Politik

Die GBW war Jahrzehnte im Besitz der Bayerischen Landesbank. (Foto: dpa)

04.11.2016

Undurchsichtiger Milliardendeal

Finanzminister Söder unter Beschuss: Was ist dran an dem neuen Wirbel um die ehemals staatlichen GBW-Wohnungen?

Kurz hatte es so ausgesehen, als könnte es für Markus Söder richtig eng werden. Vor gut zwei Wochen sendete der Bayerische Rundfunk (BR) auf allen verfügbaren Kanälen die Ergebnisse seiner Recherche zum Verkauf der GBW-Wohnungen im Jahr 2013 an ein Konsortium unter der Führung des Augsburger Immobilien-Unternehmens Patrizia. Demnach hatten sich hinter der schönen Fassade schwäbischer Geschäftsleute mehrere Heuschrecken mit Sitz in Luxemburg versteckt, denen es nur um Profit und Steuervermeidung, nicht aber um das Wohl der gut 30 000 Mieter in Bayern gegangen sein soll. Die hatte der Finanzminister vor dem Verkauf mit einer „Sozialcharta XXL“ beruhigt – doch nun sorgte der BR mit Berichten über Luxussanierungen und kalte Entmietungen sowie undurchsichtige Firmenkonglomerate für Aufsehen.

Rückblende: Die GBW war Jahrzehnte im Besitz der Bayerischen Landesbank. Als die BayernLB dann Milliarden mit dem Kauf der Kärntner Hypo Group Alpe Adria in den Sand setzte und 2008 vom Freistaat vor dem Konkurs gerettet werden musste, forderte die EU-Kommission im fälligen Beihilfeverfahren, dass sich die Bank von allen Töchtern trennt, die nicht zum Kerngeschäft gehören – wie eben die GBW. Damit wurde die GBW zum Politikum auf großer Bühne. Denn einerseits sollte der Mieterschutz weitestgehend fortbestehen, andererseits ein ordentlicher Preis erzielt werden.

Im Verkaufsprozess wurde womöglich mit gezinkten, sicher aber mit verdeckten Karten gespielt. Neben dem Verkauf der GBW im Rahmen eines Bieterverfahrens forderte Bayerns SPD, der Freistaat möge die Wohnungen selbst übernehmen. Söder lehnte das unter Verweis auf Vorgaben der EU-Kommission ab. Bayern dürfe seiner Bank die Immobilien nicht abkaufen, weil das Geld da nur von der linken in die rechte Tasche flösse. Als der Deal mit der Patrizia über die Bühne war, ließ der damalige EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia mitteilen, ein Verkaufsverbot an den Freistaat habe es nie gegeben.

Es ist dies nicht die einzige Ungereimtheit. Außer der Patrizia meldete ein vom seinerzeitigen Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) initiiertes kommunales Konsortium Interesse an der Übernahme der GBW-Wohnungen an. Über zwei Milliarden Euro sammelte Ude bei seinen Rathauskollegen in den GBW-Standortkommunen ein, den Zuschlag bekam dann aber die Patrizia für knapp 2,5 Milliarden. Söder rechtfertigte die Vergabe damit, dass er verpflichtet gewesen sei, das wirtschaftlich beste Angebot anzunehmen. Allerdings könnten Kommunen künftig von der Patrizia GBW-Wohnungen erwerben – mit einem fünfprozentigen Aufschlag auf den ausgehandelten Kaufpreis. Von diesem Vorkaufsrecht haben inzwischen unter anderem die Stadt München und das oberbayerische Puchheim Gebrauch gemacht.

Klagen über Mieterhöhungen, Weiterverkäufe und teure Sanierungen

Jetzt also rollte der BR den Deal noch einmal auf. So ganz neu waren die Enthüllungen aber nicht. Schon 2013 hatte nämlich die Patrizia selbst erklärt, von den 2,5 Milliarden selbst nur 58 Millionen Euro einzubringen. Der Rest komme von 26 deutschen Investoren sowie einem aus der Schweiz. Ein Großteil von ihnen war bereits 2013 bekannt, schon damals war manchem nicht wohl beim Blick auf das Konstrukt. So zeigte sich seinerzeit der SPD-Landesbankexperte Harald Güller „alarmiert“. Sein CSU-Pendant Ernst Weidenbusch hält die BR-Veröffentlichungen wegen dieser Vorgeschichte für „kalten Kaffee“. Auch die Staatsregierung sieht sich vom Sender zu Unrecht an den Pranger gestellt und will sich noch schriftlich beim Intendanten beschweren. Söder selbst müht sich um Contenance. Es sei beim GBW-Verkauf alles nach Recht und Gesetz abgelaufen, betont er.

Das scheint zu stimmen, obwohl sich schon kurz nach dem Verkauf der Wohnungen 2013 bei Mietervereinen die Klagen über Mieterhöhungen, Weiterverkäufe und teure Sanierungen häuften. Zudem gingen beim von der GBW bestellten Ombudsmann für die Rechte der Mieter, dem früheren Ministerpräsidenten Günther Beckstein, schon im ersten Jahr 70 Beschwerden ein. Gravierende Verstöße gegen die Sozialcharta waren aber offenbar keine darunter, denn sonst hätte die BayernLB als Alteigentümer Regressforderungen an die Patrizia richten können. Auch die Wirtschaftsprüfer von Deloitte, die jährlich einen Bericht zur Einhaltung der Sozialcharta vorlegen, bescheinigen den neuen GBW-Inhabern, „in allen wesentlichen Belangen“ im Einklang mit dieser zu handeln.

Politisch bleiben trotzdem offene Fragen. Denn neu ist die vom BR nachgezeichnete Luxemburg-Connection und der Vorwurf, ausgerechnet der Finanzminister Söder habe beim GBW-Verkauf fahrlässig ein – wenn auch legales – Steuersparmodell befördert. Und es stellt sich erneut die Frage, ob das kommunale Konsortium im Bieterverfahren jemals eine faire Chance hatte. Denn wie jetzt bekannt wurde, wollte die BayernLB die GBW schon 2008 verkaufen. Die Partizia war auch da Interessent und bekam Einblick in die Bücher. Sie verfügte also 2013 womöglich über Insiderwissen.

SPD und Freie Wähler haben einen Bericht des Finanzministeriums zum GBW-Verkauf durchgesetzt. Auch gab es schon Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss. Der kann nach Einschätzung von SPD-Mann Güller aber nur Ultima Ratio sein. Erst müsse versucht werden, die Fragen auf dem normalen parlamentarischen Weg zu klären. Güller glaubt aber, dass es für die Staatsregierung noch unangenehme Enthüllungen geben könnte: „Dass irgendwo noch was vergraben ist, dafür sprechen die hektischen und zum Teil aggressiven Reaktionen Söders und Weidenbuschs.“ Ganz ausgestanden scheint die Sache GBW für Söder also noch nicht. (Jürgen Umlauft)

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