Politik

30.11.2012

Vorbild-Firmen verzweifelt gesucht

Noch immer kämpfen viele HIV-Positive mit Diskriminierung im Job - doch es gibt auch Ausnahme-Arbeitgeber

Vor zehn Jahren bekam Dirk Stöllger die Diagnose: HIV-positiv. Kurze Zeit später hat sich der damals 33-Jährige am Arbeitsplatz geoutet: Der gelernte Bankkaufmann erzählte seinen Kollegen bei der Berliner Commerzbank von seiner Infektion. „Alle haben super reagiert“, sagt Stöllger, der noch immer bei der Commerzbank tätig ist. Sein Outing hat er nie bereut. Dennoch würde er niemandem raten, es ihm im Fall einer HIV-Diagnose gleichzutun. „90 Prozent der Positiven behalten ihre Diagnose für sich“, ist seine Erfahrung – „die meisten von ihnen leider aus gutem Grund“.
Noch immer nämlich ist Diskriminierung im Job für HIV-positive Arbeitnehmer eher die Regel als die Ausnahme: Betroffene werden entweder unter einem Vorwand entlassen – oder so lange gemobbt, bis sie von selbst kündigen.
Anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember trommeln Aids-Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen auch heuer wieder dafür, Vorurteile gegenüber HIV-Positiven abzubauen – vor allem im Job. Das größte Problem HIV-Positiver, sagt Michael Tappe, Leiter der Münchner Aids-Hilfe, „ist die Diskriminierung am Arbeitsplatz“. Er rät HIV-Positiven grundsätzlich davon ab, sich im Job zu outen. Allerdings, sagt Tappe, bedeute die Geheimhaltung für die Betroffenen auch Stress: wenn man etwa erklären müsse, warum man regelmäßig zur Blutkontrolle müsse, warum man ständig Medikamente nehme, vielleicht unter deren Nebenwirkungen leide und ähnliches.

Grüne appellieren an die vbw


78 000 Menschen sind laut Robert Koch-Institut derzeit in Deutschland HIV-positiv, 10 000 von ihnen in Bayern. Trotz diverser Aufklärungskampagnen stecken sich deutschlandweit jedes Jahr rund 3400 Menschen mit der Immunschwäche neu an, 2012 waren es in Bayern etwa 410.
Erschreckend auch: Etwa ein Fünftel der HIV-Positiven weiß nichts von der Infektion. Fatal ist das deshalb, weil die Erkrankung viel wirksamer bekämpft werden kann, wenn sie frühzeitig erkannt und therapiert wird. „Dank hochwirksamer Medikamente können Betroffene heute ein weitgehend normales Leben führen“, sagt Stefan Zippel, Leiter der psychosozialen Beratungsstelle der Münchner dermatologischen Uniklinik. Mit der richtigen Medikation könnten die HI-Viren so weit zurückgedrängt werden, dass sie unterhalb der Nachweisgrenze liegen, betont der Humanbiologe. Das heißt: Menschen, die medikamentös richtig behandelt werden, können die Infektion über Blut, Sperma, Scheidenflüssigkeit und Muttermilch nicht mehr weitergeben. Im Alltag – also etwa, wenn man aus einem Glas trinkt oder sich umarmt und küsst, ist eine Ansteckung ohnehin nicht möglich.

Rigorose Airline


Viele Menschen wissen noch immer zu wenig über die klassischen Ansteckungswege – und reagieren deshalb geschockt und ängstlich, wenn sie von einer HIV-Infektion in ihrem Umfeld erfahren. Leider auch im Job. So setze eine große deutsche Airline HIV-Positive nicht mehr als Flugbegleiter ein, weiß Dirk Stöllger, der regelmäßig die Bundes-Positiven-Treffen der Arbeitnehmer besucht. „Die Fluggesellschaft fürchtet um ihren Ruf, wenn bekannt würde, dass HIV-Positive den Fluggästen das Essen servieren“, ärgert sich Stöllger. Dabei ist eine Ansteckung auf diesem Weg gar nicht möglich.
Noch sind Arbeitgeber, die HIV-Positive vorurteilsfrei integrieren, in Deutschland die Ausnahme – laut Michael Tappe zählt auch Ikea dazu, Dirk Stöllger nennt den Kölner Autobauer Ford. Theresa Schopper, Landeschefin der bayerischen Grünen, wünscht sich, dass noch mehr bayerische Unternehmen dazu kommen.
Ihr Vorschlag: Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft soll anlässlich des Welt-Aids-Tages an ihre Mitgliedsbetriebe appellieren, niemanden wegen seiner HIV-Infektion zu diskriminieren. Wäre doch schön, wenn die bayerische Wirtschaft sich hier einen ähnlich guten Ruf erarbeitet wie die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen im Freistaat, sagt Schopper. Bei der HIV-Prophylaxe, lobt die Grüne, sei Bayern nämlich bereits seit Jahren „ziemlich gut“. (Waltraud Taschner)

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