Politik

Manfred Weber heute im europäischen Parlament in Strasbourg. (Foto: Alexey Vitvitsky/Sputnik/dpa)

03.07.2019

CSU-Schmerzen nach der Weber-Pleite

Kurz vor der Europawahl war Markus Söder ins Schwärmen geraten. Ein Bayer könne diesmal "Chef von Europa" werden, warb er. Doch der Traum ist nun ausgeträumt - und die CSU muss die Scherben zusammenfegen

Winfried Roßbauer macht aus seiner Wut und Enttäuschung keinen Hehl. "Wir kommen uns auf jeden Fall verschaukelt vor. Die Demokratie wurde mit Füßen getreten", klagt der CSU-Ortvorsitzende und stellvertretende Bürgermeister von Manfred Webers Heimatort Wildenberg (Landkreis Kelheim). In der CSU ist der Zorn groß, dass der eigene Parteivize und EVP-Spitzenkandidat im Postengeschacher auf dem EU-Gipfel unter die Räder gekommen ist und stattdessen nun - völlig überraschend - Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) EU-Kommissionspräsidentin werden soll.

"Der klassische Sieg des Hinterzimmers über die Demokratie", schimpft Parteichef Markus Söder und betont: "Manfred Weber wäre der legitime Kommissionspräsident gewesen." Söder spricht von einer Niederlage für die Demokratie und für Europa, weil am Ende keiner der beiden Spitzenkandidaten - Weber oder Frans Timmermans - das Amt bekommt.

Dennoch muss Söder die Entscheidung mittragen, wohl oder übel. "Aus Vernunftgründen", sagt er. "Natürlich ist es für Deutschland gut, dass wir erstmals seit Jahrzehnten wieder den Kommissionspräsidenten stellen können. Aus Verantwortung für das Land und Europa akzeptieren wir die Entscheidungen. Aber jubeln können wir heute nicht." Im Gegenteil: "Wir haben als CSU echt Schmerzen mit dem Ergebnis."

Die Kritik der CSU-Basis, aber auch von Abgeordneten, entlädt sich in Mails an die Parteizentrale, auf Facebook und Twitter. "Jetzt langt es!!", schreibt der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel auf Facebook, schimpft über "Verteidigungs-Uschi" und klagt: "So werden deutsche Interessen verraten und verkauft. Ich bin schockiert, fassungslos und traurig." Fraktionsvize Winfried Bausback schreibt, ebenfalls auf Facebook: "Ich bin enttäuscht, zumal mich der jetzt gemachte Vorschlag nicht überzeugt." Der parlamentarische Geschäftsführer Tobias Reiß twittert nur den einen Satz: "Merkel hat uns verraten."

Die CSU-Spitze schiebt die Schuld an dem Schlamassel Macron zu

Söder und die engste Parteispitze haben alle Hände voll zu tun, den Laden zusammenzuhalten. Noch am Dienstagabend schaltet sich das Präsidium zusammen, stimmt den Kurs ab. Generalsekretär Markus Blume schickt eilends eine Mail an alle Mitglieder. "Auch in der Stunde der Enttäuschung gilt es, das Gesamtinteresse über die eigenen Emotionen zu stellen: Wir sind es unseren Unterstützern schuldig, Verantwortung zu zeigen und Europa nicht wie andere ins Chaos zu stürzen", heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Deshalb unterstütze man die Nominierung Ursula von der Leyens. "Das liegt im europäischen, aber auch in unserem nationalen Interesse." Und weiter: "Aus Verantwortung für das Land und Europa akzeptieren wir diese Entscheidung, auch wenn wir uns Manfred Weber gewünscht hätten."

Auffällig ist: Die CSU-Spitze schiebt die Schuld an dem Schlamassel dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zu. Unterhalb der Parteiführung erheben viele CSU-ler Vorwürfe gegen Kanzlerin Angela Merkel. Söder sagt dazu aber: "Mein Eindruck ist, dass die Bundeskanzlerin sich da schon Mühe gegeben hat." Der Parteichef attackiert stattdessen die SPD, weil diese am Ende die Nominierung von der Leyens nicht mittrug - als klar war, dass Weber und Timmermans keine Chance mehr hatten.

Söder, unter dem die CSU vor der Europawahl diesmal einen klar proeuropäischen Kurs fuhr, wird in den kommenden Wochen viel Ärger und Zorn schlichten und beruhigen müssen. Von diesem Kurs will er aber nicht abweichen - trotz der Demütigung Webers. "Wir stehen auch jetzt zusammen und blicken nach vorne", heißt es in der Mail Blumes an die Partei. "Denn unsere Mission, Europa zu demokratisieren und den Bürgern zurückzugeben, ist ganz offenkundig noch nicht zu Ende."

Und was Manfred Weber angeht, da ist sich der Wildenberger CSU-Vorsitzende Roßbauer sicher: "Er ist Manns genug und wird seinen Weg gehen." Als EVP-Fraktionschef habe Weber auch viel zu sagen. Und in der Politik müsse man mit Rückschlägen rechnen, sagt er. "In Bayern gilt: Man wird umgehauen, steht wieder auf und macht weiter."
(Christoph Trost und Marco Krefting, dpa)

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