Politik

In Bayern an Restaurantischen längst überflüssig geworden: das Nichtraucher-Schild. Die Gastronomie ist weitgehend rauchfrei. (Foto: dpa)

28.12.2017

Zehn Jahre Rauchverbot

Vor zehn Jahren trat in Bayern erstmals ein weitreichendes Rauchverbot in Kraft. Kneipenwirte und Gäste protestierten erbittert, jahrelang wurde weiter gerungen. Inzwischen hat man sich arrangiert

Stühle und Tische im Schnee. Heizpilze. Dicke Decken. Kneipengäste nutzen das Outdoor-Angebot gerade jetzt gerne. Es geht aber nicht um frische Luft trotz winterlicher Kälte - sondern um blauen Dunst. Wer rauchen will, muss vor die Tür. Vor zehn Jahren, am 1. Januar 2008, trat mit dem Gesetz zum Schutz der Gesundheit, das damals strengste Rauchverbot in Deutschland in Kraft. Es war der erste Schritt zum jetzt gültigen Verbot.

Nichtraucher und Mediziner jubelten, Raucher protestierten, Wirte liefen Sturm. "Es war das emotionalste Thema, das ich in der Verbandsgeschichte erlebt habe", erinnert sich der Kommunikations-Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA, Frank-Ulrich John.

Das strikte Rauchverbot spaltete den Freistaat, sogar Hoteliers und Gastronomen im DEHOGA Bayern waren uneins. Der Verband klärte deshalb nur über Vor- und Nachteile auf. Manch kleine Kneipe, die nur Schankbetrieb hatte, musste laut John dicht machen. Andererseits sei kaum messbar, wie viele Gäste zusätzlich in Restaurants kamen oder Hotels in Bayern buchten, gerade weil dort nicht mehr geraucht wurde.

"Rauchen bleibt das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko"

Untersuchungen zeigen, dass sich etwa Angestellte in der Gastronomie nach einem Rauchverbot rasch besser fühlten und weniger unter Husten litten. Internationalen Studien zufolge gingen Herz-Kreislauf- und Asthma-Erkrankungen sowie Frühgeburten zurück. "Es liegt nahe, dass die in zahlreichen internationalen Studien beobachteten Effekte auch in Bayern eintreten", sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). "Rauchen bleibt das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko. Zwischen 20 und 40 Prozent aller Krebsarten werden durch Rauchen verursacht."

Dennoch schien die Angst vor der neuen rauchfreien Luft bei manchen größer als die Sorge um die Gesundheit. Nicht nur Umsatzeinbrüche wurden befürchtet, sondern auch scheußliche, bisher vom Rauch überdeckte Gerüche. Für die Wiesn wurde kurz gar der Einsatz von Bakterien diskutiert, um die Zelte vom Mief der Feierei zu befreien.

Nach dem 1. Januar 2008 nutzten Wirte erst einmal eine Lücke: Sie gründeten Vereine und erklärten den Kneipenbesuch zur geschlossenen Veranstaltung eines Raucherclubs. Einige zogen vor Gericht und pochten auf ihre Gewerbefreiheit. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Gesetz zwar für verfassungskonform.

Die CSU bekam bei den Kommunalwahlen 2008 eine saftige Rechnung

Doch die CSU als Regierungspartei und damit verantwortlich für das Rauchverbot bekam eine saftige Rechnung: Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2008 fuhr sie Verluste ein. Die Landtags-CSU beschloss daraufhin eine Lockerung des Rauchverbots und nahm Bier- und Festzelte für ein Jahr aus. Offizieller Grund: Sicherheitsprobleme beim Oktoberfest. Dort drohten Chaos und Tumulte an den Zelteingängen, wenn Raucher herausdrängten und Gäste hinein, hieß es.

Doch die Ausnahmeregelung beruhigte die Volksseele nicht. Bei der Landtagswahl - just während der Wiesn - verlor die CSU, seit 1970 alleine an der Macht, ihre absolute Mehrheit. Der neue Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kündigte eine weitere Lockerung des Rauchverbots an. Kneipen durften nun - wie ursprünglich einmal diskutiert - in abgetrennten Nebenräumen rauchen lassen, in reinen Schankkneipen mit geringer Größe wurde wieder gequalmt.

Nun starteten die Nichtraucher durch. Der damalige ÖDP-Politiker Sebastian Frankenberger initiierte ein Volksbegehren; am 4. Juli 2010 entschieden sich die Bayern für ein striktes Rauchverbot ohne Ausnahmen. "Dieses Gesetz hat bundesweit Maßstäbe gesetzt", lobt Huml.

Initiator Frankenberger bekommt bis heute Morddrohungen

Wirte nahmen Frankenberger das Ergebnis allerdings persönlich übel. Er erhielt Hausverbote und Drohungen. Bis heute bekomme er Morddrohungen, sagte er kürzlich dem BR. Im Freistaat werde er immer noch auf der Straße beschimpft. Er lebe in Österreich und sei froh, dass ihn dort niemand kenne. Dabei ist es im Nachbarland mit dem Nichtraucherschutz schlechter bestellt: Das geplante absolute Rauchverbot soll kippen und dafür weiter die Übergangsregel gelten, die Rauchen in abgetrennten Bereichen und kleinen Kneipen erlaubt.

Der befürchtete große Qualmtourismus von Rauchern nach Österreich blieb aus. "In der Tat war es so, dass vor allem Feiern im grenznahem Raum abgewandert sind", sagt John. Niemand setzte sich aber eine Stunde Auto, um in Österreich in eine Kneipe zu gehen.

Im Freistaat funktioniert das Rauchverbot inzwischen überall - auch auf der Wiesn, wo die Wirte ihre Zelte unter erheblichem Aufwand mit zusätzlichen Balkonen und Außenflächen umrüsteten. "Es hat sich eingespielt", sagt Peter Inselkammer, neuer Sprecher der Wiesnwirte.

Kommen bald noch striktere Regelungen?

Habe früher noch mancher heimlich unter dem Tisch geraucht, so fänden sich kaum noch Zigarettenkippen als Beweis für Verstöße, sagt Inselkammer. Allerdings: "Oft sind ganze Tische, an denen mehrere Raucher sind, verwaist. Es ist durchaus auffällig an manchen Tischen mit vielen Rauchern, dass dort weniger getrunken wird." Inselkammer wünscht sich grundsätzlich mehr Liberalität, vor allem für kleine Kneipen. "Die haben halt ein Raucherpublikum."

Dabei gibt es bereits Überlegungen für noch striktere Regelungen. Aus bayerischer Sicht wäre es zu begrüßen, wenn zumindest in Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen in Autos nicht mehr geraucht werden dürfte, heißt es beim Gesundheitsministerium. Die Einführung eines solchen Rauchverbots liege jedoch im Kompetenzbereich des Bundes.
(Sabine Dobel, dpa)

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