Politik

Geld her! Bald könnte auch Deutschland die Autofahrer zur Kasse bitten. (Foto: dpa )

08.11.2013

Wegelagerer allerorten

Während die Maut auf deutschen Straßen näher rückt, bereiten Nachbarländer bereits Erweiterungen ihres Autobahnzolls vor

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt tönt schon mal siegesgewiss: „Die Maut wird kommen.“ Alle rechtlichen Voraussetzungen seien geschaffen. Er könnte Recht behalten, darauf deuten jüngste Signale aus Brüssel hin. „Grundsätzlich stellt eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuern für gebietsansässige Nutzer bei gleichzeitiger Erhebung angemessener Nutzungsgebühren für alle Nutzer keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar“, heißt es in einer Antwort von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen.
Genau das war der ursprüngliche Plan von CSU-Chef Horst Seehofer. Und was hatten seine hiesigen Kritiker – von der Opposition über den ADAC bis zu den Wirtschaftsverbänden – ihn dafür gescholten: populistisch, bürokratisch und vor allem: unvereinbar mit EU-Recht. Bayerns SPD-Vorsitzender Florian Pronold („Blödsinn“, „Lüge“, „Volksverdummung“) meint bei Facebook inzwischen kleinlaut: „Die SPD will vermeiden, dass die deutschen Autofahrer noch weiter belastet werden.“ Fast 90 Prozent Zustimmung bei der deutschen Bevölkerung zum Maut-Plan sind für ihn sicher ein Argument.

Wir haben zwar ein Gesetz, aber wir wenden’s nicht an


Einen Vorgeschmack darauf, was Autofahrern in Deutschland womöglich bald blüht, haben die Menschen in Kiefersfelden an der Grenze zu Österreich bereits bekommen – immer dann, wenn es auf der A 93, der Inntal-Autobahn, mal wieder gekracht hat und die Polizei den Verkehr umleiten musste. „Dann quälen sich bis zu 3000 Autos an einem Tag durch unseren Ort“, berichtet Erwin Rinner (CSU), Bürgermeister der 6500 Einwohner zählenden Gemeinde.
Das könnte bald der Regelzustand werden. Denn die staatliche österreichische Autobahngesellschaft Asfinag hat entschieden, zum 1. Dezember dieses Jahres auch auf dem knapp fünf Kilometer langen Abschnitt der Inntal-Autobahn zwischen Kiefersfelden und dem Tiroler Grenzort Kufstein Vignettenkontrollen durchzuführen. „Wer nicht zahlen will, weicht dann auf die deutschen Bundesstraßen durch unseren Ort aus“, bangt Bürgermeister Rinner.
Seit Einführung der Maut in der Alpenrepublik im Jahr 1997 gab es für diese Strecke nämlich eine Ausnahme, die in etwa so lautete: „Wir haben zwar ein Gesetz, aber wir wenden’s nicht an.“ Es wurde einfach nicht kontrolliert. Mit dieser Großzügigkeit wollte man vor allem den deutschen Ski-Touristen entgegenkommen, die keine lange Reise durch Österreich planen, sondern nur einen Urlaubsort gleich hinter der Grenze ansteuern. Bayerns Grenzkommunen blieben wiederum von der Verkehrsbelastung durch geizige Maut-Flüchtlinge verschont.
Inzwischen weht im Nachbarland ein anderer Wind. „In ganz Österreich gilt die Mautpflicht, und wir werden es nicht länger hinnehmen, dass sich auf diesem Abschnitt eine Ausnahme eingeschlichen hat“, teilt Christoph Pollinger, Pressesprecher der Asfinag, mit.
Im Spätsommer hatte das Unternehmen bereits eine andere Ausnahmeregelung im kleinen Grenzverkehr beseitigt: die 24-Stunden-Vignette für den Streckenabschnitt zwischen Lindau und Bregenz. „Wir stellen für unser gesamtes Staatsgebiet nur den gesetzeskonformen Zustand her“, ergänzt Pollinger. Mit den bayerischen Plänen, künftig Ausländer – also vor allem Österreicher – durch eine Maut zur Kasse zu bitten, habe das selbstverständlich rein gar nichts zu tun.

Die Angst vor dem Dauerstau


Die bayerischen Ängste vor Dauerstau in Grenzgemeinden seien obendrein unbegründet, ein präventiver „Maßnahmenkatalog“ in Vorbereitung. „Wir werden die deutschen Autofahrer mit neuen Informationstafeln darauf hinweisen, dass sie durch ein Ausweichen auf die Nebenstraßen viel Zeit verlieren und dass es sich nicht lohnt, die Autobahn zu verlassen“, versichert der Asfinag-Sprecher.
Schon klagen ob des drohenden Straßenverkehrslärms nicht nur die Bayern, auch in der Tiroler Grenzkommune Niederndorf herrscht Panik: „Das wird eine Katastrophe für uns“, verkündet Bürgermeister Christian Ritzer resigniert. Die Tage erhielt er einen Brief der österreichischen Verkehrsministerin Doris Bures: Es tue ihr zwar leid und sie habe auch Verständnis, an den Plänen werde aber nicht mehr gerüttelt.
Sein bayerischer Kollege Rinner setzt dagegen noch Hoffnungen in seine christsozialen Parteifreunde: „Wir haben uns an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gewandt. Sie haben uns jede Unterstützung zugesagt.“
Derweil überlegen immer mehr europäische Länder, eine Maut einzuführen: Belgien, die Niederlande und Luxemburg. De Telegraaf, die auflagenstärkste Tageszeitung der Niederlande, schreibt etwa: „Obwohl auf dem Papier auch der deutsche Autofahrer die Rechnung bezahlt, könnten die Kosten für die eigene Bevölkerung ganz clever wieder zurückgeschraubt werden. Dann hätte man ein Mittel gefunden, um ausländische Autofahrer zur Kasse zu. (André Paul)

Kommentare (1)

  1. Alexander am 11.11.2013
    Es ist an der Zeit, dass wir in Deutschland auch eine Maut für alle Autofahrer (PKW) erheben.
    Weil die deutschen Autobahnen auch von allen EU Bürgern genutzt und verschlissen werden,
    nur beim zahlen blieb der deutsche Autofahrer (KFZ-Steuer) immer der Dumme!
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