Politik

Nach vielen Hochs und Tiefs in der schwarz-gelben Zusammenarbeit hofft Thomas Hacker jetzt auf Ruhe. (Foto: dpa)

24.08.2012

"Von der CSU lernen? Bloß nicht!"

Sommerinterview (IV): FDP-Fraktionschef Thomas Hacker über das Liberalen-Dauertief, seine bevorzugten Bratwürste und politische Wünsche an Horst Seehofer

Eigentlich liegen eher entspannte Wochen hinter Thomas Hacker: Urlaub in der Toskana, Bratwursttour mit Parteifreunden in Oberfranken. Trotzdem ist er unpässlich – erkältet! Bei der Frage nach zurückliegenden Streitereien mit Horst Seehofer kriegt der 44-jährige Steuerberater erst mal einen Hustenanfall – und greift gern auf Vitaminbonbons der BSZ zurück. BSZ: Herr Hacker, Sie haben jetzt im Dienst Ihrer Partei zwei Tage lang Bratwürste verspeist. Welche schmeckt am besten?
Thomas Hacker: Wie Sie wissen, komme ich aus Bayreuth, und da haben wir die für meinen Begriff beste Bratwurst. Sie ist in der Konsistenz etwas feiner, super gewürzt – und sie ist auch größer als die anderen.
BSZ: Und? Haben Sie Trost bekommen von den Bürgern beim Bratwurstessen? Immerhin dümpeln Sie seit fast zwei Jahren bei Umfragewerten unter 5 Prozent.
Hacker: Zunächst mal: Die Umfragen schrecken mich nicht. Da gibts immer eine Fehlertoleranz von plus/minus 3 Prozent. Wie aussagekräftig Umfragen sind, sieht man ja auch daran, dass die CSU eine Woche vor der Landtagswahl 2008 bei 49 Prozent lag. Am Wahltag waren es dann 43,4 Prozent. Zum anderen habe ich im Gespräch mit den Bürgern festgestellt, dass die sehr wohl wahrnehmen, was wir Liberalen machen, wo unsere Erfolge liegen. Und es kommt auch gut an, dass wir als Fraktion jeden Sommer drei Wochen im Land unterwegs sind, um zu schauen, wo die Menschen der Schuh drückt – und eben nicht nur im Wahlkampf.
BSZ: Glauben Sie wirklich, die Menschen gucken genau, welche Initiative im Freistaat von der FDP ausging? Tatsächlich ist es doch eher so, dass alles, was gut läuft, Seehofer und der CSU zugeschrieben wird.
Hacker: Dass Horst Seehofer als Ministerpräsident größere Aufmerksamkeit genießt als wir, ist doch klar. Und natürlich registrieren wir immer wieder mit Staunen, wie die CSU Themen okkupiert, die eigentlich wir angestoßen haben. Ein Beispiel ist die Klage gegen den Länderfinanzausgleich: In den zurückliegenden zwei Jahren haben wir wiederholt moniert, wie ungerecht das geltende System ist, und wir haben dazu auch Gutachten bei renommierten Verfassungsrechtlern in Auftrag gegeben. Nur: Darüber haben die Medien kaum berichtet. Dann kommt Seehofer, verkündet groß, dass jetzt geklagt wird, und wir laufen nebenher und sagen: Wir waren die ersten.
BSZ: Sind Sie frustriert?
Hacker: Nein. Fakt ist, dass wir der Motor in dieser Koalition sind. Wir sind zwar der kleinere, aber der aktivere Partner. Und das sehen viele Bürger auch so. In Gesprächen erlebe ich ganz oft, dass Leute sagen: Ihr habt so viel angestoßen in Bayern, das darf jetzt nicht aufhören. Vor allem Lehrer sprechen uns an und wünschen sich, dass wir weiter für Innovationen im Bildungsbereich sorgen – ein Bereich, in dem wir viel bewegt haben. Denken Sie an den Ausbau der Ganztagsangebote, die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund oder die Einführung der Kooperationsschulen, an denen Haupt- und Realschüler zusammengeführt werden. Ziel dabei ist, den Schulstandort in einer kleinen Gemeinde zu erhalten.
BSZ: Aber gerade im Bildungsbereich herrscht doch in Bayern besonders viel Verdruss! Die Schulpolitik kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus.
Hacker: Es ist nun einmal so, dass die CSU den Kultusminister stellt. Veränderungen in der Bildungspolitik – ob positiv oder negativ – werden da natürlich ihm zugerechnet. Aber dafür schieben die Menschen die positiven Veränderungen im Bereich Hochschulen wiederum unserem Minister Wolfgang Heubisch zu.

"Wir werden auch diesmal in den Landtag einziehen"


BSZ: Tatsächlich? Wenn das alles so toll läuft für Sie, müsste sich das doch auch in Umfragewerten niederschlagen. Auch wenn Sie den Demoskopen wenig glauben: Seit Januar 2011 sieht Sie kein Institut über 5 Prozent.
Hacker: Sie werden erleben, dass sich das ändert. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein war es doch auch so. Wir hatten in Bayern bei der letzten Landtagswahl 8 Prozent, und wir werden auch diesmal 8 Prozent kriegen.
BSZ: Sie reklamieren, Motor der Koalition zu sein, aber bei manchen Themen bremsen Sie auch und sind konservativer als die CSU. Zum Beispiel beim Thema Frauenquote oder beim Atomausstieg.
Hacker: Wir als Liberale sind gegen Frauenquoten, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. Wir sind nämlich davon überzeugt, dass sich Gleichstellung nicht allein durch Quoten erzielen lässt. In den Reihen der FDP zum Beispiel machen Frauen auch ohne feste Vorgaben Karriere! Unsere Landesvorsitzende ist eine Frau, ebenso die Generalsekretärin. Und in der Landtagsfraktion beträgt der Frauenanteil fast 35 Prozent. Zum Atomausstieg: Wir stehen zur Energiewende! Aber wir hätten gern gehabt, dass man zuerst den Weg beschreibt und dann ein Datum für den Ausstieg setzt. Noch immer ist doch nicht geklärt, wie man die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit von regenerativer Energie sichert. Beim Ausbau regenerativer Energien kommen wir in Bayern voran, aber wir haben noch Nachholbedarf beim Leitungsausbau. Und auch das Thema Grundversorgung ist noch nicht geklärt – da geht es um die Frage, wie man in Zeiten, da die Ökoenergie nicht zur Stromdeckung ausreicht, sicherstellt, dass ausreichend konventionelle Energie, etwa aus Gas, vorhanden ist. Schließlich müssen auch die technischen Möglichkeiten zur Speicherung von Ökostrom noch besser erforscht werden.
BSZ: Mit welchen Themen wollen Sie im Wahlkampf punkten?
Hacker: Bildung, Wirtschaft, Bürgerrechte.
BSZ: Holen Sie sich für den Wahlkampf externen Sachverstand?
Hacker: Ja, wir haben im Landesverband eine Hamburger Agentur beauftragt, die schon große Kampagnen, auch für Parteien, organisiert hat. Den Namen werden wir demnächst bekannt geben.

"Die Leute können schon unterscheiden, ob es um Wahlkampfgetöse geht oder um die Sache"


BSZ: In den zurückliegenden Jahren war Ihr Koalitionspartner CSU nicht immer freundlich. Einmal tagte der Koalitionsausschuss monatelang nicht, weil Sie und Seehofer Streit hatten. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck: Das funktioniert nicht. Ist das reparabel?
Hacker: Es ist richtig, dass wir in der Koalition solche und solche Phasen hatten. Nach der Landtagswahl etwa lief es zunächst recht gut. Aber dann, im Vorfeld der Bundestagswahl, schwenkte die CSU plötzlich auf Eiseskälte um. Was war die Folge: Wir hatten in Bayern das beste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten. Ich glaube, die Leute registrieren sehr genau, ob es inhaltlichen Streit gibt, was zu einer Koalition dazugehört. Oder ob es sich um atmosphärische Störungen handelt, bei denen es darum geht, dass ein Koalitionspartner den anderen düpiert. Uns jedenfalls geht es immer um die Sache!
BSZ: Wenn Sie drei Wünsche an Seehofer frei hätten, welche wären das?
Hacker: Erstens: Er soll sachorientiert diskutieren. Zweitens: Er soll die Belange der bayerischen Politik vertreten, ohne die Verantwortung für ganz Deutschland zu vernachlässigen. Drittens: Er soll das gemeinsam mit uns vereinbarte Ziel der Schuldentilgung rasch in die Tat umsetzen.
BSZ: Was halten Sie im Rückblick für Ihren größten Fehler als Fraktionschef?
Hacker: Wenn Gutmütigkeit ein Fehler ist: dann das. BSZ: Was können Sie von der CSU lernen?
Hacker: Nichts, was ich lernen möchte.
BSZ: Vervollständigen Sie zum Schluss die folgenden drei Sätze: Der oder die schlagfertigste bayerische Politiker/in ist ...
Hacker: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
BSZ: Wenn auf meinem Handy eine SMS von Horst Seehofer eintrifft, denke ich ...
Hacker: Mal sehen, was er mir diesmal mitzuteilen hat.
BSZ: Die wichtigste Eigenschaft eines Spitzenpolitikers heute ist ...
Hacker: Gradlinigkeit.
(Interview: Waltraud Taschner,
Alexandra Kournioti)

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