Politik

Polizisten auf dem Christkindlmarkt in Regensburg: Uniformierte und zivile Streifen wurden verstärkt. (Foto: dpa)

04.12.2015

Wachsam sein am Glühweinstandl

Terrorgefahr auf bayerischen Christkindlmärkten: Die meisten Städte haben ihre Sicherheitsmaßnahmen verstärkt

Im Hinterkopf ist es schon präsent“ – die junge Münchnerin, die über den Christkindlmarkt am Marienplatz schlendert, hatte nur ganz kurz überlegt, ob sie den Weihnachtsmarkt-Besuch angesichts der Terroranschläge in Paris in diesem Jahr lieber ausfallen lassen sollte. Doch die Freude auf den Duft von Glühwein, gebratenen Mandeln und Bratwürsten war viel größer als ihre Angst.

Die Terrorangst ausblenden – das machen viele Besucher der Weihnachtsmärkte. Und je weiter die Anschläge in Paris zurückliegen, desto einfacher scheint das den meisten zu fallen. Auch die hohe Zahl uniformierter Polizisten kann die besinnliche und mitunter beschwingte Stimmung kaum trüben. Denn eines ist fast allerorten zu beobachten: Die Polizei zeigt angesichts der aktuellen Sicherheitslage verstärkte Präsenz.

Auch auf dem Münchner Christkindlmarkt am Marienplatz sieht man heuer mehr Beamte. Das Polizeipräsidium bestätigt: „Nach den letzten Anschlägen in Paris hat die Polizei ihre Schutz- und Überwachungsmaßnahmen für den Christkindlmarkt an die aktuellen Erkenntnisse über eine allgemein bestehende gestiegene Terrorgefährdung angepasst.“ Dazu gehören nicht nur mehr uniformierte und zivile Streifen, sondern auch Videoüberwachung mit mehreren Kameras. Aber keine Sprengstoff-Spürhunde: Sie werden generell nicht im Streifendienst eingesetzt, sondern nur bei konkreten Gefährdungssituationen. Ein Sprecher erklärt: „Die Hunde ermüden viel zu schnell.“ Maximal eine halbe Stunde Schnüffeldienst am Stück sei deshalb drin.

Keine konkrete Bedrohung, aber eine "abstrakte Gefahr"

„Eine konkrete terroristische Bedrohungssituation aber besteht nicht“, betont man bei der Münchner Polizei. Das bestätigt auch Innenminister Joachim Herrmann. Drei Wochen nach der Terrorserie in Paris hätten auch die Geheimdienste keine Hinweise auf eine konkrete Gefahr für Weihnachtsmärkte oder andere öffentliche Veranstaltungen in Bayern, sagt er. Insgesamt sei die Bedrohungslage allerdings „ernst“. Es ist diese sogenannte „abstrakte Gefährdung“, die Polizei und Weihnachtsmarkt-Verantwortliche in Alarmbereitschaft versetzt. Polizeistreifen sollen aber nicht nur abschreckend auf Straftäter wirken, sondern vor allem das Sicherheitsgefühl der Bürger stärken. In München hat Bürgermeister Josef Schmid (CSU), als Wirtschaftsreferent ist er Veranstalter des Marktes, deshalb entschieden, zusätzlich einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren, der die Polizei unterstützt. Personen und Taschen kontrollieren dürfen Private zwar nicht. „Sie tun aber alles, um eine friedliche Weihnachtsstimmung zu gewährleisten“, erläutert Schmid. Er selbst lasse sich die Vorweihnachts-Freude ohnehin nicht vermiesen, betont er. „Ein Ziel der Terroristen ist es ja gerade, Angst und Unsicherheit zu säen.“ Schmid: „Dem müssen wir alle zusammen Gelassenheit und Lebensfreude entgegensetzen.“

So sieht das auch Nürnbergs OB Ulrich Maly (SPD). „Unser Christkindlesmarkt ist für mich ein Stück Heimat“, sagt er. „Angst habe ich keine, ich bewege mich ja eh sehr viel im öffentlichen Raum.“ Und er rät auch allen anderen zur „gelassenen Wachsamkeit“ angesichts des umfassenden Sicherheitskonzepts der Stadt. Dazu gehört neben der Polizeipräsenz eine starke Einschränkung des Lieferverkehrs. Auch die Zufahrten zu verschiedenen Garagen sind nur noch bedingt möglich. Außerdem gibt es seit zwei Jahren einen SMS-Verteiler, mit dem das städtische Marktamt alle 204 Händler frühzeitig alarmieren kann: über Taschendiebe, Unwetterwarnungen oder eben Terrorgefahr.

Regensburg als Terrorziel? „Das ist deutsche Hysterie“

In Augsburg und Ingolstadt fährt man die bewährten Sicherheitskonzepte. „Wir sind relaxed“, sagt Dirk Wurm, Ordnungsreferent der Stadt Augsburg. Zwar habe man die Präsenz des städtischen Ordnungsdienstes verstärkt. Das sei aber in erster Linie dem Kampf gegen organisierte Bettelbanden geschuldet.

Anders in Regensburg: Dort hat sich das städtische Rechtsreferat in Abstimmung mit der Polizei zu einer Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen entschlossen. Kommunaler Ordnungsdienst und Polizei führen mehr Kontrollen durch. Darüber hinaus liegen bei allen Budenbesitzern die wichtigsten Notrufnummern aus, sollten sie etwas Verdächtiges bemerken. Dazu gehören beispielsweise herrenlose Taschen. OB Joachim Wolbergs (SPD) hatte sich lange überlegt, mit welchen Worten er den Christkindlmarkt eröffnen soll, gesteht er. „Doch letztendlich habe ich beschlossen, nicht die Angst, sondern die Vorfreude auf Weihnachten und das fröhliche Zusammensein auf den Weihnachtsmärkten in den Mittelpunkt zu stellen“, erklärt er.

Peter Kittel, Veranstalter des Romantischen Weihnachtsmarkt im Regensburger Schloss Thurn und Taxis, gibt sich dagegen gelassen. Man verfüge angesichts der prominenten Bewohner ohnehin über ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem. Kameras haben fast jeden Winkel des umfriedenen Geländes im Blick, an neuralgischen Punkten wurde nun nachgerüstet. Dass allerdings ausgerechnet Regensburg ein Ziel für terroristische Anschläge sein könnte, bezweifelt Kittel. „Das ist doch typisch deutsche Hysterie.“ (Angelika Kahl)

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