Politik

Blick auf den Tor-Browser. (Screenshot: BSZ)

15.04.2016

Was Google nicht findet

Verbrechen verschieben sich durch das Darknet immer häufiger von der analogen in die digitale Welt – auch in Bayern

Im März dieses Jahres gab es in Bayern eine bundesweite Premiere: Zum ersten Mal gingen einem Landeskriminalamt zwei Geldfälscher ins Netz, die das Falschgeld aus ihrer Garagenwerkstatt über das so genannte Darknet vertrieben. Die Jugendlichen aus Landshut verkauften die Blüten für rund zehn Prozent des vermeintlichen Geldwerts. Bereits im Februar wurden im Rahmen einer bundesweiten Darknet-Razzia Wohnungen im Freistaat durchsucht, bei der die Polizeibeamten Rauschgift, Sprengstoff und Datenträger sicherstellten. Im Januar flog ein 26-jähriger Student aus Schweinfurt auf, der Dekorationswaffen zu scharfen Maschinenpistolen umgebaut und über das Darknet angeboten hatte. Und bereits im Vorjahr konnte ein Deggendorfer verhaftet werden, der mit seinem Partner Drogen im Wert von über 8,5 Millionen Euro in der digitalen Unterwelt verkauft hat.

Das Darknet ist ein Teil des so genannten Deep Web, dessen Inhalte durch Suchmaschinen nicht gefunden werden können. Wer Zutritt erhalten möchte, benötigt dafür eine spezielle Software wie beispielsweise den Browser „The Onion Router“ (Tor). Der Download ist grundsätzlich nicht verboten, da das Programm nur die Spuren der Nutzer verwischt. Die Daten werden wie bei einer Zwiebel („Onion“) von einer Verschlüsselung nach der anderen umhüllt. Dadurch wird das Surfen allerdings wesentlich langsamer und unkomfortabler. Karen Riley vom Tor-Projekt verglich das Darknet einmal mit dem Internet der 1990er-Jahre. Die Verschlüsselungstechnik nutzen neben Menschenrechtsaktivisten, Whistleblowern, Journalisten und sogar staatlichen Stellen wie Geheimdiensten und Botschaften auch Verbrecher.

„In Verbindung mit Anonymisierungssoftware fühlen sich die Nutzer des Darknet oftmals sicher und vor allem vor einer möglichen Strafverfolgung geschützt“, erklärt eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) der Staatszeitung. Die Foren würden als kriminelle Marktplätze genutzt, vor allem für Drogen. Amerikanische Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 20 Prozent aller Betäubungsmittel mittlerweile so gehandelt werden. Aber auch Waffen, Munition, Sprengstoff, Falschgeld, Organe, Arzneimittel, Kinderpornografie, gestohlene Ausweise, Kreditkarten, Zugangsdaten oder Markenartikel können dort gekauft werden. Laut Europol entstehen dem Handel durch das Darknet jährlich Schäden von 300 Milliarden Euro. Bezahlt werden die Waren mit der ebenfalls nicht verbotenen Kryptowährung Bitcoins, Amazon-Gutscheinkarten oder via Treuhänder.

Die Aufklärungsquote bei Internetkriminalität sinkt

Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2014 rund 247 000 Straftaten mit dem Tatmittel „Internet“ begangen – darunter 38 500 Fälle von Computerkriminalität, also Sabotage, Ausspähen oder Missbrauch von Daten. Wie viele davon im Darknet begangen wurden, ist nicht bekannt. Nach Angaben des BKA ist aber eine zunehmende Verlagerung von Delikaten aus der analogen in die digitale Welt zu beobachten. Obwohl die Angebote überwiegend in englischer Sprache abgewickelt werden, sind bei etwa 20 Marktplätzen Verkäuferangaben wie „Versand aus Deutschland“ feststellbar.

In Bayern gab es im Jahr 2015 rund 24 000 Fälle von Internetkriminalität. Vor allem die Straftaten im Deliktfeld Computerkriminalität haben sich mit 13 500 deutlich erhöht. Bezug zum Darknet hatten davon in den vergangenen drei Jahren laut Polizei 14 Fälle. „Computerbetrug und Cybercrime-as-a-Service spielen bislang noch eine untergeordnete Rolle“, heißt es in einem Bericht des Innenministeriums, welcher der BSZ vorliegt. Bei Letzterem kaufen „normale“ Kriminelle die Dienste von Hackern ein. Auch Webseiten des so genannten Islamischen Staats sind laut bayerischem Verfassungsschutz als Spiegelbild („Mirror“) im Darknet abrufbar. Erkenntnisse über Anschlagsvorbereitungen seien allerdings nicht bekannt.

Für die Ermittlung im Darknet ist das Dezernat 54 „Cybercrime“ des bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) zuständig. In den Ballungsräumen beschäftigten sich außerdem eigene Fachdezernate beziehungsweise Kommissariate mit diesem Phänomen. Bei der Polizei sind 300 Spezialisten und 47 Cybercops im Einsatz. Dadurch kann laut Innenministerium Profi-Straftätern „auf Augenhöhe“ begegnet werden. Ein Blick auf die Statistik kommt allerdings zu einem weniger positiven Schluss.

Die Aufklärungsquote bei der Internetkriminalität ist in den letzten vier Jahren um 11,5 auf 46,8 Prozent, bei der Computerkriminalität in den letzten zehn Jahren sogar um 17,4 auf 34,3 Prozent gesunken. Viele Täter im Darknet konnten nur ermittelt werden, weil der Zoll zufällig die Lieferung kontrolliert, die Post aus Versehen das Paket beschädigt oder der Verkäufer seine Bestellungen säuberlich dokumentiert hat. Um das zu ändern, will Innenminister Joachim Herrmann noch in diesem Jahr 19 weitere Cybercops einstellen. Darüber hinaus beteiligt sich das BLKA an dem Forschungsprojekt „Bitcrime“, das sich der Prävention und Verfolgung organisierter Finanzkriminalität mit virtuellen Währungen widmet. Außerdem könnte künftig die Suchmaschine für das Deep Web „Memex“ helfen, die gerade von US-Behörden entwickelt wird.

Peter Paul Gantzer, sicherheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, glaubt jedoch nicht, dass das ausreicht: „Jeder Internetspezialist wird bestätigen, dass das Darknet sich immer mehr ausbreitet und vor allem von Kriminellen für illegale Geschäfte genutzt wird.“ Er fordert, dass die derzeit auf verschiedene Ämter verteilte Zuständigkeit zur Bekämpfung von Cybercrime in Bayern gebündelt wird. Verena Osgyan, netzpolitische Sprecherin der Grünen, mahnt zur Ruhe: „Die konkrete Gefahr für die bayerische Bevölkerung aufgrund illegaler Aktivitäten im Darknet ist als verhältnismäßig gering anzusehen.“ Sie warnt davor, das Darknet massenhaft und ohne Anfangsverdacht zu überwachen. Allerdings verlangt sie aufgrund der steigenden Computerkriminalität mehr kompetente Cybercops, deren Bezahlung mit der in der Privatwirtschaft vergleichbar ist. „Nur so können wir die besten Köpfe anziehen und halten.“

Experten warnen unerfahrene Nutzer derweil, in der digitalen Unterwelt illegale Dinge zu shoppen – auch wenn zurzeit noch nicht jeder erwischt wird: „Wer glaubt, dass im Darknet Ermittlungsbehörden vollkommen blind und unfähig sind, der hat keine Ahnung“, betont der Fachanwalt Jens Ferner. Und der Informatiker Christian Grothoff von der Technischen Universität München ergänzt: „Die meisten kleinen Serientäter werden spätestens durch Fehler, die sie irgendwann außerhalb des Dark-nets machen, festgenommen.“ (David Lohmann)

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