Politik

Würde das Wissenschaftsministerium wohl mit Kusshand nehmen: der Freie Wähler Michael Piazolo. (Foto: Freie Wähler)

17.10.2018

Von Posten und Pöstchen

Eine große Krux bei Koalitionsverhandlungen ist immer die Vergabe der Ministerien. Nicht nur, weil jeder Posten nur einmal vergeben werden kann. Auch, weil jede Partei auf Prestige-Erfolge für sich hofft

Nach dem Erfolg seiner Freien Wähler bei der bayerischen Landtagswahl kann Hubert Aiwanger vor Selbstbewusstsein kaum gehen. Zumindest scheint dies so aus Sicht der CSU, als Aiwangers Forderung nach bis zu fünf Ministerien in einer möglichen Koalition die Runde machte. Ministerpräsident Markus Söder versuchte die Debatte sofort auszubremsen, hätten die Koalitionsverhandlungen doch noch nicht einmal begonnen. Ohnehin stehe die Postenvergabe erst nach den Inhalten an.

Bei der Vergabe geht es für beide Parteien aber nicht nur um persönliche Vorlieben, zu beachten sind auch wichtige Faktoren wie der Regionalproporz, die Frauenquote und natürlich die Demonstration der Deutungshoheit. Ein Überblick:

INNENPOLITIK: Keine Frage, bei ihrer selbst ernannten Kernkompetenz kann sich die CSU auf keine Diskussion einlassen. Ressortchef Joachim Herrmann dürfte wie in den vergangenen elf Jahren gesetzt sein, außer er würde überraschenderweise wieder mal in Berlin gebraucht.

BAU & VERKEHR: Nachdem Ressortchefin Ilse Aigner Landtagspräsidentin werden soll, wird die Führungsposition vakant. Doch Söder hatte den Wohnungsbau unlängst zu der sozialen Frage der Gegenwart erklärt, daher ist ein Verzicht auf das zuständige Haus unwahrscheinlich. Wer Aigner aber beerbt, ist völlig offen. Die Freien Wähler dürften hier aber auch ein großes Interesse haben.

FINANZEN & HEIMAT: Kein Regierungschef gibt die Hoheit über sein Budget gerne an Vertreter anderer Parteien. Dies dürfte auch bei Söder der Fall sein. Hinzu kommt, dass Ressortchef Albert Füracker das Haus bestens im Griff hat. Denkbar wäre aber, dass Söder den Bereich Heimat und Landesentwicklung herauslöst, um den Freien Wählern entgegenzukommen.

AGRAR: Auch wenn Amtsinhaberin Michaela Kaniber in den ersten sieben Monaten ihrer Führung in der Branche viel Zuspruch erfuhr, ist das Haus ganz sicher ein Wackelkandidat aus CSU-Sicht. Bei den Freien Wählern und ihrem Fokus auf den ländlichen Raum dürfte das Ressort dort auch hoch im Kurs stehen.

WISSENSCHAFT: Nachdem Ministerin Marion Kiechle den Einzug in den Landtag verpasst hat, und die CSU-Fraktion bis heute nicht recht mit der politischen Quereinsteigerin warm wurde, dürfte auch dieses Ministerium zur bevorzugten Verhandlungsmasse gehören. Die Freien Wähler, allen voran Vize-Landeschef Michael Piazolo, seines Zeichen Professor für europäische Studien von der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, würde es wohl mit Kusshand nehmen.

KULTUS: Ressortchef Bernd Sibler gehört zu den Entdeckungen im Kabinett Söder I. Der Niederbayer ist vom Fach und hat es geschafft, sich in kürzester Zeit auch bei den vielen Verbänden einen guten Ruf zu erarbeiten. Der Start des neuen Abiturs verlief ohne Aufregung, Söder wird daher mit Sicherheit weiter auf das Haus bestehen.

JUSTIZ: 
Auch wenn Minister Winfried Bausback in der CSU unbestritten ist, könnte der Jurist ein großer Verlierer der Kabinettsumbildung werden. Da ändert auch der für Söder bei der Kabinettspostenvergabe wichtige Regionalproporz nichts. Bei den Freien Wählern steht zudem mit Fernsehrichter Alexander Hold ein prominenter Abgeordneter bereit.

GESUNDHEIT: CSU-Vize Melanie Huml muss sich vermutlich keine großen Sorgen machen. Söder hält viel von der Oberfränkin, zudem sind Frauen in der CSU-Kabinettsliste ohnehin rar. Auch fachlich ist Huml nicht in Gefahr, seit Jahren führt sie das Ressort ohne großen Ärger.

WIRTSCHAFT: Auch wenn die Gestaltungsmöglichkeiten des Ministeriums überschaubar sind, gilt es als Schlüsselhaus in allen Regierungen. Dass die CSU darauf zu verzichten bereit ist, hat sie schon 2008 gezeigt, als die FDP es in der Koalition übernehmen durfte. Gut möglich, dass hier Aiwanger selbst Interesse anmeldet.

FAMILIE UND SOZIALES: 
Mit der Arbeit von Kerstin Schreyer ist Söder nach eigener Aussage sehr zufrieden. Für das soziale Profil der CSU ist es zudem ein wichtiges Ressort, welches die CSU kaum abgeben will. Die Freien Wähler ihrerseits legen etwa bei dem von der CSU eingeführten Familien- und Pflegegeld andere Kriterien an. Das Wahlversprechen Söders wird für ihn nicht verhandelbar sein.

UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ:
 Im Skandal um von Salmonellen verseuchte Eier haben die Freien Wähler die damaligen CSU-Minister massiv attackiert und der Staatsregierung Versagen vorgeworfen. Daher scheint es auch nicht unwahrscheinlich, dass die Freien Wähler hier Durchsetzungsstärke gegen die CSU demonstrieren wollen.

EUROPA UND DIGITALISIERUNG: Der in der Staatskanzlei angesiedelte Staatsministerposten ist sicher fest bei Söder einkalkuliert. Hinzu kommt, dass Söder mit Georg Eisenreich einen Minister verlieren würde, der wohl schon bald Chef der Münchner CSU werden könnte. Daher gibt's hier wohl kein Verhandlungsspielraum.

STAATSKANZLEICHEF: Der Posten an der direkten Seite von Söder ist sicher nicht verhandelbar, als Scharnier zwischen den anderen Ministerien ist es strategisch wichtig. Zudem gehört Amtsinhaber Florian Herrmann zu den engsten Vertrauten des CSU-Regierungschefs.
(Marco Hadem und Christoph Trost, dpa)

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