Politik

12.09.2019

Soll es in den Kernfächern bundesweit einheitliche Abiturprüfungen geben?

Die Diskussion ist ein Dauerbrenner: Sollen alle Abiturienten das gleiche Abi schreiben - zumindest in den Kernfächern? Ja, meint der Landtagsabgeordnete Matthias Fischbach (FDP). Das sei eine Frage der Chancengerechtigkeit. Bayerns Kultusminister widerspricht: Das schadet bayerischen Interessen.

JA

Matthias Fischbach, bildungspolitischer Sprecher der FDP im Bayerischen Landtag

Das Abitur entscheidet maßgeblich über die beruflichen und akademischen Chancen junger Menschen. Allerdings sind die Leistungen bei der Abiturprüfung bundesweit schwer miteinander zu vergleichen, denn Deutschland hat 16 verschiedene Schulsysteme, mit sehr unterschiedlichen Maßstäben und Regeln. Anders ausgedrückt: Es besteht weder Einheitlichkeit bei Anzahl und Art der Prüfungsfächer noch bei Gestaltung und Durchführung der Abiturprüfungen.

Selbst beim für die Kernfächer entwickelten gemeinsamen Abituraufgabenpool ist man auf halbem Wege stehen geblieben. Denn wie viele der Vorlagen genutzt werden und in welcher Form, bleibt ebenfalls den Ländern überlassen. Bayern etwa bezieht derzeit nur ein Drittel seiner Aufgaben aus dem Pool. Dieser Beliebigkeit muss ein Ende gesetzt werden.

Es läuft etwas falsch, wenn Schüler in Grenzregionen an eine Schule im Nachbarbundesland wechseln, um einem vermeintlich schwereren Abitur auszuweichen. Gerade für zulassungsbeschränkte Studiengänge – immerhin mehr als 40 Prozent – wird der Ort der abgeleisteten Abi-Prüfung aber zur Frage der Chancengerechtigkeit.

Wenn wir zum Bildungsföderalismus stehen, müssen wir ihn weiterentwickeln und unser hohes Niveau zum Maßstab für Deutschland machen. Vielfalt in der Gestaltung von Lehren und Lernen ist uns Liberalen ein Herzensanliegen, denn Wettbewerb verschiedener Systeme belebt und bringt insgesamt voran. Ohne vergleichbare Ergebnisse gehen aber Erkenntnisse verloren. Käme durch eine zentrale Prüfung etwa heraus, dass sich Bayern mit der G8-Umstellung in Mathe verschlechtert hat, müssten wir das bei der Gestaltung der neuen Oberstufe berücksichtigen.

Wir brauchen einen Staatsvertrag der Länder für ein gemeinsames Kern-Abitur – zumindest in den Fächern Deutsch, Mathe und Englisch – wie es Experten schon lange fordern. Darüber hinaus wären einheitliche Abschlussprüfungen für die Mittlere Reife der nächste logische Schritt.

NEIN

Michael Piazolo (Freie Wähler), bayerischer Kultusminister

Die Forderung nach mehr Vergleichbarkeit in den Abiturprüfungen kann ich sehr gut nachvollziehen. Das ist auch unser Anliegen in der Kultusministerkonferenz. Allerdings erreicht man eine Vergleichbarkeit der Anforderungen nicht mit absolut identischen Abiturprüfungen in allen Bundesländern. Dazu müssten – zumindest in der Oberstufe – in jedem Bundesland exakt dieselben Lehrpläne, Stundentafeln und Fächerwahlmöglichkeiten gelten. Andernfalls wäre das für die Schülerinnen und Schüler ungerecht. Wer ein identisches Abitur, identische Lehrpläne und Stundentafeln fordert, schadet bayerischen Interessen und gefährdet unser gut etabliertes niveauvolles Abitur. Denn es würde nicht gelingen, ein Zentralabitur mit identischen Lehrplänen und Stundentafeln auf bayerischem Niveau umzusetzen. Wir in Bayern setzen auf eine hohe Qualität des Abiturs. Daran will ich festhalten. Bayerische Schüler sind dabei nicht benachteiligt. Sie genießen eine anspruchsvolle Ausbildung und erhalten eine hervorragende Vorbereitung auf den Übertritt in das Berufsleben oder das Studium. Bei der Abiturdurchschnittsnote erreichen sie im Vergleich mit anderen Ländern seit vielen Jahren vordere Plätze.

Aus meiner Sicht kann man auf einem anderen Weg schneller vorankommen: Wir müssen den Weg, den wir in der Kultusministerkonferenz bereits gegangen sind, konsequent fortsetzen. Wir erreichen die Vergleichbarkeit der Abiturleistungen in den Ländern durch die verbindlichen Bildungsstandards und die länderübergreifenden Abituraufgaben aus dem gemeinsamen Abituraufgabenpool. Und ich erwarte von den anderen Ländern, dass sie sich bei den Rahmenbedingungen der Oberstufe und der Abiturprüfung mehr bewegen, sich Bayern stärker annähern. Dann hätten wir deutlich mehr Vergleichbarkeit im Abitur. Als bayerischer Kultusminister setze ich mich weiterhin für die anerkannt hohe Qualität der bayerischen Gymnasien und die ausgezeichnete Vorbereitung unserer Gymnasiasten auf Beruf oder Studium ein.

(Fotos: Bernhard Haselbeck und Kultusministerium)

Kommentare (3)

  1. Albatross am 18.09.2019
    Zu Professor Michael Piazolo: Wie verhält es sich dann mit dem NC-Studienfächern bei Studierwilligen? Wird denn da dann ein anderer Maßstab für bayerische Bewerber bzw. ein bundeslandspezifischer angelegt? Sicher nicht, oder etwa doch? Und zumindest mir ist nicht bekannt, dass Personaler unabhängig von anderen Auswahlkriterien einen Bewerber mit vergleichbar schlechter Abiturnote bevorzugen, weil er sein Abitur in Bayern absolvierte.
  2. Miiich am 17.09.2019
    Der große Vorteil: Eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse, wobei man , sollte man dies als oberstes Ziel haben, in geistes- und naturwissenschaftlichen Fächern (eingedenk der Freizügkeit) nicht deutschlandweit also nationalstaatlichdenken sollte , sondern europaweit denken müsste.

    Was würde das aber politisch bedeuten?

    1. Faktisch das endgültige aus der Kulturhoheit der Länder, und somit den letzten Rest von Eigenstaatlichkeit, Bayern und die anderen Länder wären de facto nur noch weisungsgebundene ausführende Organe des Bundes, nichts anderes wie Provinzen.

    2. Im europäischen vergleich wohl ein weiteres Zurückfallen im Bildungsniveau, denn gleich machen heisst nivellieren, für Bayern nach unten auf ein bundeseinheitliches Niveau.

    Wäre es vielleicht nicht besser darüber nachzudenken beschränkte Studienplätze in Bayern generell durch eine Aufnahmeprüfung zu vergeben. Dann zeigt sich was ein 1er in Bremen, Berlin oder Hessen wert ist, und was für ein Wissensschatz dahinter steckt!
  3. MathePauker am 13.09.2019
    Jedem mit normalem Menschenverstand ist doch absolut klar, dass es ein bundesweites Zentralabitur geben sollte. Alles andere ist ungerecht, das ist Fakt und das weiß auch der bayerische Kultusminister. Dieses konservative Festhalten am bayerischen Abitur ist doch sowieso zwecklos, das Niveau ist doch sowieso schon extrem gesunken in Bayern. Vergleicht doch nur mal die diesjährige Mathe Abiprüfung mit einer Grundkurs(!) Prüfung von vor 15 Jahren. Und trotzdem sind die Schüler damit nicht klargekommen und starten Petitionen. Da macht’s doch echt keinen Sinn mehr einem alten Phantom hinterher zu jagen. Bayern soll mal akzeptieren, dass es mit dem Abitur als besonderen Schulabschluss einfach gelaufen ist und das wird ein Zentralabitur auch nicht mehr großartig ändern. Und was die Berliner betrifft, die ja ach so viel Angst haben durch ein Zentralabitur dann endlich aufzufliegen, dass ihr Niveau ein Jahr hinterher hängt. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung
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