Politik

24.10.2019

Tanzverbot an "stillen Tagen" – ist das noch zeitgemäß?

Am 1. November ist Allerheiligen - es gilt deshalb wieder ein Tanzverbot. Öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen, die nicht dem Ernst des jeweiligen stillen Tages entsprechen, sind verboten. Und das ist richtig so, meint der CSU-Angeordnete Alex Dorow. Bayerns FDP-Chef Daniel Föst widerspricht: Religion ist Privatsache. Er fordert, das Tanzverbot abzuschaffen.

JA

Alex Dorow, Sprecher für Fragen der katholischen Kirche der CSU-Landtagsfraktion

Um diese Debatte ehrlich zu führen, sollte man sich zunächst bewusst machen, was stille Tage überhaupt bedeuten: Christen aller Konfessionen gedenken an diesen Tagen etwa der Kreuzigung oder der Geburt Jesu, ihrer Verstorbenen oder begehen wichtige Gedenkveranstaltungen. In jedem Fall handelt es sich um Tage herausragender Bedeutung des christlichen Glaubens. Insofern ist es durchaus gerechtfertigt, in einem Land, dessen Kultur seit fast zwei Jahrtausenden untrennbar mit dem Christentum verbunden ist, Feiertage auch still zu begehen.

Der Vorwurf, all jene Menschen damit auszubremsen, denen der christliche Gedanke nichts bedeutet, zieht nicht angesichts der Tatsache, dass an 356 Tagen im Jahr ohnehin so lange getanzt und gefeiert werden kann, wie man möchte. Für die allermeisten Menschen in Bayern bieten Karfreitag, Heiligabend und andere stille Feiertage – insgesamt sind es ganze neun Feiertage! – wichtige Möglichkeiten der inneren Einkehr, der Besinnung und des Gedenkens. In einer immer schneller werdenden Arbeitswelt stehen wir als christlich-soziale Volkspartei ganz bewusst für diese Ausrichtung ein.

Selbst wenn einem größer werdenden Teil der Deutschen die religiöse Bedeutung dieser Tage nicht mehr so wichtig ist, schadet ein Tag der Stille niemandem.
Die Kirchen erinnern an diesen Tagen übrigens auch an Terror und Kriege, Katastrophen, Hunger und anderes Leid der Welt.

Allein Toleranz und Respekt gegenüber den christlichen Mitbürgern in unserem Land gebieten es aus unserer Sicht, an diesen wenigen Tagen im Jahr Zurückhaltung zu üben und dieses wichtige Tafelsilber unserer Gesellschaft nicht der Beliebigkeit des Zeitgeists zu opfern.
Respekt, Achtung und gegenseitiges Verständnis, gerade auch gegenüber der reichen und gelebten Geschichte unseres Landes, sollten dies selbstverständlich erscheinen lassen.

NEIN

Daniel Föst, Landesvorsitzender der FDP in Bayern

An neun Tagen im Jahr heißt es für Feierlaunige im Freistaat: „Musik aus! Schicht im Schacht!“ An sogenannten stillen Feiertagen sind öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen, die nicht dem „ernsten Charakter“ dieser Tage entsprechen, per Gesetz verboten. Konzerthallen, Gaststätten und Discos bleiben dann mitunter schon mal geschlossen. Sehr zum Unmut sowohl der Betreiber als auch der Kunden. Auch die FDP ist der Meinung: Das Tanzverbot ist aus der Zeit gefallen und gehört abgeschafft.

Der Philosoph Immanuel Kant hat treffend formuliert: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“ Die Frage ist berechtigt, wessen Freiheit eingeschränkt wird, wenn Menschen selbst darüber entscheiden dürfen, wie sie ihren Feiertag gestalten. Wer den Tag zur besinnlichen Einkehr nutzen möchte, kann das tun – wer lieber tanzen gehen will, sollte das aber auch dürfen.

Religion ist Privatsache. Und das ist auch gut so. Wir leben in einem säkularen Staat, in dem jeder frei entscheiden kann, woran er glaubt oder eben nicht glaubt. Gerade vor dem Hintergrund einer steigenden Anzahl an Konfessionslosen und Menschen anderer Glaubensrichtungen ist es befremdlich, die Freizeitgestaltung aller Bürger aufgrund religiöser Dogmen einzuschränken.

Ein Ende des Tanzverbots würde auch jenen zugutekommen, die ohnehin tagein, tagaus mit überbordenden Auflagen drangsaliert werden: unseren Gastronomen. Es ist an sich nicht akzeptabel, dass sie aufgrund von religiösen Moralvorstellungen daran gehindert werden, ihrer Arbeit nachzugehen.

Die FDP konnte 2013 bereits eine Lockerung des Tanzverbots durchsetzen. Gerade in einem politischen Klima, in dem die Lust am Regulieren neu entfacht zu sein scheint, würde es der Politik gut zu Gesicht stehen, mit der Zeit zu gehen und ein staatlich verordnetes Tanzverbot ganz abzuschaffen. Feiern und Besinnlichkeit – in Bayern sollte beides seinen Platz haben.

Kommentare (5)

  1. Albert S. am 30.10.2019
    Ich möchte nicht im Einzelnen auf die, milde ausgedrückt, verwunderliche NEIN-Argumentation eingehen. Klar bleibt aber festzuhalten, dass Sie in den Ausführungen von Herrn Föst aber folgender Sachverhalt verschwiegen wird:
    Durch kirchliche Festivitäten werden lukrative große gastronomische Geschäfte ausgelöst. Dazu gehören z.B. Fischessen an Aschermittwoch und Karfreitag, Weihnachtsfeiern, Kirchweihessen, Tauffeiern, Hochzeitsessen, Kommunionessen, Firmungsessen, Leichenschmaus, Primizfeiern usw. usw.. Kirchliche Feiertage wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten u.a.m. sind zudem oft für viele Menschen der Anlass dafür, einfach mal „Essen zu gehen“ oder einen Ausflug zu machen und dann „Einzukehren“ usw. usw. usw.
    Wenn Herr Föst relativ kleine negative Auswirkungen der stillen Tage auf die Gastronomie anführt, dann sollte er auch die durch Kirchenfeste ausgelösten weitaus größeren wirtschaftlich positiven Auswirkungen erwähnen. Von einem Politiker seiner Stellung hätte ich hier eine Gesamtbetrachtung und mehr Wahrhaftigkeit erwartet.
    Nur nebenbei noch gesagt: Interessant ist auch, dass die nach seiner Aussage steigende Anzahl von Konfessionslosen und Menschen anderer Glaubensrichtungen klaglos die Vorteile der arbeitsfreien christlichen Feiertage annimmt.
  2. Putzi am 29.10.2019
    Es tut vielen Leuten auch mal gut, einfach zur Ruhe und Einkehr angehalten zu werden. In vielen anderen Ländern respektiert man Kultur und Religion, ist stolz darauf. Weitergedacht, müssen dann auch die Feiertage zur Privatsache gemacht werden, die einen religiösen Ursprung haben und als arbeitsfrei gelten. Wir brauchen mehr Spiritualität und weniger Egoismus.
  3. Helmut am 29.10.2019
    Wir berufen usn auf ein christlich-jüdische Kultur. Wir haben schon sehr viele Traditonen aus dieser Kultur aufgegeben z.B auch die Fastenzeit und die Folge: Kein Bezug mehr zu Lebensmitteln und eine immer dickere Gesellschaft. Jetzt die Egalisierung der Stillen Tage. Ein weiterer Schritt von der christlich-jüdischen Kultur zur Ideologie des Neoliberalismus. Nicht mehr der Mensch steht im Mittelpunkt sondern das Geld und Geldverdienen. Plumpe Sprüche wie "man muss auch an die gebeutelten Gastronomen denken" verfehlen ihr Ziel, da man an den neun Tagen nicht das erwirtschaften kann, was an 356 nicht geschafft wird. Und hier Kant zu zitieren ist voll daneben, da an 356 Tagen es ja erlaubt ist ohne Einschränkungen. Auf Kant aufbauen, müsste es eine Parisituation geben oder man müsste aus gesellschaftlichen Gründen noch mehr Stille Tage einführen. Denn von Kant ausgehend, begründet der Freiheitsgedanke den Respekt vor dem Anderen. Da unsere Gesellschaft aber auf den ethischen, moralischen und kulturellen Vorstellungen des christlich-jüdischen Glaubens fusst, darf und muss diese sogar respektiert und geachtet werden, um nicht wurzellos dazustehen. Und es geht in diesem Zusammenhang sogar nicht in erster Linie um die religiöse Praxis, sondern um das Bewußtsein der eigenen gesellschaftlichen Wurzeln. Und genau durch Verzicht wird man mit den Wurzeln konfrontiert und setzt sich mit ihnen auseinander. Häufig werden Eltern erst dann vermisst, wenn sie gestorben sind, doch dann ist es zu spät. Und ein kappen der kulturellen Wurzeln hätte einen ähnlichen Efffekt. Wir sehen auch bei den Wahlen in den östlichen Bundesländern wohin es führt, wenn eine Gesellschaft keine tiefen Wurzeln in der Zeit hat.
  4. MMSchmitzki am 28.10.2019
    Mich stört kein Tanzender, wenn ich für einen ruhigen, besinnlichen Tag verbringen möchte.
    Somit brauche ich kein Tanzverbot.
  5. Egala am 28.10.2019
    Ja!
    Ich bin der Meinung, daß 2 Tage im Jahr, wo man in sich kehrt, nicht Party macht, sondern einfach mal “ entschleunigt”, seiner Lieben im Himmel gedenkt und, egal ob gläubig oder nicht, über die Bedeutung der Tage nachdenkt, sehr sinnvoll und wichtig!
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