Unser Bayern

Alexander von Schneider, ein ausgesprochener Familienmensch: Die Zeiten der Trennung von Frau und Kindern wogen schwerer als die Ehre, für den König arbeiten zu können. (Foto: BHStA)

18.12.2015

Ein König, aber keine Mama

Kabinettssekretär von Ludwig II.: Alexander von Schneider wäre seinen Posten nur allzu gerne wieder losgeworden

Der letzte Kabinettssekretär König Ludwigs II. und spätere Oberkonsistorialrat Alexander von Schneider war eine wichtige Persönlichkeit seiner Zeit, über die bisher nur wenig bekannt war. Durch Kriegseinwirkungen ist das meiste Aktenmaterial über ihn vernichtet worden, jedoch exis-tiert im Bayerischen Hauptstaatsarchiv ein Nachlass von Briefen an seine Frau Florentine. Diese stellen eine interessante zeitgeschichtliche Quelle dar, aus der sich das damalige Verständnis zur Pflicht gegenüber Gott, König und Vaterland, sowie zum familiären Zusammenleben herauslesen lässt. Alexander von Schneider wurde am 22. Februar 1845 als erster Sohn von acht Kindern des Bezirksarzts Dr. Alexander Schneider und seiner Frau Franziska, geb. von Ammon, in Nördlingen geboren. Nach seinem Schulabschluss und kurzer Studienzeit in Erlangen zog Alexander 1862 nach München, da er als einer der besten Schulabgänger und Studenten seines Jahrgangs ein Stipendium im Maximilianeum erhalten hatte. Er belegte an der Ludwig-Maximilians-Universität das Fach Jura, das er 1867 mit Erfolg ablegte.

Eifriger Briefeschreiber

1872 heiratete er Katharina Friederike – wie er aus Nördlingen – mit der er eine kleine Wohnung in der Adalbertstraße bezog. Doch schon kurz nach der Hochzeit starb seine junge Frau unerwartet. In der Folge wohnte Schneider als Zimmerherr unter ständig wechselnden Adressen in München. Durch die Vermittlung seiner Schwester Amalie lernte er seine zweite Frau Florentine Rutz in Nördlingen kennen. Das Paar verlobte sich am 4. Februar 1876, kurz danach setzen die in seinem Nachlass überlieferten 375 Briefe an seine Verlobte und spätere Frau ein. Die in deutscher Kurrentschrift verfassten Briefe berichten hauptsächlich über Familien- und Haushaltsangelegenheiten, sein Leben am Hofe König Ludwigs II., die Verhältnisse in Hohenschwangau aber auch über politische und gesellschaftliche Ereignisse. Nach der Hochzeit am 30. Januar 1877 lebte die Familie in München und im Sommer in Berg am Starnberger See. Im Winter, wenn Alexander von Schneider in Hohenschwangau seinen Dienst tat, war das Paar meist getrennt. 1880 kam sein erster Sohn Franz zur Welt, 1881 seine Tochter Friederike, 1882 sein Sohn Alexander und 1887 seine Tochter Hermine. Nach seiner Entlassung als Kabinettssekretär und seiner Versetzung an das Finanzministerium im Juni 1886 genoss Alexander das Zusammensein mit seiner Familie und verreiste nur noch für kurze Tagungen und Familienbesuche. Der Familienmensch Schneider war stets an dem Wohlergehen seiner Familie interessiert. Er kümmerte sich um seine verwitwete Mutter und seine unverheiratete Schwester Mathilde, die nach München zogen. Er nahm Anteil am Leben seiner Geschwister und hatte eine sehr innige Beziehung zur Familie seiner Frau.

Schicksalhafte Begegnung

Mit seinem juristischen Wissen half er wo er konnte und verfasste beispielsweise ein Begnadigungsgesuch für seinen Vetter Ernst Hahn, als diesem der Prozess wegen eines Duells gemacht wurde. Mit seinem besten Freund Gabriel Köberlin (1849 bis 1927), der 1910 stellvertretender Direktor der Bayerischen Vereinsbank wurde, verband ihn eine lebenslange herzliche Freundschaft. Seine erste Begegnung mit dem König hatte Alexander Schneider im April 1876, als er mit Freunden eine Wanderung zum Aumeister in den Englischen Garten unternahm. Er schrieb seiner Verlobten: „Auf dem gestrigen Spaziergange hatten wir eine außerordentlich seltene Begegnung – nämlich mit Seiner Majestät dem Könige. Als wir ungefähr gegen 5 Uhr vom Aumeister aufgebrochen waren und uns in eine ganz einsame Partie des Englischen Gartens förmlich wie verloren hatten, sah ich ungefähr in einer Entfernung von 50 Schritten einen großen Mann mit sehr auffallend schwankenden Gange ohne jegliche Begleitung uns entgegen kommen. Bei näheren Hinsehen erkannte ich in diesem Manne sofort den König.“ Alexander machte seine ungläubigen Begleiter darauf aufmerksam und sie stellten sich an den Rand des Weges, nahmen eine stramme Haltung an und grüßten ehrerbietig. Der König schritt vorbei, grüßte huldvoll zurück und sah ihnen scharf ins Auge. Trotzdem waren die jungen Herren neugierig genug, um Seine Majestät zu mustern und Alexander versicherte seiner Braut, dass die Majestät sehr gesund aussehe. Bei dieser Begegnung ahnte er noch nicht, dass er schon einen Monat später im persönlichen Dienste des Königs stehen würde.

Königlicher Hilfsarbeiter

Schneider, der eine juristische Karriere anstrebte, wurde, für ihn völlig überraschend, am 17. Mai 1876 als Hilfsarbeiter des königlichen Kabinettssekretärs Friedrich von Ziegler (1839 bis 1897) nach Schloss Berg beordert. Er bekam die Position und das Gehalt eines 2. Staatsanwaltes, nämlich rund 2000 Gulden jährlich und wohnte gemeinsam mit dem Kabinettssekretär und dessen Frau in einer Villa in der Nähe des Schlosses. Dort beschäftigte sich Alexander in erster Linie mit dem Abfassen von Exzerpten sowie dem Übersetzen französischer Literatur. So verfasste er zum Beispiel ein 60-seitiges Exzerpt aus den Büchern von Contesse Dash und verglich Richard Wagners Werke mit der Nibelungensage. Außerdem gehörte es zu seinen Aufgaben, Anträge der Ministerien an den König durchzuarbeiten und zusammenzufassen. Im Oktober zog das Kabinett wieder nach München und im November bis Februar mit Unterbrechung zur Weihnachtszeit, nach Hohenschwangau. In diesem Rhythmus lebte Alexander Schneider nun die nächsten zehn Jahre. Da sich der König im Laufe der Jahre mehr mit Kunst und seinen Bauten beschäftigte, schrumpfte Alexanders Aufgabenbereich zusehends. Er füllte seine Zeit mit Lesen und mathematischen Berechnungen. Als Friedrich von Ziegler im November 1879 entlassen und von dem neuen Kabinettssekretär Ludwig von Müller (1846 bis 1895) ersetzt wurde, wollte auch Alexander sein Dienstverhältnis lösen und ans Landgericht nach München wechseln. Dies gestattete jedoch der König nicht. Ludwig II. überhäufte seinen neuen Kabinettssekretär Müller mit wertvollen Geschenken, Aufmerksamkeiten und Auszeichnungen. Zu Weihnachten erhielt Müller Geschenke im Wert von 20 000 Mark, darunter eine mit Brillianten besetzte Uhr mit kunstvoller Kette. Im Januar 1880 durfte ihm Alexander im Auftrag des Königs den Kronorden überreichen und ein Ordensdinner organisieren: Ursprünglich sollte dieses im Schweizerhaus in der Bleckenau stattfinden, wegen des schlechten Wetters und in Abwesenheit des Königs dinierte man dann doch in Hohenschwangau. Dazu bekam Müller auch einen Zobel im Wert von 6000 Mark geschenkt. Ludwig von Müller schien den König jedoch zu enttäuschen und wurde bereits im Mai des gleichen Jahres entlassen – und Friedrich von Ziegler erneut zum Kabinettssekretär ernannt. Als es schließlich doch zum endgültigen Zerwürfnis zwischen Ziegler und dem König kam, nahm dieser den Tod seines Vaters am 11. Januar 1883 zum Anlass, unverzüglich abzureisen. Er galt bis zum August 1883 als beurlaubt.

Der König mochte seine Stimme nicht

Schneider befürchtete in der Zeit von Zieglers Abwesenheit, ihn beim König vertreten zu müssen. Er wollte keinesfalls Kabinettschef, sondern aus seiner Stellung so schnell wie möglich und ohne allzu große materielle Verluste erlöst werden. Entgegen seinen Wünschen wurde er doch am 9. August 1883 zum „mit der Führung der Geschäfte betrauten“ Kabinettssekretär ernannt. Von nun an gehörte es zu seinen größten Sorgen, seine Kleidung in Ordnung zu halten und aufzustocken, um allzeit bereit zu sein. Dem König war jedoch, wie er gegenüber Ludwig von Bürkel äußerte, die Stimme Schneiders zu laut. Darum forderte er seine Berichte schriftlich und bestellte ihn erst lange nach seiner Ernennung, völlig überraschend am 5. Dezember abends um 22 Uhr zum Vortrag. Auch Schneider wurde, wenn auch nicht so üppig, vom König mit Geschenken und Auszeichnungen bedacht. Er bekam eine goldene Taschenuhr, das Ritterkreuz 1. Klasse des Verdienstordens vom Hl. Michael und wurde im Dezember 1884 mit dem Ritterkreuz der Bayerischen Krone ausgezeichnet und so in den persönlichen Adelsstand erhoben. Mit der Standeserhebung war auch ein gesellschaftlicher Aufstieg verbunden. Alexander und Florentine wurden nun zu Hofgesellschaften eingeladen. Doch die Kehrseite der Medaille war die, dass die zunehmenden Spannungen innerhalb des Kabinetts und des Hofstabes sowie die Regierungsfähigkeit und der Regierungsstil Ludwigs II. es zunehmend schwieriger machten, den Wünschen und Forderungen des Königs zu entsprechen.

Eisstockschießen auf dem Alpsee

Das Amt des Oberregierungsrates überspringend, beförderte man ihn im Januar 1885 zum Minis­terialrat. Er befürchtete die Missgunst von Kollegen, sah aber die finanziellen und sozialen Vorteile, denn mit dieser Erhebung waren auch seine Kinder im Falle seines Todes pensionsberechtigt.
Der Aufenthalt in Hohenschwangau war für Schneider anfangs noch nicht so belastend. Alexander freundete sich mit Mitgliedern des Hofstabes an und wurde wegen seiner freundlichen und besonnenen Art wohlwollend in deren Kreis aufgenommen. Man vertrieb sich die freie Zeit mit Ausflügen, Jagden, kleinen Dinners und Festen sowie Eisstockschießen auf dem Alpsee. Diese anfängliche Idylle wandelte sich jedoch und das Leben auf Hohenschwangau wurde ihm zunehmend unerträglicher. Er unternahm immer öfter ausgedehnte Wanderungen, litt unter Einsamkeit und der Trennung von seiner Familie. Schon 1878 bezeichnete er seinen Aufenthalt
gar als „Hohenschwangau-Verbannung“ und 1881 freute er sich auf seinen Urlaub aus der „Festungshaft“. Sehr früh beklagte er auch das schlechte Essen. 1882 versorgten sich die Mitglieder des Stabes kurzzeitig selbst, weil sie nicht mehr „die Abfälle von des Königs Tisch“ aus der Hofküche essen wollten. Mit der Essensqualität korrelierten auch die Wohnverhältnisse Schneiders. Zwar bekam er im November 1882 ein neues Zimmer in der ers-ten Etage zugewiesen, allerdings verglich er sein Zimmer wegen der spartanischen Einrichtung eher mit einer Klosterzelle als mit einem modernen Wohn- und Studierzimmer. Entschädigt wurde er nur durch die beeindruckende Aussicht, die er seiner Frau ausführlich schilderte. Alexander lebte in Hohenschwangau nach einem genau eingeteilten Plan, der morgens um 6.30 Uhr begann und abends um 22.30 Uhr endete. ... 1897 wurde Alexander von Schneider zum Oberkonsistorialpräsident der Evangelischen Kirche ernannt. In dieser Funktion unternahm er mit einer Delegation von Oktober bis November 1898 eine „Offizielle Festfahrt zur Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem“. Von dieser Reise schilderte er seiner Frau in sechs Briefen und einer Postkarte seine Erlebnisse. Er setzte sich sehr für eine bessere Bezahlung von Pfarrern und vor allem für eine Hilfskasse von unverheirateten Pfarrerstöchtern ein. Diese standen nach dem Tode des Vaters oft völlig mittelos und unversorgt im Leben. Als eine besondere Auszeichnung für seine Verdienste um Reformen der Kirchenstrukturen erhielt er von Prinzregent Luitpold 1906 den Titel Excellenz und von der Erlanger Theologischen Fakultät 1907 den Ehrendoktor verliehen. Das letzte überlieferte Schrifstück von ihm an seine Frau ist ein kurzer Postkartengruß vom 30. September 1908 aus München.

Grab wurde aufgelöst

Nach einem längeren Krebsleiden verstarb er am 20. Mai 1909 in Garmisch und wurde drei Tage später in München beerdigt. In einem gemeinsamen Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig als Erben ein und so hinterließ er seiner Witwe ein stattliches Erbe an Mobiliar, Wertpapieren, Schmuck und Bargeld in Höhe von 35 635 Mark. In den zahlreichen Nachrufen und Trauerreden wurden Alexander von Schneiders charakterliche Stärken, seine Treue und seine steten Bemühungen, Gutes zu tun beschrieben. Sein Grab am Münchner Nordfriedhof wurde 1989 aufgelöst. Alexander von Schneider war trotz seiner beruflichen Pflichterfüllung ein Familienmensch. In den Zeiten der Trennung war er von Sehnsucht und Heimweh geplagt. Er vermisste seine Familie und war nur glücklich, wenn er sie alle um sich hatte. Seinem Sohn Franz schrieb er, als dieser etwa sechs Jahre alt war: „Du, Herzele hast es gut, daß du nicht in Hohenschwangau sondern bei der Mama bist. Ich habe es in Hohenschwangau nicht so gut, da gibt es nur einen König, aber keine Mama.“ (Sandra Karmann, Christoph Bachmann) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Dezemberausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 51/52 vom 18. Dezember 2015)
Abbildung:
Einige der vielen Briefe aus dem Nachlass Alexander von Schneiders. (Foto: Sandra Karmann)

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