Politik

Noch ist eine fränkische Bank sein Arbeitgeber. Ab 1. Mai ist Stefan Rottmann selbst der Chef: im Rathaus. (Foto: dpa)

23.03.2012

Traumberuf: Bürgermeister

Deutschlands jüngstes Gemeindeoberhaupt Stefan Rottmann wollte schon als Kind in die Kommunalpolitik

Bereits als Schüler schrieb Stefan Rottmann seine erste Petition an den Bundestag. Bei der kleinen Kommunalwahl vor zwei Wochen wählte seine fränkische Heimatgemeinde Schonungen den mittlerweile 25-Jährigen zum Bürgermeister. Am 1. Mai wird der gelernte Bankfachwirt die Amtsgeschäfte übernehmen. Nein, Lokführer oder Feuerwehrmann wollte Stefan Rottmann auch als kleiner Junge nie werden. „Traumberuf: Bürgermeister“, schrieb er als Drittklässler in Schönschrift in das Poesiealbum eines Mitschülers. Eineinhalb Jahrzehnte später ist er am Ziel. Rottmann steht auf dem Rathausvorplatz seines Heimatortes Schonungen. „Da werde ich bald sitzen“, sagt der 25-Jährige und deutet auf ein hell erleuchtetes Zimmer im ersten Stock des Neubaus. Dann öffnet der junge Mann die schwere Türe des Gemeindezentrums. Noch ist es ein symbolischer Schritt, nur für die Fotografen. Doch bereits am 1. Mai nimmt Rottmann tatsächlich auf dem Chefsessel der unterfränkischen 8000-Einwohner-Gemeinde Platz.
Mit hauchdünnem Vorsprung wählten ihn die Bewohner des Ortes vor zwei Wochen zu ihrem neuen Bürgermeister. Drei Stimmen trennten den jungen Sozialdemokraten am Ende von seinem 61-jährigen CSU-Widersacher.


Beim Blasorchester und der Freiwilligen Feuerwehr


Am Tag nach der Wahl überlegte er lange, wem er die entscheidenden Stimmen zu verdanken hat. Dem Bäckerssohn? Oder vielleicht der alten Frau, die ihm bei einem früheren Besuch noch die Türe vor der Nase zugeschlagen hatte, ihm diesmal aber wegen seiner guten Arbeit im Gemeinderat versprochen hatte, SPD zu wählen? Extra hatte er seine Freunde und Bekannten am Sonntagmittag noch einmal angerufen, um sie an die Wahl zu erinnern: „Junge Menschen schlafen ja gerne nach dem Weggehen auch mal aus.“ Offenbar mit Erfolg: Drei Viertel der Bewohner stimmten diesmal ab – weit mehr als anderswo bei Kommunalwahlen üblich.
Doch längst hat Rottmann keine Zeit mehr für derlei Gedankenspiele. Ständig klingelt das Telefon. Auch einige SPD-Spitzenpolitiker gratulierten. Als eines „unserer größten politischen Talente“, bezeichnet ihn Bayerns SPD-Chef Florian Pronold. Denn aus Sicht der in Bayern seit Jahrzehnten gebeutelten Genossen ist Rottmanns Erfolg nicht irgendein Sieg. Als „Deutschlands jüngsten Bürgermeister“ titulierten ihn bereits mehrere bayerische Zeitungen. Dem Deutschen Städte- und Gemeindetag sind derzeit auf Anfrage ebenfalls keine jüngeren Rathauschefs in der Republik bekannt.
Für Rottmann spielt das aber ohnehin keine Rolle. Er wolle ja nur „Politik für seine Heimatgemeinde machen“. Und dort kennt man ihn. Seit vielen Jahren spielt er Trompete im örtlichen Blasorchester und ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. „Glückwunsch“, ruft eine ältere Frau vor dem Rathaus, umarmt Rottmann und marschiert dann in Richtung Parkplatz. Noch immer wirkt der junge Mann etwas ungläubig. Die tiefen Ringe unter den blauen Augen und sein dunkelblonder Dreitagebart verraten, wie viele Haustürbesuche Rottmann – trotz Studium und Arbeit – in den vergangenen Monaten gemacht hat. „Ich habe zahlreiche Wohnzimmer gesehen.“ Manche Menschen waren wegen seines Alters skeptisch. Als Bürgermeister sollte man doch richtig im Leben stehen, hätten sie ihm entgegnet.
Doch das tut er längst: Erst vor wenigen Wochen hat der gelernte Bankkaufmann mit adrettem Seitenscheitel sein Studium zum Bankfachwirt abgeschlossen. Die Belastung war enorm – unter der Woche beriet er die Kunden in einem Schweinfurter Geldinstitut, samstags paukte er an der Hochschule. Abends und sonntags ging er auf Stimmenfang. Natürlich hätte er auch bei der Bank Karriere machen und mehr als in der Politik verdienen können. „Doch als Bürgermeister kann man kreativer sein.“


Mit Zahlen kennt er sich ebenfalls aus


Seine Wahlkampftransparente hat er selbst mitgestaltet. „Zukunft ist wählbar“, ist darauf etwa zu lesen.
Viel will der junge Bürgermeister in spe nun bewegen: mehr Transparenz in der Verwaltung schaffen sowie die Auftritte der Gemeinde in den sozialen Netzwerken ausbauen. „Und vor allem müssen wir die Abwanderung stoppen“, sagt er, während er auf einige leerstehende Gebäude deutet. Viele Junge kehrten Schonungen in den vergangenen Jahren den Rücken. Mit gezielten Kampagnen will er Familien in die Gemeinde locken. Vor den komplizierten Zahlenwerken der Gemeindekämmerer hat er keine Angst. „Eine Gemeinde muss ja auch wirtschaften, so wie ein Unternehmen.“ Und das traue er sich als Banker zu.
Politisch ist Rottmann ohnehin kein unbeschriebenes Blatt: Seit 2005 steht er dem SPD-Ortsverein vor, sitzt seit 2008 als stellvertretender Fraktionschef im Gemeinderat. Bereits mit 16 Jahren schrieb er – noch als Schüler – seine erste Petition an den Bundestag. Es ging um das Haus seiner Eltern. Denn das steht wie eine Reihe von Gebäuden in der Gemeinde auf mit Arsen verseuchtem Boden. Doch das wussten die Eltern, wie viele andere betroffene Bewohner Schonungens nicht, als sie dort ihre Häuser bauten oder kauften. Als das gefährliche Erbe eines Schweinfurter Industriellen aus dem 19. Jahrhundert dann im Jahr 2000 entdeckt wurde, sollten die Eigentümer mit dem Wert ihres Anwesens für die Entsorgung des Giftes haften.
Rottmann ging mit seinen Eltern auf die Straße, organisierte sogar selbst eine Großdemo. Etliche Schreiben und Proteste später gab der Freistaat 2006 nach: Die Grundstückseigentümer müssen nur für einen kleineren Teil der Entsorgungskosten aufkommen. „Damals lernte ich kämpfen“, sagt der Bürgermeister in spe. Keine schlechte Eigenschaft für einen Politiker.
(Tobias Lill)

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