Politik

TikTok-Account der CSU. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

23.09.2021

Söder beim Morgensport

Immer mehr Politiker entdecken TikTok – Experten sehen den Trend kritisch

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger auf einem Schiff, CSU-Chef Markus Söder beim Morgensport auf seinem E-Bike - oder Landtagsvizepräsident Wolfgang Heubisch (FDP) beim Fußball-Jonglieren: Lange haben Politiker sich nicht getraut. Kurz vor der Bundestagswahl allerdings versuchen einige Parteien, über die Unterhaltungs-App TikTok junge Menschen und Erstwähler zu erreichen. Die chinesische Kurzvideo-Plattform zählt mittlerweile zu den am meisten heruntergeladenen Apps der Welt. Vor allem die 13- bis 24-Jährigen sind auf TikTok unterwegs - und die Inhalte werden immer politischer.

Vorne dabei waren in Bayern die Freien Wähler: Sie betreiben bereits seit März 2020 einen TikTok-Account, mit inzwischen knapp 2000 Followern. Seit Frühjahr 2021 ist auch die CSU auf TikTok - sie kommt bereits auf knapp 59 000 Follower. Ihnen verrät Söder, wie sein perfektes Frühstück aussieht und wie er abends nach der Arbeit entspannt. In anderen CSU-Videos werden verschiedene TikTok-Tools genutzt, um über Positionen anderer Parteien herzuziehen - wobei Themen oftmals überspitzt und ironisch dargestellt werden.

Genau das sieht Simon Hegelich kritisch. Er ist Professor für Political Data Science an der Technischen Universität München. "TikTok ist nicht für den politischen Diskurs geeignet. Die Plattform ist dafür gemacht, dass man witzige Tanz-Videos teilt, und dafür funktioniert es auch", sagt Hegelich. Er befürchtet, dass eine Politisierung der App, mit der vereinfachten und verkürzten Darstellung von Inhalten, die Gesellschaft immer weiter auseinandertreibt und polarisiert: "Wir begeben uns hier in eine gefährliche Aufregungsschleife. Das kann nicht Sinn eines politischen Diskurses sein." Politische Inhalte würden von den Parteien so formuliert, dass sie möglichst gut in den sozialen Netzwerken funktionierten - also immer polarisierender und verkürzender.

Ex-Kunst-Minister Heubisch hat 70 000 TikTok-Follower

Die Landesverbände anderer Parteien, etwa von Grünen und SPD, haben noch keinen offiziellen TikTok-Account. Stattdessen sind einige bayerische Politiker über Personenaccounts auf TikTok vertreten. Ein Beispiel hierfür ist der Kanal des 75-jährigen FDP-Politikers Wolfgang Heubisch. Seit November letzten Jahres veröffentlicht er hier Kurzvideos. Heubisch gehe es hierbei weniger um Stimmenfang, sondern "um die Sensibilisierung der Jugend für politische Themen", heißt es aus seinem Büro. Bei den Usern scheint dies gut anzukommen: Heubisch hat bereits mehr als eineinhalb Millionen Likes bekommen, und knapp 70 000 TikTok-User folgen seinem Kanal.

Hegelich hat jedoch auch hier seine Bedenken: "Problematisch wird es, wenn Politiker mit Videos auf TikTok erfolgreich sind und glauben, das käme jetzt besonders gut bei der Bevölkerung an, und dann entsprechende Politik machen." Vielmehr müsse die Politik zunächst einmal verstehen, dass diese Plattformen algorithmisch gesteuert werden. "Das Interesse der algorithmischen Steuerung ist allerdings nicht ein möglichst herrschaftsfreier politischer Diskurs, sondern möglichst viel Geld damit zu machen", sagt Hegelich. Auf TikTok werden nämlich Inhalte gezeigt, auf die Nutzer am ehesten reagieren.

Je schneller man agiert und reagiert, umso mehr erfährt die Plattform über die Präferenzen der User. Da müsse man sich schon fragen: "Möchte man einen zunehmend wichtiger werdenden Infrastrukturbereich der politischen Meinungsbildung in der Hand solcher Unternehmen haben?", kritisiert Hegelich. Stattdessen hofft der Politik- und Computerwissenschaftler auf "clevere Start-ups", die eine Trendwende herbeiführen könnten. Er könne sich beispielsweise eine Art "öffentlich-rechtliche Plattform" vorstellen, die Usern einen freien politischen Diskurs ermöglicht. "Aber das ist leider momentan nicht abzusehen", sagt Hegelich. Eines allerdings sieht er als gesichert an: Dass die Bedeutung von TikTok in zukünftigen Wahlkämpfen auch in Deutschland immer weiter zunehmen wird.
(dpa)

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