Politik

Diese drei wollen das Münchner Rathaus erobern: Josef Schmid, Sabine Nallinger und Dieter Reiter (von links). (Foto: SZPhoto)

10.01.2014

Zeitenwende in den Kommunen

Im März 2014 stehen in Bayern Gemeinderäte, Bürgermeister, Land- und Kreisräte zur Wahl - die Zeit der Erbhöfe scheint vorbei

Kein Zweifel: In München wird es diesmal besonders spannend. Bleibt der Posten des Oberbürgermeisters nach dem Rückzug von Christian Ude in SPD-Hand? Udes Wunschkandidat Dieter Reiter hofft darauf. Oder rückt mit Josef Schmid, derzeit Fraktionschef der CSU im Stadtrat, nach 30 Jahren SPD-Herrschaft wieder mal ein Schwarzer an die Spitze der Bayern-Metropole? Und dann ist da mit Sabine Nallinger ja auch noch eine grüne Kandidatin.
Klar ist: Sollte die Landeshauptstadt, seit Kriegsende fast ausnahmslos in SPD-Hand, ab 16. März tatsächlich von der CSU regiert werden, wäre es die Mega-Blamage für die weiß-blauen Sozialdemokraten. Nur zweimal seit 1945 saß in München ein CSU-ler auf den OB-Sessel: Karl Scharnagl – er amtierte von 1945 bis 1948 – und Erich Kiesel, der von 1978 bis 1984 OB war. In den Umfragen lagen SPD-Mann Reiter und CSU-Kandidat Schmid zuletzt nah beieinander – im Juli 2013 rangierte Schmid zwei Prozentpunkte vor Reiter.
Spannend wird der Urnengang aber auch in den meisten anderen bayerischen Großstädten. Ein Generationswechsel steht an, politische Hochburgen bröckeln. In Regensburg etwa darf der dann 65-jährige Hans Schaidinger (CSU) aus Altersgründen nicht mehr kandidieren. Ob seine Partei den Sessel im Rathaus verteidigen kann, ist zweifelhaft. Immerhin erinnerte der schwarze Ortsverband in den letzten Jahren intrigentechnisch stark an den Denver-Clan.

Regensburg: Verhältnisse
wie beim Denver-Clan

Sein Würzburger Ex-Kollege Georg Rosenthal (SPD), mit 67 Lenzen ebenfalls zu alt für einen OB-Posten, verabschiedete sich bereits im Oktober als Abgeordneter in den Landtag. Ingolstadts Rathauschef Alfred Lehmann (CSU), mit 63 Jahren eigentlich noch knapp unter der vorgeschriebenen Pensionsgrenze, gibt indes dem Rückzug ins Privatleben trotzdem den Vorzug. Gut möglich, dass Lehmann einfach von den ständigen Anfeindungen des Ingolstädters Horst Seehofer genervt war. In Augsburg will Kurt Gribl (CSU) nach sechs Jahren wieder antreten. Angesichts einer insgesamt eher durchwachsenen Bilanz mit mehreren Referentenrücktritten und öffentlichen Streitereien der Stadtratsmehrheit kann sich aber die Opposition ganz gute Chancen ausrechnen. Lediglich in Nürnberg ist eine spannungsarme Abstimmung zu erwarten. OB Ulrich Maly (SPD), seit Sommer 2013 Präsident des Deutschen Städtetags, genießt auch nach zwölf Jahren im Amt noch immer Volkstribunstatus in der Frankenmetropole.

Bei den Landräten wird's weniger spektakulär


Bei den Landräten sind weniger spektakuläre Entscheidungen zu erwarten. Rund ein Viertel der 71 Kreischefs muss sich ohnehin nicht zur Wahl stellen, sie amtieren antizyklisch. Interessant wird das Schicksal des Miesbacher Amtsinhabers Jakob Kreidl (CSU). Der Präsident des Bayerischen Landkreistags war wegen des Plagiats seiner Doktorarbeit in die Kritik geraten. Obendrein hat er mit Norbert Kerkel (Freie Wähler), dem Sohn seines gleichnamigen Vorgängers, einen aussichtsreichen Herausforderer.
Wirtschaftlich geht es den bayerischen Kommunen insgesamt so gut wie lange nicht. Selbst im Schlusslicht, dem Arbeitsamtsbezirk Bayreuth-Hof, liegt die Arbeitslosenquote inzwischen bei nur noch 4,6 Prozent. Der kommunale Finanzausgleich für 2014 umfasst erstmals mehr als acht Milliarden Euro, gegenüber dem Vorjahr legte Finanzminister Markus Söder nochmals 215 Millionen Euro drauf.
Für den Bayerischen Gemeindetag ist das drängendste Problem in der nächsten Legislaturperiode der Ausbau des schnellen Internets. Vor allem bei den langwierigen Genehmigungsverfahren sieht Verbandspräsident Uwe Brandl massiven Handlungsbedarf. Die Landkreise und kreisfreien Städte haben dagegen ein Interesse, dass endlich ein Bundesleistungsgesetz verabschiedet wird und sie auf den dramatisch steigenden Kosten für Alte, Kranke und Behinderte nicht allein sitzen bleiben.
Die von der CSU derzeit angeprangerte Armutszuwanderung aus Osteuropa mag dagegen kaum ein Kommunalpolitiker zum Thema machen. Die Sozialdemokraten ohnehin nicht, CSU und Freie Wähler wiederum wollen vom politischen Gegner nicht in die rechte Ecke gestellt werden. Einer der wenigen, der offen vor Missbrauch von Sozialleistungen warnt, ist Ivo Holzinger (SPD), OB von Memmingen. Aber der dienstälteste Rathauschef Bayerns regiert ja auch noch bis 2016 und darf danach ohnehin nicht mehr antreten.
Apropos Altersbegrenzung: Den zum Teil heftig geführten, parteiübergreifenden Kampf für eine Aufhebung der Zwangspensionierung haben die Kommunalpolitiker nach ihrer juristischen Niederlage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof inzwischen aufgegeben, von gelegentlichen Polemisierungen mal abgesehen.
Man würde sich die gleiche Empörung und ebensolches Engagement auch mal angesichts der seit Jahren sinkenden Wahlbeteiligung wünschen. Zur letzten Kommunalwahl 2008 waren es nur noch 59 Prozent – im Jahr 2002 immerhin noch 63 Prozent. Doch auf eine zündende Idee dafür, wie man die Menschen stärker für Kommunalpolitik interessiert und an die Wahlurne bringt, wartet man bislang vergeblich. (André Paul)

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