Politik

Späte Abrechnung: Karlheinz Schreiber hat sich einem Prozess jahrelang durch Flucht entzogen. (Foto: dpa)

07.05.2010

Späte Sühne für den Günstling der Mächtigen

Der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt – von der ausstehenden Steuerschuld wird der Freistaat wohl nichts sehen

Seine Frau Barbara sah blass aus, Karlheinz Schreiber indes gab sich schon kurz nach der Urteilsverkündung wieder jovial und heiter. Das Augsburger Landgericht verurteilte ihn zu acht Jahren Haft – ob er jemals regulär einsitzen wird, ist indes offen. Schreibers Anwälte haben Revision angekündigt. Wird ihr stattgegeben, ist der 76-Jährige noch lange Untersuchungshäftling.
Zum Schluss ging alles ganz schnell. Keine Zeugen mehr, auf denen die Verteidigung bestanden hatte, keine Verlesung weiterer Akten und Einvernahmen. Der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell machte kurzen Prozess: Für Anfang der Woche hatte er die Plädoyers angesetzt und für den Mittwoch sein Urteil. An diesem Tag begrüßte der Angeklagte Karlheinz Schreiber, jovial lächelnd, die Journalisten, als er in Begleitung eines Polizeibeamten in den Sitzungssaal gebracht wurde. Dort hatte auch seine Frau Barbara Platz genommen, der er ein paar Gesten der Zuneigung zeigte – einen angedeuteten Kuss, einen nach oben gereckten Daumen zum Zeichen, dass er ungebrochen und alles in Ordnung sei. Dann verscheuchte der Richter die Fotografen und Kameraleute aus dem Saal, dreimal musste er um die Räumung bitten. Wohl ein letztes Mal hatte Schreiber Anlass, Aufmerksamkeit zu genießen. Dann kam die Stunde des Vorsitzenden, der den seit 18. Januar laufenden Prozess straff, keine Abschweifung duldend, geführt hatte. Schreibers Lächeln für die Pressemeute gefror bald zu einem maskenhaften Grinsen, denn Weigells Urteil hatte sich gewaschen. Der Staatsanwalt Markus Paintinger hatte den international operierenden Lobbyisten, Steuerverweigerer und zehn Jahre in Kanada unerreichbar für die Augsburger Strafverfolger als Justizflüchtling sesshaft gewesenen Schreiber zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt sehen wollen. Damit sollte gesühnt werden, dass Schreiber aus Geschäften mit Hubschraubern, Flugzeugen und Panzern zwischen 1988 und 1993 rund 60 Millionen Mark eingenommen, aber den fiskalisch relevanten Anteil davon niemals versteuert hatte. Nach Paintingers Plädoyer war ziemlich klar, dass auch die Strafkammer keine Milde gegen den 76-jährigen Aufsteiger aus Kaufering bei Landsberg walten lassen würde. So kam es dann auch. Von Freispruch, wie ihn Schreibers Anwälte Jan Olaf Leisner und Jens Bosbach kühn gefordert hatten, war natürlich keine Rede. Stattdessen: Acht Jahre Haft für den Amigo des 1988 verstorbenen CSU-Chefs Franz Josef Strauß verkündete Richter Weigell. Es wäre wohl auf den Strafantrag des Staatsanwalts hinausgelaufen, hätte Weigell den Punkt Vorteilsgewährung für den bestochenen CSU-Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Holger Pfahls, als angeblich verjährt nicht aus der Anklage gestrichen. Offensichtlich wollte Weigell sein Urteil zumindest in diesem Punkt revisionssicher machen, denn es ist ausgemachte Sache, dass Schreibers Anwälte mit einer Revision zum Bundesgerichtshof ziehen werden. Dabei hatte Pfahls selbst bezeugt, von Schreiber Geld bekommen zu haben – der damalige Rüstungsstaatssekretär hatte dafür gesorgt, dass eine Panzerlieferung nach Saudi-Arabien schneller über die Bühne gehen konnte: Er nahm die Gefährte einfach aus dem Bestand der Bundeswehr und übergab sie den Saudis, Thyssen sorgte später für Ersatz. Acht Jahre – das ist für einen alten Mann ein durchaus drakonisches Urteil. Hat es Bestand, wird er noch als 80-Jähriger einsitzen, ausgesetzt all den Plagen der Haft und auch den Mäusen, die gelegentlich in bayerischen Zellen anzutreffen sein sollen und vor denen sich Schreiber schon als Flüchtling in Kanada gruselte. Und getrennt von seiner Familie, aus der er nach eigenen Worten die Kraft bezog, so lange gegen das dann doch Unvermeidliche zu kämpfen. Allerdings hat Schreiber am Drama seines Lebensabends selbst mitgeschrieben. Er könnte schon längst ein freier Mann sein, hätte er sich nach der Anklageerhebung, die immerhin bereits im März 2000 erfolgte, seiner Verantwortung gestellt und gestanden, was zu gestehen war. Dann wäre die Strafe wohl geringer ausgefallen, hätte sich sogar die Möglichkeit einer Absprache mit Staatsanwaltschaft und Gericht ergeben. Aber Nachgeben war nie Schreibers Sache, das hat er schon bei seinen Geschäften so praktiziert. Für Weigell und seine Kammer blieb denn auch „nicht der geringste Zweifel“, dass Schreiber selbst der wirtschaftlich Berechtigte jenes Geflechts aus Briefkastenfirmen in Liechtenstein und Panama war, durch die das von der Firma Airbus und dem Thyssen-Konzern ausbezahlte Geld geflossen war. Einen Teil davon habe Schreiber an Helfer wie Pfahls oder zwei Thyssenmanager und andere Hilfswillige weitergegeben, einen Teil behalten – und eben nicht versteuert. Auf diese Weise habe Schreiber in sechs verschiedenen Fällen besonders schwere Steuerhinterziehung begangen. Für jeden einzelnen Fall bildete Weigell Einzelstrafen, die sich auf 16 Jahre Haft summierten. Daraus wurde die Gesamtstrafe von acht Jahren gebildet; Milderungsgründe waren das hohe Alter des Angeklagten und die Tatsache, dass seine Taten lange zurücklagen. „Sonst wären mehr als acht Jahre zusammengekommen.“ Weigell sagte, dass Schreibers „Weigerung zu reden, an Peinlichkeit nicht zu überbieten gewesen“ sei. Während des gesamten Prozesses hatte der Angeklagte, früher redselig wie ein Basarverkäufer, seinen Anwälten das Wort überlassen. Schreiber, so Weigell weiter, gehöre zu der Spezies, die „alle schmiert, wo es nur geht und den Fiskus betrügt“. Er sei „raffgierig und maßlos“. Der Richter lobte die Augsburger Staatsanwaltschaft für ihre Zähigkeit, Schreiber doch noch vor Gericht zu bringen. Deren Chef, der Leitende Staatsanwalt Reinhard Nemetz, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Urteil. Es machte deutlich, dass das Vorurteil, wonach man die Großen laufen lasse, die Kleinen aber abstrafe, nicht zutreffend sei. Schreibers Verteidiger hatten in ihrem Plädoyer indes deutlich gemacht, dass Schreiber für sie keineswegs in die Kategorie der Top-Kriminellen gehöre: „Wenn man lange genug Steuerstrafrecht macht, kennt man die wirklich schlimmen Fälle,“, sagte der Steuerstrafrechtler Jan Olaf Leisner. Zu den Hardcore-Fällen zählt er beispielsweise Umsatzsteuerbetrugsgeschäfte. Schreiber hingegen habe lediglich „seine Einnahmen zu niedrig angegeben“. Die Verteidigungslinie Leisners und des Co-Anwalts Jens Bosbach gründete sich vor allem darauf, Schreiber lediglich als Verwalter von Provisionszahlungen darzustellen. Ihr Mandant habe die Gelder auf Rubrikkonten deponiert, gehört hätten die Millionen aber anderen: Pfahls, einer Reihe von Managern deutscher Großkonzerne und auch Max Strauß, bekräftigte Leisner. Dass Strauß junior im Jahr 2007 vom Bundesgerichtshof freigesprochen wurde, liegt laut Leisner allein daran, dass er das auf dem Rubrikkonto Maxwell gebunkerte Geld nicht angerührt habe. Mit Argumenten wie diesen rechneten die Verteidiger Schreibers Steuerschuld auf 600 000 Euro herunter. Und auch diese Summe ist laut Leisner hinfällig: Denn sein Mandant – er besitzt seit 1973 auch die kanadische Staatsbürgerschaft – sei in Deutschland gar nicht steuerpflichtig gewesen. Leisner berief sich dabei auf eine – inzwischen abgeschaffte – Sonderregelung im deutsch-kanadischen Doppelbesteuerungsabkommen. Verteidiger Jens Bosbach warf dem Gericht Parteilichkeit vor: Es seien zu wenig Versuche unternommen worden, Entlastendes für seinen Mandanten herauszufinden. Bosbach hätte gern noch weitere Zeugen ins Kreuzverhör genommen, unter anderen den früheren Partner Schreibers, Giorgio Pelossi. Er hatte Schreiber von Anfang an schwer belastet, das Gericht begnügte sich aber mit der Verlesung früherer Aussagen Pelossis. „Aus Sicht der Verteidigung“, sagte Bosbach, „hätte die Möglichkeit bestanden, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.“ Weil die Verteidigung Revision angekündigt hat, bleibt Schreiber die reguläre Strafhaft vorerst erspart. Bis der Bundesgerichtshof über die Zulassung der Revision entschieden hat, wird der 76-Jährige in Untersuchungshaft bleiben. Scheitert der Antrag, beginnt die Strafhaft, die Untersuchungshaft wird angerechnet. Offen ist, ob der Fiskus jemals an die vom Gericht auf 7,5 Millionen Euro taxierten Steuerschulden Schreibers gelangen wird. Schreiber hat sich in einer eidesstattlichen Erklärung als mittellos erklärt. Und auf das Vermögen von Ehefrau und Sohn haben die Steuerbehörden nicht ohne Weiteres Zugriff. (Michael Stiller/ Waltraud Taschner)

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