Politik

„So ist er halt.“ Seehofer lästert gern. (Foto: ddp)

08.01.2010

Verstörende Signale

Beim CSU-Parteitag erhält der Vorsitzende Horst Seehofer zwei Monate vor der Bundestagswahl einen Dämpfer

Ein bisserl bestürzt schaut Horst Seehofer schon drein, als das Ergebnis verkündet wird: 88,09 Prozent der Delegierten haben ihn mit ihrer Stimme im Amt des Parteichefs bestätigt. Ein Minus von etwa 2 Prozent zum Ergebnis vor neun Monaten. Das ist schmerzlich für den Mann, den die Christsozialen im vergangenen Jahr, nach dem katastrophalen 43-Prozent-Ergebnis der Landtagswahl, zum Retter in der Not erkoren haben. 88 Prozent: Das ist auch ein Dämpfer für den einstigen Stimmenkönig Seehofer, der bei Parteitagen regelmäßig das beste Ergebnis aller Stellvertreter einfuhr und bei Bundestagswahlen mit 60-plus- x-Ergebnissen in seinem Stimmkreis glänzte. Horst, der Sonnyboy, den die Partei hätschelt und die Presse hofiert – dass es damit erstmal vorbei ist, schwant Seehofer schon länger. Nicht umsonst räumt er in seiner einstündigen Rede Fehler ein: Er sei „nicht immer diplomatisch genug“, konzediert der CSU-Chef. Und will damit die verletzten Seelen streicheln, die in den letzten Monaten von seinen Pfeilen getroffen wurden. Doch dann: Schießt er einen neuen Pfeil in die Menge, er trifft den Schwaben Gerd Müller. Seehofer blamiert den patenten Berliner Agrarstaatssekretär vor den Delegierten mit der Bemerkung, Müller habe ihn extra gebeten, in Seehofers Rede auch vorzukommen, was er, Seehofer, hiermit tue. Die CSU-Leute nehmen es achselzuckend zur Kenntnis. „So ist er halt“, sagt ein Vorstandsmitglied über den Chef.
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Die Parteitagsregie hat vielfach Mühe, das Drehbuch durchzuhalten. Während seiner Begrüßungsrede versucht Generalsekretär Alexander Dobrindt, die hartnäckigen Beckstein-Fans zu dämpfen, die den Ex-Ministerpräsidenten minutenlang beklatschen. Dobrindt muss mehrere Anläufe nehmen, um die Beifallsbekundungen zu stoppen, die das Personal aus der ersten Reihe klar übertreffen. Unbestrittener Star des Parteitags ist aber Karl-Theodor zu Guttenberg. Wo immer der Bundeswirtschaftsminister, zweitbeliebtester deutscher Politiker nach Kanzlerin Merkel, auftaucht, wird er von Fans umlagert. Sobald Guttenbergs Name fällt, brandet Jubel auf. Guttenberg fährt dann auch das beste Ergebnis bei der Wahl der Bezirksvertreter in den Parteivorstand ein. Nein, hat Seehofer vor Kurzem beteuert, er sei nicht eifersüchtig auf Guttenbergs Glanz: „Ich habe ihn schließlich entdeckt.“
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Einen Dämpfer muss der Ehrgeizling Markus Söder einstecken. Seit er das Umweltressort übernommen hat, präsentiert sich der 42-Jährige als grüner Vorkämpfer der CSU. Bei der Agro-Gentechnik konnte er Teilerfolge verbuchen, beim Donauausbau fiel er jetzt auf die Nase. Ganze 12 Delegierte hoben für Söder die Hand, als der Parteitag über das strittige Thema abstimmte. Dass er damit die Parteitagsmehrheit gegen sich hatte, kann man gleichwohl nicht sagen: Als es zum Schwur kam, waren nur geschätzte 300 bis 400 Delegierte im Saal – von insgesamt 1000. Bleibt die Frage, warum Delegierte bei einer wichtigen Abstimmung lieber im Foyer Bockwurst essen, statt im Plenum Pro oder Contra zu geben. Initiiert hatte die Debatte die CSU Niederbayern, die erbost ist über Söders Nein zum Ausbau der Donau. So grün, meinen die niederbayerischen Meinungsführer Manfred Weber und Erwin Huber, müsse die CSU dann auch wieder nicht werden; der Donauausbau sei wirtschaftlich sinnvoll. Ohnehin spricht Huber von einem Kompromiss, weil statt einer Staustufe in der Donau nun eine ständig überflutete Stützschwelle geplant ist. Söderunterstützer weisen derweil darauf hin, dass Parteichef Seehofer, der vor einiger Zeit selbst eine grünere CSU forderte, seinen Umweltminister im Regen stehen ließ. Als sich bei einer Sitzung des CSU-Vorstands kürzlich offener Widerspruch gegen Söders Ausbau-Nein regte, soll Seehofer nicht eingegriffen haben. Und in der CSU-Antragskommission vor dem Parteitag warb Generalsekretär Dobrindt angeblich darum, das Thema bis nach der Bundestagswahl zu verschieben – vergeblich.
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Fulminante Reden waren nicht zu hören in Nürnberg. Peter Ramsauer, immerhin Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, erhielt für seine bemühte Bewerbungsansprache allenfalls höflichen Beifall – und nur das zweitbeste Ergebnis bei der Stellvertreterwahl. Horst Seehofer blieb rhetorisch unter seinen Möglichkeiten, nur gelegentlich tröpfelte Applaus. Und Kanzlerin Angela Merkel wirkte angespannt, fast ängstlich. Demonstrativ baute sie Friedensappelle in ihre Rede ein: „Nur gemeinsam sind wir stark“ , flehte Merkel, die auch nach dem 27. September Kanzlerin sein will und dafür die CSU braucht. Seehofer gilt Merkel als unberechenbarer Polit-Rambo, der für ein gutes CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl zunehmend überzieht. Sein Hinweis, das Kräftemessen mit der CDU sei nur „Fingerhakeln, ein absolut ungefährlicher bayerischer Volkssport“, sollte sie mit Vorsicht genießen. Wer einmal richtig „gehakelt“ hat, weiß, dass dabei schnell die Haut in Fetzen von den Fingern hängt. Und das tut ganz schön weh, Frau Merkel.
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Weitgehend ausgeklammert blieb der Streit zur Europapolitik. Merkel vermied das Thema sorgsam, Seehofer wiederum tönte, „es geht nicht um Blockade“. Dass die CSU das Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag und damit dessen Unterzeichnung blockieren würde, glaubten Parteistrategen ohnehin nie. Seehofer, heißt es, sei zufrieden, wenn die Wähler die Botschaft vernähmen: Die CSU haut in Berlin und Brüssel auf die Pauke. Nach Seehofers jüngstem Vorschlag können sich CSU-Europabefürworter ohnehin entspannt zurücklehnen: Der Parteichef erwägt eine Landtagsdebatte zum Thema. Dass die CSU dabei eine harte Linie durchdrücken kann, gilt als ausgeschlossen. Immerhin darf in Bayern die FDP ein Wörtchen mitreden. Und die hat schon klargemacht, was sie vom CSU-Europa-Vorstoß hält: nichts.
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Der Delegiertenabend war in der Vergangenheit stets eine heimelige Veranstaltung. Prominenz gesellte sich zu einfachem Parteivolk und blieb nicht, wie Seehofer, am VIP-Tisch. Man brauchte auch keine talentfreien externen Moderatoren und erst recht keinen infernalischen, dorfdiscogleichen Lärm. Wenn die CSU sich der Moderne öffnet, muss es offenbar richtig krachen, damit es auch alle merken. Sollte einst der Spruch „Laptop und Lederhose“ die ganze Spannweite der CSU beschreiben, ist die Devise „Synthesizer statt Blasmusik“ nun Ausweis eines ambitionierten Stilbruchs. Entsprechend war die Stimmung: mau wie bei einem Krisentreffen von 1000 bankengeschädigten Anlegern. Kommunikation fand beim Parteitag gleichwohl statt: in den Vorhallen des Plenums, in dem sich dann freilich Löcher auftaten wie in den Bilanzen besagter Banken.
(Waltraud Taschner)

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