Politik

24.01.2019

Soll für Bayern ein eigener höherer Mindestlohn gelten?

Die Vorsitzenden des Sozialausschusses im Landtag sind da ganz gegensätzlicher Meinung: Doris Rauscher (SPD) und Thomas Huber (CSU). Was denken Sie? Diskutieren Sie mit!

JA

Doris Rauscher (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses im Landtag:

Bayerische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen faire Löhne, mit denen sie sich das Leben leisten können. In Freistaat sind die Lebenshaltungskosten höher als in anderen Bundesländern – deshalb sollte auch die Entlohnung höher sein.

Trotz guter wirtschaftlicher Lage sieht die Realität der Beschäftigten viel zu oft anders aus: Einer von sechs Vollzeitbeschäftigten ist im Niedriglohnsektor für ein Bruttoeinkommen von maximal 2226 Euro im Monat tätig. Viele von ihnen brauchen einen Zweitjob, um finanziell über die Runden zu kommen.

Nur noch rund 53 Prozent aller Angestellten arbeiten in einem Betrieb mit Tarifvertrag und entsprechenden Löhnen. Nur noch 26 Prozent aller bayerischen Unternehmen sind somit tarifgebunden – 2011 lag der Anteil noch bei 50 Prozent. Die Betroffenen werden geringer bezahlt, häufiger gekündigt und haben einen deutlich schlechteren und unsicheren Arbeitsplatz.

Das ist für uns als SPD insgesamt nicht akzeptabel, besonders aber dann nicht, wenn Unternehmen mit Niedriglöhnen oder ohne Tarifvertrag staatliche Aufträge ausführen oder Fördergelder des Freistaats erhalten. Zum Beispiel bei Bauarbeiten an staatlichen Gebäuden oder bei Einrichtungen mit staatlichen Zuschüssen.

Öffentliche Aufträge sollen also künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden, die ihre Beschäftigten wenigstens nach einem Landesmindestlohn, der untersten Stufe im Tarifvertrag der Länder für Ungelernte, oder Tarifvertrag bezahlen. Umgekehrt gilt: Wer einen öffentlichen Auftrag will, zahlt wenigstens nach Landesmindestlohn.

Ein bayerischer Mindestlohn für öffentliche Aufträge ersetzt natürlich nicht den allgemeinen Mindestlohn. Der Freistaat muss hier aber wie andere Bundesländer seine Vorbildfunktion als guter Arbeitgeber erfüllen und seine Regelungsmöglichkeiten nutzen. Und: Ein höherer Mindestlohn stärkt die Wirtschaft durch eine höhere Kaufkraft und ist somit eine wirkungsvolle Investition in den Wirtschaftsstandort Bayern.

NEIN

Thomas Huber (CSU), Vize-Vorsitzender des Sozialausschusses im Landtag:

Der allgemeine Mindestlohn trägt in Deutschland im Sinne einer gesetzlichen Untergrenze zur Absicherung sozialer Arbeitsbedingungen bei. Er liegt seit 1. Januar 2019 bei 9,19 Euro und steigt ab 2020 auf 9,35 Euro.

Ein bayerischer Mindestlohn ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Der Mindestlohn wird in Deutschland durch den Bund im Mindestlohngesetz geregelt. Der Bund macht damit von seiner in Artikel 14 des Grundgesetzes verankerten Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht abschließend Gebrauch. Das schließt eine eigene bayerische Regelung aus.

Außerdem würde ein höherer, bayerischer Mindestlohn der Realität nicht gerecht. Es ist natürlich richtig, dass in den Ballungsräumen vor allem in Oberbayern die Lebenshaltungskosten höher sind als im deutschen Durchschnitt. Das gilt aber für viele Regionen Bayerns nicht. Man darf also nicht nur die „München-Brille“ aufsetzen, sondern man muss den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft in ganz Bayern im Blick haben.

Ein höherer Mindestlohn würde nämlich vor allem die Grenzregionen Bayerns erheblich schwächen. Er könnte dazu führen, dass Arbeitsplätze aus Bayern hinausverlagert werden – ein paar Kilometer weiter nach Hessen, Baden-Württemberg oder Thüringen, wo der Mindestlohn niedriger bleibt. Für die Menschen heißt das konkret: Weniger Perspektiven daheim, mehr Abwanderung oder mehr Pendelverkehr, mit allen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, die das mit sich bringt.

Außerdem würde ein höherer Mindestlohn die Tarifautonomie der bayerischen Gewerkschaften und Arbeitgeber massiv aushöhlen. Die Lohnfindung ist ihre ureigene Aufgabe. Je weiter der Staat hier eingreift, desto geringer wird der Spielraum der Sozialpartner. Uns in Bayern ist die Tarifautonomie aber sehr wichtig, denn es sind gerade die Sozialpartner, die in den meisten Branchen für gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen und für eine faire Bezahlung sorgen.

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