Unser Bayern

Else und Kurt Eisner sowie Hans Unterleitner 1919 in der Münchner Prannerstraße auf dem Weg zum Landtag. (Foto: Bayerische Staatsbibliothek)

11.01.2019

Blutgericht über eine Revolution

Schon vor der Ermordung Kurt Eisners mehrten sich die Vorzeichen für eine blutige Niederschlagung der Revolution

Wählerei und Parlamentarismus sind Volksbetrug. Den Räten gehört die Macht. Als die KPD das Motto für die Mobilisierung der Münchner Arbeitslosen ausgab, näherte sich der erste heiße Wahlkampf der bayerischen Geschichte seinem Höhepunkt. Immerhin rund 4000 Erwerbslose versammelten sich an diesem siebten Januar 1919 auf dem weiten Areal der Theresienwiese. Erst vor zwei Monaten hatten Kurt Eisner und seine Anhänger von hier aus den Sturz der Wittelsbachermonarchie eingeleitet. Und doch herrschte dieses Mal eine ganz andere Stimmung – aufgeladener, gereizter, vor allem aber aggressiver. Beim anschließenden Demonstrationszug zum Ministerium für Soziale Fürsorge eskalierten die Spannungen. Kaum erschien Minister Unterleitner am Balkon, stürmte die aufgebrachte Menge das Gebäude. Die Republikanische Schutztruppe griff ein. Es fielen Schüsse. Drei Demonstranten brachen tot zusammen, weitere sechs wurden teilweise schwer verletzt.

Drei Tage später folgten weitere Zusammenstöße. Wieder fielen Schüsse und töten sechs Personen. Hinzu kamen 16 Verletzte, die meisten von ihnen Demonstranten. Obwohl die Münchner Januarunruhen nicht annähernd so breite Blutspuren hinterließen wie der zeitgleiche Berliner Januaraufstand, zeichnete sich ein Wendepunkt der bayerischen Revolution ab. Erstmals gab es Tote und Verletzte in größerer Zahl, ja fast schien es so, als ob Ministerpräsident Eisner seine politische Unschuld verloren habe.

Eisner-Feind: Erhard Auer

Schon seit Wochen hatte der Ministerpräsident harte politische Rückzugsgefechte auszufechten. Als Eisner-Feind profilierte sich vor allem Innenminister Erhard Auer von der Mehrheitsozialdemokratie (MSPD). Am fünften Dezember 1918 hatte sich Auer innerhalb des Kabinettes durchgesetzt und den Termin für die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung auf den zwölften Januar 1919 festgelegt. Im Lauf des Dezembers schloss sich dann die Mehrheit der bayerischen Rätegremien dieser Linie an. Lediglich eine radikale Minderheit pochte weiterhin auf ihrer Rolle als Revolutionswächter.

Neben der Radikalisierung von links sowie dem wachsenden Druck Auers setze Eisner der immer heftigere publizistische Gegenwind von rechts zu. Unmittelbar vor den Landtagswahlen nahm dieser sogar Sturmstärke an, doch am auffälligsten war die ausgeprägte antisemitische Tendenz. Ganz vorne standen die Attacken auf den Bohemien, Bolschewisten, Nicht-Bayern und Juden Eisner. Selbst Innenminister Auer rutschten sie wiederholt aus dem Mund, doch am heftigsten bediente sie die Presse der katholisch-konservativen Bayerischen Volkspartei (BVP).

Über alledem schwebte das Schreckensgespenst des Bolschewismus, des Chaos und des Bürgerkrieges. Bayern, der Bolschewik geht um! Hinaus mit ihm am Wahltag, verkündete ein bekanntes BVP-Plakat. Nicht weniger eindeutig fiel die dazugehörige Bildbotschaft aus: Dafür sorgte schon die Farbkarikatur mit dem Bolschewisten im knallroten Kosakenkostüm samt pechschwarzer Tatarenmütze. Das furchteinflößende Gesicht mit den auffällig asiatischen Zügen sollte die Angstbotschaft noch untermauern: Während der Bolschewik Berlin bereits fest im Griff hat, schwenkt er die Fackel der Revolution bedrohlich in Richtung München, umgeben von einem Meer in den Rautenfarben weiß und blau, den Farben der BVP.

Mit den eher ruhigen Formen politischer Auseinandersetzung der Vorkriegszeit hatte dieser Wahlkampf jedenfalls nicht mehr viel zu tun. Umso mehr stach die neue Medialität und Aggressivität der Methoden hervor. BVP, Liberale und MSPD überboten sich förmlich mit Attacken auf Eisner. Sämtliche Gegenwartsprobleme wurden auf ihn projiziert, angefangen von der anhaltende Teuerung, dem Hungern und Frieren in hunderten von schlecht beheizten Wohnungen bis zum rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Eher hilflos mutete dagegen die Selbstdarstellung der USPD an. Von einer Partei der Revolution, die den Krieg beendet hatte, war da die Rede, obwohl die Mehrheit von der Revolution mittlerweile nichts mehr wissen wollte. So ging Eisners USPD am Wahltag mit nur 2,5 Prozent als die große Verliererin hervor. Auch die BVP konnte mit 35,5 Prozent nicht mehr an die absoluten Mehrheiten des bayerischen Zentrums vor 1914 anknüpfen. Dafür erreichte die MSPD mit 33,5 Prozent das beste Resultat ihrer Geschichte.

Seit der Zäsur der Januarwahlen verschanzten sich die Ultralinken immer mehr in ihrer Bastion München. Allen voran die Kommunisten verstärkten ihre Aktivitäten mit dem Ziel, aus München ein zweites Petersburg zu machen. Zugleich intensivierte die extreme Rechte die Vorbereitungen zum Sturz des Revolutionsregimes. Besonders hervor tat sich die ebenso finanzkräftige wie einflussreiche Thule-Gesellschaft mit ihrem Hauptsitz im illustren Hotel Vierjahreszeiten. Kein Wunder, dass die radikal-völkischen Thuleaner auch Pate standen, als am fünften Januar 1919 die Geburtsstunde der Deutschen Arbeiterpartei“ schlug. Gut ein Jahr später sollte daraus die NSDAP hervorgehen.

Mittlerweile waren die Gegensätze zwischen USPD und MSPD, zwischen Eisner und Auer immer unversöhnlicher geworden. Der maßgebliche Grund: Eisner dachte nicht daran, aus dem Wahldebakel vom 12. Januar Konsequenzen zu ziehen und zurückzutreten. Schließlich schuf Auer neue Fakten. Anfang Februar, während Eisner auf dem Berner Friedenskongress der Sozialistischen Internationale weilte, setzte er den Zusammentritt des neuen Landtags auf den 21. Februar fest. Nur Eisner wollte sich mit diesen Tatsachen nicht abfinden, zunächst jedenfalls nicht. Schließlich überlegte er es sich anders und entwarf am 20. Februar seine Rücktrittserklärung.

Schicksalhafte Vorahnung

Es bedrängt mich eine trübe Ahnung, als ob sich mein Schicksal bald vollenden könnte, aber ich kann nicht anders. Nachträglich mögen diese Worte Eisners an seine Frau vom 10. Februar wie eine Verheißung klingen. Vielleicht gingen ihm diese Gedanken wieder durch den Kopf, als er sich am Morgen des 21. Februar zum Landtag begab. Dann, kurz vor dem Ziel, fielen auf einmal mehrere Schüsse. Sie kamen aus der Waffe des Studenten Anton von Arco auf Valley, einem ehemaligen Mitglied der Thule-Gesellschaft. Zweimal am Hinterkopf getroffen brach Eisner sofort tod zusammen.

Eisner ist Bolschewist, er ist Jude, er ist kein Deutscher, er ist ein Landesverräter. So dachten nicht nur Arco und weite rechtsextreme Kreise. Die Schulkameraden unserer Jungen haben bei der Nachricht applaudiert und getanzt, notierte kurz darauf der Wahlmünchner Thomas Mann. Von seinen Kommilitonen wurde Arco ebenfalls wie ein Befreiungstäter gefeiert, und doch waren nicht nur viele Arbeiter, sondern auch viele Bürger über die Untat bestürzt.

In der Folge verzögerte sich die Landtagseröffnung. Kaum hatte sich Eisners Widersacher Auer von der Mordtat distanziert, drang auf einmal der revolutionäre Arbeiterrat Alois Lindner in den Plenarsaal. Erneut fielen Schüsse. Dieses Mal traf es Auer, der schwer verletzt überlebte. Dafür kam für Paul Ritter von Jahreiß und den BVP-Mann Heinrich Osel jede Hilfe zu spät. Panik brach aus, fluchtartig ... (Martin Hille)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Januar/Februar-Ausgabe 2019 von UNSER BAYERN (BSZ Nr. 2. vom 11. Januar 2019)

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