch auf Homeoffice einführen zu wollen, steht in klarem Widerspruch dazu.

Anstelle eines gesetzlichen Anspruchs sollte die Politik lieber darauf setzen, freiwillige Homeoffice-Angebote der Arbeitgeber zu fördern. Dazu gehören zum Beispiel Lockerungen beim Arbeitsschutz im Homeoffice. Auch wenn die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers nicht am Werkstor enden, hat der Arbeitgeber keinen Einfluss darauf, wie Beschäftigte im Homeoffice ihr Arbeitsumfeld gestalten.

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