Es ist alarmierend: Die Zahl der genehmigten Wohnungen in Bayern ist im ersten Halbjahr um 27,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen. Besonders dramatisch ist die Situation bei den wenig rentablen Sozialwohnungen. Schon in Boomzeiten sank ihre Zahl stetig, doch die Baukrise verschärft die Lage. Dabei wird bezahlbarer Wohnraum dringend benötigt.
2010 gab es deutschlandweit noch mehr als 1,6 Millionen Sozialwohnungen. Inzwischen sind es nur noch 1,1 Millionen. In Bayern sank die Zahl im selben Zeitraum von etwa 163.000 auf rund 133.000. Gleichzeitig zogen immer mehr Menschen in den Freistaat: rund 900.000 waren es seit 2010.
Die Folge: Immer mehr Menschen konkurrieren um immer weniger bezahlbaren Wohnraum. Am höchsten ist die Belastung in den Großstädten, und dabei ist ganz weit vorne die grün-rot regierte Landeshauptstadt München. Dort versuchte man es 2021 mit einer deutlichen Verschärfung der Regeln für den Wohnungsbau: 60 Prozent Sozialwohnungen, nur 20 Prozent Eigentumswohnungen und 20 Prozent frei vermietet – so lautet die Ansage an die Bauunternehmen. Die finden das nicht so gut, Großprojekte drohen zu scheitern. Weshalb Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) jetzt Gesprächsbereitschaft angekündigt hat.
Mindestens 100.000 Sozialwohnungen müssten in Deutschland pro Jahr entstehen, um den Bedarf zu decken, 20.000 davon in Bayern – das fordert ein breites Bündnis aus Bauwirtschaft, Wirtschaft und Mieterbund von der Politik. Die Realität sieht so aus: Etwas mehr als 22.000 Wohnungen wurden 2022 im Bund gebaut, im Freistaat waren es etwa 3500. Damit wurden die selbst gesetzten Ziele der Politik krass verfehlt – was natürlich auch der schwierigen Lage der Bauwirtschaft geschuldet ist.
Strategische Fehleinschätzungen der Politik
Doch wie kam es dazu, dass selbst in der Bauhochkonjunktur die Zahl der geförderten Wohnungen abnahm? Eine Rolle spielen strategische Fehleinschätzungen der Politik. Der Bund verkaufte in den vergangenen Jahren Tausende Wohnungen und Grundstücke an Private. Und der Freistaat veräußerte, damals noch unter dem Finanzminister Markus Söder (CSU), die staatliche Wohnungsbaugesellschaft GBW mit rund 33.000 Wohnungen. Die Kritik der Opposition war der Staatsregierung damit sicher.
Dazu kommt, dass jedes Jahr Zigtausende Wohnungen aus der sogenannten Belegungsbindung fallen, mehr, als neu geschaffen werden. Der Staat fördert den Bau von Sozialwohnungen, die dann eine Zeitlang nur als solche genutzt werden dürfen. Wohnen darf dort nur, wer einen Wohnberechtigungsschein hat, der bis zu einer gewissen Einkommensgrenze ausgegeben wird. Je nach Förderhöhe binden sich die Bauunternehmen für 25, 40 oder 55 Jahre. Danach können die Wohnungen frei vermietet werden.
In den kommenden zehn Jahren werden laut Bayerns Bauministerium weitere 36.500 Wohnungen aus der Bindung fallen. Das Ministerium verweist auf die Erhöhung der Förderung in diesem Jahr, die mehr Bauwillige dazu bringen soll, auf Sozialwohnungen zu setzen – und dabei besonders auf lange bestehende. Ein Sprecher berichtet von steigendem Interesse – auch von Unternehmen, die bisher nur im freifinanzierten Wohnungsbau tätig waren. Im Ministerium geht man davon aus, dass so in den kommenden Jahren mehr geförderter Wohnraum entsteht als wegfällt. Auch der Bund wird ab 2024 deutlich mehr Geld für den Sozialwohnungsbau bereitstellen.
Ob das wirklich die Trendwende bringt, ist fraglich. Angesichts von Inflation, steigenden Kreditzinsen sowie hohen Energie- und Materialkosten sind die Bauunternehmen schon bei bisher lukrativen freifinanzierten Projekten sehr vorsichtig geworden. Aus der Bauwirtschaft kommt der Ruf nach viel mehr Fördergeld vom Staat. Der Sozialverband VdK schließt sich dem an – und fordert darüberhinaus weitere Regulierungen für Immobilien- und Grundstückshandel.
Helfen könnte auch eine Überprüfung der Bewohner*innen. Manche Bundesländer wie Hessen verlangen von den Mieter*innen, die eigentlich nicht mehr wohnberechtigt wären, eine sogenannte Fehlbelegungsabgabe. Es sind Tausende. Die Einnahmen wandern in den sozialen Wohnungsbau. In Bayern wurde die Abgabe 2008 abgeschafft – wegen des Verwaltungsaufwands.
(Thorsten Stark)
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