Oft ist alles nur eine Frage der Perspektive. Die Bayernpartei (BP) ist seit Jahrzehnten weit entfernt vom Einzug in den Landtag, doch auf eines verweist Landeschef Florian Weber mit Stolz: „Bei der Landtagswahl 2013 waren wir die Größten unter den Kleinen.“ 2,1 Prozent der Stimmen holte die BP damals. Am 14. Oktober soll die Fünf-Prozent-Hürde endlich genommen werden. Weber hofft auf enttäuschte Wähler der CSU und auf national-konservative Bürger, denen die AfD zu weit rechtsaußen stehe. Markenkern der BP mit ihren gut 6000 Mitgliedern ist die „speziell bayerische Komponente“. Die BP will Tendenzen entgegenwirken, Kompetenzen in der Bildungspolitik an den Bund zu übertragen. Zudem plädiert sie für eine eigene bayerische Altersvorsorge oder eine echte bayerische Grenzpolizei, die unabhängig vom Bund agieren dürfe. Fernziel der BP bleibt ein eigenständiges Bayern in einem subsidiär organisierten Europa, außerdem ein Herauslösen des Freistaats aus der Bundesrepublik.
Auch die Linke hofft auf die Überwindung der 5-Prozent-Marke. Derzeit krebst die in Bayern 3300 Mitglieder starke Partei bei Werten um die 3 Prozent herum. Landeschef Ates Gürpinar gibt sich dennoch entspannt: „So viele Sorgen mache ich mir da nicht“, sagt der 33-jährige Medienwissenschaftler, der die Linke als Co-Spitzenkandidat zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schroeter in den Landtagswahlkampf führt. Er verweist darauf, dass sich in Umfragen zuletzt 15 Prozent der Befragten vorstellen könnten, in Bayern die Linke zu wählen, „vor allem junge Leute“. Kernthemen im Wahlkampf sind soziale Sicherheit, Wohnen und Pflege. Zur Pflege hat die Linke ein Volksbegehren initiiert, dessen Ziel 15 000 zusätzliche Pflegestellen in bayerischen Kliniken sind. Gürpinar findet es empörend, dass Deutschland Schlusslicht ist beim Pflegeschlüssel. Auf 13 Kranke komme hierzulande nur ein Pfleger. Um die Bürger anzusprechen setzt die Linke vor allem auf den Straßen- und Haustürwahlkampf, auch prominente Hilfe aus Berlin wird einfliegen: Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi.
Gibt’s denn die Piraten überhaupt noch? Diese Frage kann Benjamin Wildenauer nicht mehr hören. Ihn hat die Piratenpartei Bayern etwas sehr optimistisch als Kandidaten für den Ministerpräsidenten aufgestellt. „Das soll die Botschaft transportieren: Wir wollen nicht mit der CSU koalieren“, erklärt der 33-Jährige, seit 2014 Stadtrat im unterfränkischen Bad Brückenau. Erster Punkt im Wahlprogramm: der Kampf gegen Massenüberwachung und Polizeiaufgabengesetz (PAG). Kernaussage der Piraten aber ist, dass die digitale Revolution alle Lebensbereiche umfasse. Ihre Forderung: Alle müssen davon profitieren. Dazu gehört für sie ein eigenes Ministerium für Daten- und Verbraucherschutz. Darüber, ob es die Piraten – sie sitzen in keinem Landtag mehr – ins Maximilianeum schaffen, macht sich Wildenauer keine Illusion. Zwei Prozent holte die 1200-Mitglieder-Partei bei der letzten Landtagswahl. Das ist auch das Ziel für den 14. Oktober.
Der Name soll Programm sein: Ganz schön mutig, als 400 Mitglieder starke Partei für den Landtag zu kandidieren. Gegründet wurde MUT (das Kürzel steht für mitbestimmen, umsteuern, teilen) von der früheren Grünen-Landtagsabgeordneten Claudia Stamm vor rund eineinhalb Jahren; Stamm sitzt derzeit als fraktionslose Abgeordnete im Landtag. Als Grund für die Parteigründung nannte Stamm damals den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft. Und die in Stamms Augen fehlende Opposition dazu. Selbst die Grünen sind MUT zu sehr auf Kuschelkurs mit der CSU. Als wichtigstes Ziel nennt der zweite Vorsitzende und Soziologieprofessor Stephan Lessenich, die Wirtschaftsweise radikal zu verändern. „Wir leben auf Kosten anderer“, sagt er. Im Wahlkampf setzt MUT neben Infoständen oder Social-Media-Aktivitäten auf Stammtische und Podiumsdiskussionen. Sollte es mit dem Einzug in den Landtag nicht klappen, hofft MUT zumindest auf mehr Geld für die außerparlamentarische Arbeit. Die Parteienfinanzierung greift bereits bei einem Prozent.
Mit rund 4500 Mitgliedern und über 400 kommunalen Mandaten in Bayern gehört die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) zu den Großen unter den kleinen Parteien. Zwei Prozent hat sie in den vergangenen drei Landtagswahlen jeweils geholt, „doch diesmal ist alles möglich“, glaubt die 38-jährige Spitzenkandidatin Agnes Becker. Die Kreisrätin aus Wegscheid bei Passau hofft auf von der CSU genervte Wähler, die in der ÖDP die wertkonservative Alternative zur sprunghaften Söder-Partei sehen. Die will sie mit drei Kernforderungen überzeugen: Konzernspendenfreiheit für Parteien für eine unabhängige Politik. Stopp des Artensterbens – aktuell läuft das Volksbegehren „Rettet die Bienen“. Und das Recht auf eine analoge Kindheit. „Es braucht mehr Lehrer statt mehr Smartphones an Schulen“, sagt Becker.
Was für ein ehrenwertes Parteiprogramm. Die 2014 gegründeten Humanisten haben sich das Hochhalten des Guten, Schönen und Wahren auf die Fahnen geschrieben. Andreas Blaschke, 20 Jahre alt, Mitglied im Landesvorstand Bayern und einstiger FDP-Anhänger, betont, grundsätzlich gehe es den Humanisten darum, „ehrlich, transparent und ideologiefrei“ Politik zu machen. Inhaltlich setzt die Partei, die bundesweit 700, in Bayern 100 Mitglieder zählt, auf konsequenten Umweltschutz, gute Bildungschancen für alle, die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie oder eine strikte Trennung von Kirche und Staat samt Abschaffung der Kirchensteuer. „Eine bessere Welt ist möglich“, schwärmt die Partei in einem Wahlkampfslogan. Blaschke wurde übrigens über den Wahl-O-Mat auf die Humanisten aufmerksam. Ebenso wie Landeschef Mirco Kramer (48) hofft er, dass weitere Wähler über den Wahl-O-Mat erreicht werden können. Daneben setzen die Humanisten auf Social Media – so könne man mit kleinem Budget viele Leute erreichen.
(AKA, JUM, LOH, TA)
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