Politik

Drei Schweinderl müssen was abgeben, 13 kriegen was - so sieht die neue Relation im Länderfinanzausgleich aus. (Foto: Getty)

25.01.2013

"Wie ein Milliardär, der Sozialhilfe kriegt"

Bei ihrer Klage gegen den Länderfinanzausgleich wollen Bayern und Hessen vor allem den Stadtstaaten ans Portemonnaie

Der Schock kam Mitte Januar. Als das Bundesfinanzministerium jetzt die aktuellen Zahlen zum Länderfinanzausgleich veröffentlichte, standen die Finanzexperten in Bayern und Baden-Württemberg Kopf: Bayern muss für 2012 knapp 4 Milliarden Euro zahlen. Baden-Württemberg soll 52 Prozent mehr überweisen. Und das steuerstärkste Land Hamburg mutiert zum Empfänger.
Eigentlich wurde der Länderfinanzausgleich einst erfunden, um die unterschiedliche Finanzkraft der Länder auszugleichen: also das divergierende Steueraufkommen je Einwohner. Das betrug 2012 in Bayern 1954 Euro, in Baden-Württemberg 1884 Euro, in Berlin 1314 Euro – und in Hamburg sagenhafte 2314 Euro. Damit ist die Hansestadt bundesdeutscher Krösus. Trotzdem soll Hamburg jetzt Mittel aus dem Finanzausgleich bekommen – 21,2 Millionen Euro im Jahr 2012. „Das ist ja so“, wettert ein ministerialer Finanzexperte des Freistaats, „wie wenn ein Milliardär plötzlich Sozialhilfe kriegt.“
Laut vorläufiger Berechnungen des Bundesfinanzministeriums für 2012 befüllen nun nur noch Bayern, Baden-Württemberg und Hessen den 8 Milliarden umfassenden Ausgleichstopf. Neben Bayern überweist Baden-Württemberg knapp 2,7 Milliarden und Hessen etwa 1,3 Milliarden Euro. Am 5. Februar treffen sich Vertreter Bayerns und Hessens, um die gemeinsame Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu beschließen.

Warum sind Einwohner in Hamburg mehr wert?


Die zielt vor allem ab auf die so genannte Einwohnerveredelung, die bewirkt, dass für Bürger in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg ein erhöhter Finanzbedarf von 135 Prozent veranschlagt wird.
Das Prinzip der Einwohnerveredelung sei „nicht legitim“, meint der Mainzer Finanzrechtler Hanno Kube, der die bayerisch-hessische Klage zusammen mit den Professoren Lars Feld (Freiburg) und Christian Seiler (Tübingen) ausarbeitet. Die Annahme, dass für Bürger in Stadtstaaten höhere Kosten anfielen, so Kube, „trifft ja auch auf die Einwohner von Ballungszentren zu“. Und die gebe es überall. Überhaupt fuße die Einwohnerveredelung auf einer veralteten Theorie: dem rund 100 Jahre alten Brecht’schen Gesetz, das davon ausgeht, dass mit steigender Bevölkerungszahl die öffentlichen Pro-Kopf-Ausgaben wachsen. „Das wurde aber nie richtig belegt“, sagt Hanno Kube.
Hinzu komme: Bereits im Fall der letzten Klage gegen den Finanzausgleich, deren Urteil im Jahr 1999 erging, hatten die Verfassungsrichter die Einwohnerveredelung moniert und vom Gesetzgeber verlangt, das Ganze zu überprüfen. „Das ist aber nicht passiert“, sagt Kube. Der Bund habe bis heute keinen Grund genannt, weshalb er an der unterschiedlichen Einwohnergewichtung festhalten wolle. Nochmal könne man sich da nicht dran vorbeimogeln.
In der Folge des Urteils 1999 hatten Bund und Länder den Länderfinanzausgleich nach Maßgabe der Richter neu geregelt. Wobei Bayern nach Meinung der Opposition allerdings nicht genug herausgeholt hat. So lästerte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger erst kürzlich wieder übers angeblich schlechte bayerische Verhandeln, führte genüsslich aus, dass „Stoiber federführend an den Verhandlungen beteiligt“ war und „auch Seehofer im Bundestag zugestimmt“ habe.

Aiwangers Kritik wurmt die CSU gewaltig

Derlei Kritik wurmt die CSU gewaltig: Man habe damals, argumentieren Stoiber-Vertraute, gegen 11 Nehmerländer verhandelt – mit dem Ergebnis, dass Bayern bereits 2005 280 Millionen Euro jährlich weniger abgeben musste – eine Entwicklung, die sich fortsetzte.
Finanzexperten verweisen zudem darauf, dass sich die bundesdeutsche Finanzarithmetik unter anderem durch die ab 2005 geltenden Hartz-IV-Gesetze „total verschoben“ habe. Die Hartz-IV-Gesetze hätten, etwa wegen der Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten, zu einer finanziellen Entlastung der Länder, vor allem der Stadtstaaten, geführt. Auch deshalb sei deren Behauptung, sie trügen überproportionale Lasten, falsch. Berechnungen der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 ergeben, dass beispielsweise Hamburg durch die Hartz-IV-Neuregelung im Jahr 2005 über 113 Millionen Euro einsparte.
Mit schnellen Ergebnissen nach der Klageeinreichung rechnet in Bayern und Hessen keiner. Beim letzten Mal ließen sich die Karlsruher Richter zwei Jahre Zeit mit einem Urteil, danach dauerte es weitere drei Jahre, bis sich Bund und Länder auf eine Neuregelung verständigt hatten. Weil der geltende Finanzausgleich bis 2019 läuft, führt die Klage also kaum zu einer vorgezogenen Reform. Die Hoffnungen der Kläger ruhen vielmehr darauf, dass Karlsruhe die anstehenden Verhandlungen in eine für sie vorteilhafte Richtung lenkt. Angenehmer Nebeneffekt für Schwarz-Gelb im Wahljahr: Die Klage sorgt für Stimmung am Stammtisch: „Wir sparen, Verschwender wie Berlin geben unser Geld aus, das muss aufhören“ – der Logik könnten auch Nicht-CSU-Wähler etwas abgewinnen.
Ob Karlsruhe sich davon beeindrucken lässt, ist fraglich. Die Ausgabedisziplin der Länder spielt nämlich keine Rolle im Finanzausgleichssystem. Dass dessen Grundpfeiler auf Geheiß der Richter völlig neu gesetzt werden, glauben nicht mal hartgesottene Kritiker. (Waltraud Taschner)

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