Politik

Nach dem Rückzug des Nürnberger OB Ulrich Maly ist er das einzige prominente SPD-Zugpferd im Kommunalwahlkampf: Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister von München. (Foto: Matthias Balk/dpa)

28.11.2019

Überlebenskämpfe

Die SPD im Freistaat kämpft um ihre Existenz, wieder einmal und noch immer. Die Kommunalwahlen sind für viele Genossen die letzte Hoffnung. Doch alles ist ungewiss. Selbst einst sichere OB-Sessel wackeln

Für die Bayern-SPD gab es in den vergangenen Jahren quasi nur eine Richtung: abwärts - und zwar rasant. Eine Wahlpleite jagte die nächste. Die vorläufigen Tiefpunkte: lediglich 9,7 Prozent bei der Landtagswahl im Herbst 2018 und dann sogar nur noch 9,3 Prozent bei der Europawahl im vergangenen Mai.

Jetzt aber hoffen die Sozialdemokraten im Freistaat wieder auf etwas Auftrieb: Bei den Kommunalwahlen im kommenden März wollen sie möglichst viele ihre Mandate in den Kommunalparlamenten verteidigen. Die große Hoffnung ist, dass diese Abstimmungen völlig anders laufen als Landtags-, Bundestags- oder Europawahl.

"Kommunalwahlen folgen eigenen Gesetzen", sagt SPD-Landeschefin Natascha Kohnen. Sie verweist auf die bisherige Stärke der SPD in vielen Städten, Gemeinden und Landkreisen. Sie zählt junge Hoffnungsträger auf, die irgendwo für Bürgermeister-Posten kandidieren. Und sie betont, dass es bei Kommunalwahlen auf die Arbeit vor Ort ankomme - und da sei die SPD traditionell stark.
Gleichwohl weiß Kohnen auch um die Herausforderungen. In Hannover hat die SPD zuletzt den OB-Sessel verloren, erstmals seit Jahrzehnten. Und auch in Bayern dürften die Grünen diesmal kräftig punkten, vor allem in den großen Städten.

In München könnten die Grünen sogar stärkste Kraft im Stadtrat werden - wobei sich SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter berechtigte Hoffnungen machen darf, sein Amt zu verteidigen. Aber auch abseits der Landeshauptstadt sprießen grüne Ortsvereine aus dem Boden, während die SPD vielerorts um ihre Existenz kämpfen muss.

Kein erkennbarer Rückenwind vom Landesverband

Erschwerend kommt hinzu: Reiter ist im Freistaat das einzige landesweit prominente SPD-Zugpferd bei den Kommunalwahlen. Der beliebte Nürnberger OB Ulrich Maly von der SPD tritt nicht wieder an. Ob die SPD ohne Maly Chancen hat, den OB-Sessel dort zu verteidigen? Kohnen gibt sich jedenfalls optimistisch, trotz aller Fragezeichen. "Einfach ist das alles nicht", sagt sie. "Aber kämpfen können wir."

Es ist aber auch insgesamt eine schwierige Gemengelage für die SPD. Die monatelange Debatte um den SPD-Bundesvorsitz und die anhaltenden Diskussionen über einen möglichen Ausstieg aus der ungeliebten GroKo in Berlin belasten die Partei.

Und auch der SPD-Landesverband mit Kohnen an der Spitze gibt vielen Kommunalwahlkämpfern keinen erkennbaren Rückenwind - im Gegenteil: Viele SPD-ler vor Ort hoffen, so berichten Abgeordnete, dass sie von der Bundes- und der Landesebene einfach in Ruhe gelassen werden. Die Wahlkämpfer wollen mit ihrer Arbeit an der Basis punkten und setzen inständig darauf, nicht in den Negativsog der SPD in Bund und Land gezogen zu werden.

Kohnen ist seit der Landtagswahl-Pleite angeschlagen - wurde aber im Januar mit knapp 80 Prozent für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt. Kritische Stimmen gibt es immer wieder. Warum, fragen manche SPD-ler, hat Kohnen kürzlich so plötzlich ihren Verzicht auf den stellvertretenden SPD-Bundesvorsitz erklärt? Weil sie ohnehin nicht mehr gewählt worden wäre? Aber hätte sie das nicht anders anstellen können, um ein wenig Rest-Einfluss der Bayern-SPD im Bund zu wahren, irgendwie?
Zumal der Bayern-SPD mit dem bisherigen Staatssekretär im Umwelt- und Bauministerium, Florian Pronold, und Landesgruppenchef Martin Burkert, die beide komplett aus der Politik aussteigen wollen, gleich zwei ihrer bekanntesten Politiker in Berlin abhanden kommen.

Kohnen übt öffentliche Zurückhaltung

Auf Landesebene ist von Kohnen in den vergangenen Monaten kaum etwas zu hören gewesen, jedenfalls nicht öffentlich. Sie begründet dies damit, dass sie ihre Rolle vor den Kommunalwahlen vor allem darin sieht, die SPD-Wahlkämpfer vor Ort im Hintergrund zu unterstützen und wo gewünscht Hilfestellungen zu geben. "Das oberste Sprachrohr auf Landesebene entscheidet keine Bürgermeisterwahl vor Ort", so begründet die Landesvorsitzende ihre öffentliche Zurückhaltung.

Auf dem kleinen Landesparteitag an diesem Samstag soll nun ein Leitantrag beschlossen werden, der "kommunalpolitische Leitlinien" der SPD für die Wahl am 15. März festlegen soll. Die SPD-Gliederungen sollen sich daran für ihre Wahlprogramme orientieren können.

"Die Grundwerte der SPD - Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität - leiten auch die Arbeit der SPD vor Ort", heißt es in dem Papier, das einige sehr konkrete, weitgehende und teure Forderungen enthält: Die SPD will ein 365-Euro-Jahresticket für den Nahverkehr, für alle. Der Kita-Besuch soll künftig kostenfrei sein. Und die SPD fordert innerorts Tempo 30: "In Wohngebieten, innerstädtischen Bereichen und Ortskernen wollen wir flächendeckend Tempo 30 einführen. Das erhöht die Sicherheit und mindert den Lärm für die Anwohner."

Wie auch immer die Kommunalwahlen ausgehen - die nächsten großen Herausforderungen sind dann schon in Sichtweite: die nächsten Bundestags- und Landtagswahlen. Und da, so unken manche SPD-ler, müsse man dann womöglich sogar mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpfen.
(Christoph Trost, dpa)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist die geplante neue Kindergrundsicherung sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.