Unser Bayern

1717, als Johann August Corvinus die Parkanlagen von Schloss Nymphenburg in Kupferstichen festhielt, war das Areal im regelmäßigen Stil nach Versailler Vorbild gestaltet – zu Gesicht bekamen die Gartenpracht aber nur der Kurfürst und sein Gefolge. Erst ab 1792 durfte sich auch die Öffentlichkeit dort verlustieren. (Foto: BSB Bildarchiv)

22.03.2023

Eine Stadt blüht auf

Blumen aus aller Welt: Wie München im Laufe der Zeit seine Gärten, Beete und Fenster verschönerte

Im 16. Jahrhundert, als München aus 1230 Häusern, 283 Stallungen und 155 Städeln bestand, sei die Residenzstadt „eine rechte und richtige Gartenstadt“ gewesen. Nicht weniger als 462 Gärten habe es gegeben, allesamt innerhalb des Befestigungsrings zwischen Isartor, Sendlinger Tor, Neuhauser Tor (heutiges Karlstor) und dem nicht mehr vorhandenen Schwabinger Tor gelegen – vom kleinen „Gärtl“ hinter dem Haus bis hin zum ausgedehnten Herrschaftsgarten.

Diese Beschreibung lieferten der Schriftsteller sowie Fotograf Otto Aufleger und der Historiker Karl Trautmann in ihrem 1897 veröffentlichten Bildband "Alt-München in Bild und Wort". Den Autoren folgend waren diese Grünanlagen hauptsächlich Gemüse- und Obstgärten, sie dienten aber auch „zur Erholung und zum Genuss“. Vermutlich wuchsen neben den Gemüsebeeten, an den Wegen oder im Umfeld einer Laube auch Blumen und Pflanzen, denen Heilwirkungen nachgesagt oder im christlichen Glauben eine spezielle Bedeutung zugesprochen wurde und die schon seit dem Mittelalter in den Gärten zu finden waren: zum Beispiel Rosen, Lilien, Veilchen, Schlüsselblumen, Akeleien und Maiglöckchen. Vielleicht stand da oder dort auch ein tönernes Gefäß mit Nelken. „Man finde kaum ein Haus, vor dem man sie nicht aufgestellt sieht,“ schrieb 1551 der Arzt und Botaniker Leonhart Fuchs. Die meisten Blühpflanzen jedoch, die wir heutzutage in den Gärten antreffen, waren in jener Zeit noch unbekannt.

200 Jahre später, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, war von den Hausgärten innerhalb des Münchner Mauerrings fast nichts mehr übrig. Die überwiegende Zahl der Flächen war überbaut. Weil Straßen und Plätze freigehalten werden mussten, gab es auch kaum Bäume in der Stadt. Größere Gärten, respektive Nutzgärten, besaßen nur noch die Stifte und Spitäler. Im Grünen spazieren gehen konnte man aber auf den Wallanlagen, die keine Bedeutung mehr für die Stadt-verteidigung hatten. Dort gab es Bäume, Wiesen und Weiden, vereinzelt standen auch Sommerhäuschen, die von kleinen Gärten umgeben waren. Privatgärten waren ansonsten nur im ländlich geprägten Umfeld Münchens anzutreffen.

Das Pflanzenspektrum in den Gärten hatte sich deutlich verändert. Von den schon früher verbreiteten Blühpflanzen war vor allem die Nelke in Mode gekommen: „Nelkenisten“ züchteten emsig neue Sorten. Besonders beliebt waren Nelken mit gefüllten und gestreiften Blüten und einer schönen Zeichnung. Außerdem hatten farbenkräftige Sommer- und Herbstblüher aus Nordamerika in den Gärten Einzug gehalten: gelbe Sonnenblumen, gelbe und rote Sonnenhüte (Rudbeckien), orangefarbene Studentenblumen (Tagetes) sowie blaue und rotviolette Astern. Schließlich hatten sich Zwiebelpflanzen aus dem Orient verbreitet, die die Gärten vor allem im Frühjahr mit ihrem Flor bereicherten: allen voran Tulpen in den unterschiedlichsten Farben und Blütenformen, aber auch Hyazinthen, Ranunkeln, Anemonen oder Kaiserkronen.

Die erste aus Konstantinopel stammende Tulpe war in Mitteleuropa schon um 1557 in einem Augsburger Garten kultiviert worden und hatte weite Verbreitung erfahren. In den Niederlanden kam es um 1630 gar zu einem regelrechten Tulpenwahn. Preis und Nachfrage schnellten in die Höhe, sodass die Zwiebeln von besonders nach-gefragten Sorten (beispielsweise mehrfarbig geflammten) phasenweise ein Vermögen kosteten. Dann beruhigte sich der Markt wieder, aber die Niederlande blieben eine Hochburg der Zwiebelpflanzenkultur.

Ein Meer aus Tulpen

Interessanterweise gab es 1752, knapp 200 Jahre nach der ersten Tulpe, in Augsburg im Garten des Blumen- und Kunstgärtners Sigmund Richter eine aus „fünfzehntausend der fein schattiertesten Blumen“ bestehende „Tulipanen-Flor“. Auch in München waren Tulpen in den prächtigen Gartenanlagen außerhalb der Stadtmauern gepflanzt, die sich begüterte Bürger und Adelige hatten anlegen lassen. So im Nymphenburger Schlossgarten, der sich damals weit außerhalb der Stadt befand.

Unter Kurfürst Max Emanuel (1662 bis 1726) war der Garten der Wittelsbacher Herrscherfamilie und ihres Hofstaats nach Versailler Vorbild mit Kanälen und einem regelmäßigen Achsen- und Wegesystem, Parterrepflanzungen und Bosketts sowie zahlreichen Skulpturen und Brunnenanlagen ausgestaltet worden. Die von Buchspflanzen eingerahmten Parterreflächen waren zeitweise mit Zwiebelpflanzen bestückt. So wurden – wie alte Rechnungen belegen – Balsamin-Narzissen, Hya-zinthen, Tulpen, Tuberosen und Ranunkeln immer wieder eingekauft und bis Juli im Beet belassen, als sie meist schon ins Kraut geschossen waren. Während der Sommermonate waren im Park entlang der Achsen zahlreiche Zitrusgewächse und andere Orangerie-Pflanzen in Kübeln aufgestellt, die man im Winter aufwendig im Gewächshaus halten musste. Um das Jahr 1800 sollen noch „263 Bomeranzen- und Citronenbäume, dreizehn Lorbeerbäume, drei Myrten, zehn Feigen- und zwei Granatapfelbäume“ in Nymphenburg vorhanden gewesen sein. Insbesondere die duftenden Zitrusgewächse galten als Statussymbol. Lange Zeit bekamen aber nur wenige Menschen die Pflanzenschätze zu Gesicht. Das änderte sich erst 1792, als Kurfürst Karl Theodor (1724 bis 1799) den Nymphenburger Schlosspark für die Öffentlichkeit freigab.

Eine derartige Gartenanlage zu unterhalten, war eine kostspielige Angelegenheit. Nicht nur, dass die Blumenzwiebeln und andere Pflanzen teuer einzukaufen waren und man kundiges Garten-personal benötigte: Schon damals schlugen die Energiekosten für die Beheizung der Gewächshäuser hoch zu Buche. Der Einsparungen wegen war deshalb in den 1770er-Jahren der nahe der Residenz gelegene und ebenfalls aufwendig gestaltete Hofgarten radikal vereinfacht worden. Karl Theodors Vorgänger, Kurfürst Max III. Joseph (1727 bis 1777), hatte die Parterres auflösen, Linden pflanzen und die Wege kiesen lassen. Bei der Bevölkerung, die damals Zutritt erhielt, erfreute sich der Hofgarten dennoch großer Beliebtheit und wurde bald zum vielbesuchten Treffpunkt für sonntägliche Spaziergänge. Eine Rolle spielte vielleicht auch der Umstand, dass 1776 an der Westseite des Hofgartens das erste italienische Kaffeehaus eröffnet hatte.

Das Spazierengehen zu fördern und damit für das Wohlbefinden der Bürger zu sorgen, war rund ein Jahrzehnt später eine der Absichten von Kurfürst Karl Theodor, als er 1789 seinen Adjutanten Sir Benjamin Thompson alias Graf Rumford beauftragte, im Norden der Stadt neben den Nutzgärten für die Soldaten einen englischen Landschaftsgarten anzulegen. „Diese schöne Anlage der Natur [sey] dem Publikum in ihren Erholungsstunden nicht länger vor zu enthalten“, heißt es im Dekret des Kurfürsten. Der führende Gartenkünstler dieser Zeit, Friedrich Ludwig Sckell (1750 bis 1823), soll bei den Planungen Rumfords beratend zur Seite gestanden haben.

Am 1. April 1792 wurde der Theodorspark, so nannte man den Englischen Garten damals, eröffnet. Allerdings soll es ein Weilchen gedauert haben, bis dieser tatsächlich von der Bevölkerung angenommen wurde. Was das Pflanzenspektrum betraf, standen im Landschaftsgarten die Gehölze im Vordergrund, krautige Pflanzen waren nur Beiwerk. „Blumen, mit aromatischen Kräutern untermischt, könnten an den Kanten der Gebüsche hervorblicken und die Luft mit ihrem Wohlgeruch verbessern“, schrieb Sckell, zeitlebens ein Gegner von Blumenbeeten. So konnte der Spaziergänger im Landschaftsgarten von den „in sanften Bogen- und Wellenlinien“ verlaufenden Geh- und Fahrwegen aus in erster Linie freiwachsende Bäume und malerische Gehölzgruppen bestaunen, dazwischen aber auch Wiesen voller heimischer Wildblumen.

Die Natürlichkeit im Theodorspark war geschätzt, allen voran von Karl Theodors Nachfolger auf dem Thron, Kurfürst Max IV. Joseph (1756 bis 1825), ab 1806 erster König von Bayern. Schon im Jahr 1800, ein Jahr nach seinem Regierungs-antritt, beauftragte er Friedrich Ludwig Sckell, einen großen Teil des barocken Schlossparks in Nymphenburg in einen Landschaftsgarten umzuwandeln und wies ihn ein paar Jahre später an, den Theodorspark zu erweitern und so umzugestalten, wie Sckell es für richtig hielt.

Max Joseph aber war nicht nur ein Freund des Landschaftsgartens. Er war auch ein Liebhaber der „schönen Pflanzenwelt“, dem es gefiel, unermüdlich außergewöhnliche, seltene Pflanzen oder Sämereien einzukaufen. In Nymphenburg hatte er eigene Flächen für seine immer größer werdende Sammlung reserviert. Als er für die vielen Töpfe neue Glashäuser benötigte, bekam Sckell die Order, sich um deren Planung zu kümmern. Zwischen 1807 und 1820 errichtete der Gartenkünstler in Nymphenburg drei Glashäuser, die bis heute erhalten sind. Ab 1808 hatte sich Sckell – inzwischen zum Hofgartenintendanten berufen und vor allem stadtplanerisch tätig – im Auftrag des Regenten außerdem mit der Planung eines Botanischen Gartens befasst, den die Residenzstadt nun auch erhalten sollte. 1812 wurde dieser vor dem Neuhauser Tor eröffnet.

Der König liebte es exotisch

Der König lag mit seiner Pflanzenliebhaberei voll im Trend, dem auch bürgerliche Kreise begeistert folgten. Zwischen 1770 und 1830 gelangten, den vielen For-schungsreisen und Weltumsegelungen der Zeit geschuldet, mehr und mehr neuartige Pflanzen aus allen Teilen der Welt nach Europa: Bäume aus Nordamerika wie Magnolien oder der Tulpenbaum, Sträucher aus Japan wie Forsythien oder Hortensien, Rosen aus China, darunter solche, die von Juni bis in den Herbst hinein immer wieder blühten. Aber auch krautige Pflanzen wie Funkien und Chrysanthemen, ebenfalls aus Asien, um nur ein paar der Neuankömmlinge zu nennen. Viele davon sind heutzutage nicht mehr aus den Gärten und Parks wegzudenken.

Viele der europäischen Pflanzenneulinge stammte aus subtropischen beziehungsweise tropischen Regionen. Wie aus der 1821 von Alois Sterler veröffentlichten Pflanzenliste des „Hortus Nymphenburgensis“ ersichtlich, war der bayerische König vor allem an diesen exotischen Pflanzen interessiert. Überaus zahlreich in der königlichen Sammlung – mit mehr als 100 verschiedenen Spezies – waren beispielsweise die Pelargonien vertreten, landläufig unter dem Namen Geranien bekannt ... (Petra Raschke)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe März/April 2023 von UNSER BAYERN (BSZ Nr. 10 vom 10. März 2023)

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist die geplante neue Kindergrundsicherung sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.