Politik

Justitia bekommt eine neue Wirkstätte: Das Bayerische Oberste Landesgericht wird wieder gegründet. (Foto: dpa)

27.04.2018

Vielgelobtes Unikum

Markus Söder will das Bayerische Oberste Landesgericht wieder einführen: Welche Vorteile hat das eigentlich?

Für das Gericht selbst ist es eine Art verspätetes Geburtstagsgeschenk: Auf den Tag genau 392 Jahre nach seiner Gründung kündigte Ministerpräsident Markus Söder jüngst die Neueinsetzung des Bayerischen Obersten Landesgerichts an. Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, Söders Vorbild und Mentor, hatte das Gericht 2004 völlig überraschend abgeschafft.

Über die Gründe war damals viel spekuliert worden. Stoiber habe im Rahmen seines Sparwahns zeigen wollen, dass er auch vor hohen Behörden nicht Halt mache, hieß es. Daneben kursierte das Gerücht, Stoibers Beamte hätten sich über das Gericht geärgert und die Abschaffung als eine Art Racheakt vorgeschlagen.

Jetzt also die späte Wiedergutmachung. Mit der Neugründung des Gerichts wolle er „die Eigenständigkeit der bayerischen Justiz stärken“, betonte Söder. Tatsächlich ist das Oberste Landesgericht deutschlandweit einmalig. Was als Begründung zunächst ein bisserl dünn scheint. Vor allem die Opposition reagiert oft allergisch auf CSU-Eigenlob, wie toll diverse Errungenschaften seien, die es nur im Freistaat gibt.

In diesem Fall nicht. Die Neugründung des Gerichts sei „Ausdruck bayerischen Selbstbewusstseins“ – erklärt ganz staatstragend Franz Schindler (SPD), Chef des Rechtsausschusses im Landtag. Die SPD hatte damals, neben anderen, gegen die Auflösung des Gerichtes geklagt.

Das Gericht war bekannt für seine wegweisende Rechtsprechung, etwa im Verkehrsrecht


Justizminister Winfried Bausback betont: Künftig werde „ein Gericht wichtigste Rechtsfragen für ganz Bayern klären“. Nun entscheidet das Oberste Landesgericht also wieder über zivilrechtliche Revisionen, die bayerisches Landesrecht betreffen (etwa Enteignungen, Amtspflichtverletzungen), über die bisher der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden hat. Daneben soll das Oberste Landesgericht wieder zuständig werden für Revisionen in Bußgeld- sowie in Strafverfahren – was derzeit die drei bayerischen Oberlandesgerichte erledigen. Der Vorteil für die Bürger: Die Rechtsprechung wird einheitlicher.

Der Regensburger Prozessrechtler Ekkehard Schumann, der 2005 ebenfalls vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen die Abschaffung des Gerichts geklagt hatte, verweist darauf, dass das Oberste Landesgericht vor allem im Straf- und Verkehrsrecht Klärungen vorgenommen habe, die „wegweisend für ganz Deutschland“ waren. So etwa die Frage, ob ein Arzt bei der Fahrt zu einem Notfall die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschreiten darf (er darf). Oder bei seiner klaren Rechtsprechung zu Nötigungen im Straßenverkehr.

Wann das Gericht seine Arbeit aufnimmt, ist offen. Ebenso die Frage, wo es residieren wird. Geklärt werden müssen auch Personalfragen. Das Gericht hatte zuletzt 28 Richterstellen der Besoldungsgruppe R 3, fünf Vorsitzende Richter in R 5 und einen Gerichtspräsidenten in R 8.

Die Zahl der Richter soll künftig geringer, mehrere Stellen sollen weniger hoch dotiert sein. Das Ministerium schätzt die Personalkosten auf eine Million Euro jährlich. In Relation zum Gesamtpersonaletat des bayerischen Justizministeriums von 1,47 Milliarden eine bescheidene Summe. Umso erstaunlicher, dass Stoiber vor 14 Jahren bereit war, deshalb die gesamte Justiz im Freistaat gegen sich aufzubringen. (Waltraud Taschner)

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