Politik

In Bayern würden alle Straftaten verfolgt, egal ob rechts oder links, sagt Schall. Das sei nicht in jedem Bundesland so. (Foto: dpa/David Ebener)

19.07.2019

"Wir können nicht alle Rechtsextremen überwachen"

Peter Schall, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Bayern, über Angriffe auf Polizisten, rechte Beamte und die Gefahr durch Extremisten

Viel zu lange hat man sich bei der Polizeiarbeit auf die islamistische Szene konzentriert, sagt Bayerns GdP-Chef Peter Schall. Er fordert im BSZ-Interview, Personal umzuschichten, um verstärkt das rechte Spektrum überwachen zu können. Aber auch bei der Polizei seien manche Kollegen geneigt, „Rattenfängern“ hinterherzulaufen.

BSZ: Herr Schall, sind Sie schon körperlich angegriffen worden?
Peter Schall Ja, früher im aktiven Dienst. Wobei das damals nicht so dramatisch war wie heute. Das waren typische Widerstandshandlungen, wenn sich Menschen gegen ihre Festnahme gewehrt haben. Das kann ich zumindest noch nachvollziehen.

BSZ: Letztes Jahr wurden so viele Polizisten in Bayern beleidigt oder verletzt wie noch nie. Was hat sich geändert?
Schall: Die Menschen haben keinen Respekt mehr. Das wird anscheinend in der Erziehung nicht mehr vermittelt. Wenn ihnen dann ein Polizist ihre Grenzen aufzeigt, ertragen das viele nicht. Oftmals erfolgen die Angriffe aus nichtigen Gründen, beispielsweise wenn Beamte wegen einer Ruhestörung kommen. 70 Prozent der Täter sind männlich und stehen unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen.

BSZ: Können Sie ausschließen, dass nicht auch die Polizisten aggressiver geworden sind?
Schall: Aggressiver würde ich nicht sagen. Aber aufgrund des Zeitmangels schreiten sie in Einzelfällen vielleicht schneller zur Tat. Oft ist nicht die Geduld da, weil der Polizist noch drei andere Einsätze an der Backe hat. Kein Beamter will jemanden mit Gewalt auf die Wache schleifen, aber manchmal bleibt ihnen nichts anderes übrig. Aber auch Polizisten sind nur Menschen, aufgrund der Einsatzbelastung gestresst und vielleicht im Einzelfall auch mal nicht so freundlich.

BSZ: Innenminister Herrmann (CSU) hat mehr Personal versprochen. Wird es dadurch besser?
Schall: Jein. Man muss klar sagen, die Staatsregierung hat die Personalmängel erkannt und das Ruder herumgerissen: Es werden stets mehr Leute eingestellt, als in Ruhestand gehen. Letztes Jahr haben wir den Peak der Ruhestandsabgänge überschritten. Aber man darf nicht vergessen, dass auch die Aufgaben mehr wurden, Stichwort Internet. Hinzu kommen die erhöhten Anforderungen bei der Spurensicherung an Tatorten durch DNA. Auch der Fortbildungsaufwand durch die sich ändernden EDV-Systeme sowie die neue Ausrüstung ist enorm.

BSZ: Die Polizei im Freistaat hat zwei Polizisten wegen ihrer Nähe zur „Reichsbürger“-Bewegung gefeuert, andere haben antisemitische Chatgruppen gegründet. Was ist da los?
Schall: Man muss ganz klar sagen, die Polizei ist ein Spiegel der Bevölkerung. Gerade nach Einsätzen in Flüchtlingsheimen und nach von der Justiz eingestellten Strafverfahren zweifeln manche, ob der Rechtsstaat funktioniert. Hier braucht es ein konsequenteres Handeln der Justiz, sonst sind manche geneigt, Rattenfängern hinterherzulaufen.

BSZ: Wie wäre es mit verpflichtenden Demokratie-Kursen für Polizisten?

Schall: Man muss gerechterweise sagen, dass in der Fort- und Weiterbildung viel Wert auf Staatsbürgerkunde und politisches Zeitgeschehen gelegt wird. Für Kollegen, bei denen das schon länger her ist, wäre so ein verpflichtender Kurs sicher gut. Aber viele machen bereits Fortbildungen, und wir können auch nicht alle auf die Schulbank setzen.

BSZ: Wird denn in den Dienststellen genug getan, rechtsextreme Beamte zu erkennen und zu entfernen?
Schall: Ein Polizist ist zur Neutralität verpflichtet. Wenn ein Beamter im Dienst für den rechten Einsatz Werbung macht, muss der Dienstherr dagegen vorgehen. Es ist beunruhigend, dass es in Gewerkschaften mehr AfD-Sympathisanten als im Bevölkerungsdurchschnitt gibt. Wir als GdP haben daher einen Unvereinbarkeitsbeschluss: Wer bei der AfD aktiv ist, kann nicht gleichzeitig bei uns aktiv sein.

BSZ: Unternimmt die Staatsregierung genug im Kampf gegen rechts?
Schall: Ich denke schon. In Bayern werden alle Straftaten verfolgt, egal ob rechts oder links. Das ist in anderen Bundesländern anders. Was aber ein Problem ist: Wir können nicht wie von Bundesinnenminister Horst Seehofer angekündigt alle 12 700 gewaltbereiten Rechtsextremen in Deutschland überwachen. Bisher hat man viel Kapazitäten in die Überwachung der islamistischen Szene gesteckt, da wird man jetzt wohl umschaufeln und mehr ins rechte Spektrum schauen müssen.

BSZ: Wie ergeht es Polizeibeamten mit Migrationshintergrund?
Schall: Das hängt von der Nationalität ab. Ich habe mich mal mit einem türkischen Kollegen unterhalten, der in Deutschland aufgewachsen ist. Seine Landsleute waren in der Masse stolz auf einen der ihren, der es geschafft hat, bei der Polizei zu arbeiten. Bei einem russlanddeutschen Kollegen hingegen sehen die Landsleute ihn als Verräter. Vielleicht kommt dieses Denken noch aus der Sowjetzeit. Bei Einsätzen ist es aber natürlich förderlich, wenn der Kollege nicht nur Deutsch, sondern auch die Heimatsprache des Delinquenten spricht.

BSZ: Viele Beamte klagen, die neuen Uniformen seien billig verarbeitet. Das Innenministerium spricht nur von Einzelfällen. Ihr Fazit?

Schall: Die weißen Hemden und Jacken werden als sehr gut bewertet, die blauen nicht. Da sind teilweise Knöpfe gesplittert. Die Mängel muss man in den Griff bekommen. Ich bin daher froh, dass die SPD im Landtag Innenminister Herrmann zu einem Sachstandsbericht aufgefordert hat.

BSZ: Nächstes Jahr finden Spiele der Fußball-EM auch in München statt. Fühlen Sie sich gut vorbereitet?
Schall: Das hängt von den Spielpaarungen ab (lacht). Wenn Uruguay gegen die Ukraine spielt, werden wir wenig Probleme haben. Wenn das Spiel aber Italien gegen Türkei lautet, wird’s in München ganz schön zugehen. Die ersten Planungen laufen schon, das Münchner Polizeipräsidium hat bereits Urlaubssperren für diese Zeit verhängt. (Interview: David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Markus am 21.07.2019
    Wir sind nicht der Auffassung, dass Personen mit dem Beschäftigungsstatus Berufsbeamte vergleichbar sind mit einem "Spiegelbild der Gesellschaft".
    Beamter/Beamtin auf Lebenszeit kann nur werden und bleiben, wenn er/sie jederzeit und uneingeschränkt für die Freiheitlich-Demokratische-Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland eintritt. Bei Zweifel müssten sich die jeweiligen Beamten zuerst umgehend an ihre zuständigen Disziplinarvorgesetzten wenden.
    Vorgeschlagene verpflichtende "Demokratie-Kurse" für Polizeibeamte würden möglicherweise darauf hinweisen, dass die Grundprinzipien des Berufsbeamtentums nicht mehr eingehalten werden.
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