Politik

An Bafög-Kosten sparen: Nicht nur Studierende (hier in Marburg) meinen, dass das der falsche Weg ist. (Foto: ddp)

28.05.2010

Streit ums Studentenfutter

In der CSU wächst die Kritik an der von Ministerpräsident Horst Seehofer mitinitiierten Bundesrats-Blockade beim Bafög

Gerhard Schröder kokettierte in seiner Zeit als Bundeskanzler gerne mit seiner Herkunft aus einfachen Verhältnissen. Im Armani-Anzug und mit kubanischer Zigarre in der Hand berichtete er seinen Zuhörern stolz, wie er es als Kind eines Hilfsarbeiters bis an die Spitze schaffte. Seinen Erfolg verdanke er dem zweiten Bildungsweg. Wohl auch deshalb sah es der SPD-Mann als eines seiner zentralen Projekte an, das zuvor sträflich vernachlässigte Bafög, im Jahr 2001 kräftig zu erhöhen. Danach passierte lange nichts. Nun will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach fast einem Jahrzehnt an Nullrunden die staatliche Studienbeihilfe für Kinder einkommensschwacher Eltern noch in diesem Jahr um zwei Prozent erhöhen. Zudem sollen laut dem im April von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Gesetzesentwurf Unis ihre besten Schützlinge zukünftig mit Stipendien belohnen. Merkels Motive unterscheiden sich von denen des Altkanzlers. Der Physikerin geht es vor allem darum, dass Deutschland im Kampf um die besten Standortfaktoren punktet. Ihr Ziel ist eine „Bildungsrepublik“. Deshalb will ihr Kabinett die Ausgaben für Bildung von zuletzt rund sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis zum Jahr 2015 auf 10 Prozent erhöhen. Denn das Potenzial, das der Wirtschaft durch eine zu geringe Förderung angehender Akademiker verloren geht, ist immens. Mehr als jeder fünfte Student bricht sein Studium ab, häufig wegen finanzieller Nöte. Zwei Drittel aller Nachwuchsakademiker müssen einer Erhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) zufolge jobben. Viele kommen so auf eine 50-Stundenwoche. Kinder aus armen Familien können sich das Studium mangels ausreichender Förderung ohnehin oft nicht leisten: Im Jahr 2007 schafften von hundert Arbeiterkindern laut DSW nur 15 Prozent den Sprung an eine Hochschule. Sechs von zehn Studierenden kommen aus gehobenen oder besonders begüterten Schichten. In Bayern fördert der Staat derzeit lediglich 22,5 Prozent der Studenten mit Bafög – maximal 648 Euro monatlich. Das Studentenwerk hält eine Erhöhung der Fördersätze für dringend erforderlich. Doch ob es tatsächlich mehr Körner für das Studentenfutter gibt, ist ungewiss. Denn die Unions-geführten Länder blockieren die Bafög-Erhöhung. Elf von 16 Ländern stimmten bei einer Sitzung der Landesfinanzminister gegen die Pläne. Federführend beim Widerstand soll neben Hessens Landesfürst Roland Koch (CDU) der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sein. Zur Begründung verweisen deren Finanzminister auf die anfallenden Kosten. Von den für 2011 geplanten Mehrausgaben in Höhe von 382 Millionen Euro müssten für 172,9 Millionen Euro die Länder aufkommen, heißt es beim bayerischen Finanzministerium. Diese Summe sei angesichts der Haushaltslage nicht finanzierbar, so Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU). Er fordert eine Kompensation durch den Bund. Diese könne etwa durch einen höheren Mehrwertsteueranteil für den Freistaat erfolgen. Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) hat errechnet, dass auf Bayern im kommenden Jahr – lässt man den doppelten Abiturjahrgang außer Acht – Mehrkosten von rund 20 Millionen Euro zukämen. Der Widerstand Seehofers stößt bei der FDP auch deshalb auf Unverständnis. „Fassungslos“ zeigt sich der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Patrick Meinhardt. Sebastian Körber, Chef der Jungen Liberalen in Bayern, hält es für einen „Affront gegen die junge Generation, wenn Seehofer bei der Bildung den Rotstift ansetzt und für Milchkuhprämien oder bei Staatshilfen für marode Konzerne den Geldbeutel öffnet“. Die Opposition läuft Sturm. „Seehofer und Koch lassen die Studierenden die Steuergeschenke von Schwarz-Gelb bezahlen“, so Markus Rinderspacher, Chef der Landtagsfraktion. In den eigenen Reihen erntet Seehofer ebenfalls harsche Kritik. „Ich habe für diese Blockade-Haltung Bayerns und anderer Länder keinerlei Verständnis“, schimpft Max Straubinger, stellvertretender Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Er verweist darauf, dass eine Erhöhung der Bafög-Sätze und das Stipendienprogramm Teil des Koalitionsvertrags sind. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Stefan Müller, findet, das Thema eigne sich nicht für „Akte der Kraftmeierei“. Jetzt hat sich zudem der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel für eine Erhöhung ausgesprochen. Bis zum 4. Juni haben die Kritiker noch Zeit, Seehofer und Fahrenschon umzustimmen – dann soll das Plenum des Bundesrats sich endgültig entscheiden. (Tobias Lill)

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