Unser Bayern

Ab dem 21. Mai 1919 tagten Regierung und Landtag im Spiegelsaal der Harmonie am Schillerplatz. Auf dem Podium oben sind zu sehen, vordere Reihe sitzend, von links: Handelsminister Eduard Hamm, Justizminister Ernst Müller-Meiningen, Innenminister Fritz Endres, Landtagsvizepräsident, Karl Hammerschmidt, Landtagspräsident Franz Schmitt, Schriftführer Wolfgang Hofmann, Ministerpräsident Johannes Hoffmann, Finanzminister Karl Speck. (Foto: Stadtarchiv Bamberg)

06.05.2019

Hauptstadt auf Zeit

1919 flohen Bayerns Regierung und der Landtag nach Bamberg. Die Stadt war unvorbereitet, machte aber das beste daraus

Am 7. April 1919 trat gegen 15.30 Uhr Ministerpräsident Johannes Hoffmann (MSDP/Mehrheitssozialdekokratische Partei Deutschlands) vor die Truppenteile der in Bamberg stationierten Regimenter mit der Nachricht, dass die bayerische Regierung ihren Sitz nach Bamberg verlegt habe. Danach konnten die Staatsregierung und dann auch der Landtag ihre Arbeit in Bamberg aufnehmen. Am Ende stand die Verabschiedung der ersten demokratischen Verfassung des Freistaats Bayern in Bamberg, das für drei Monate die Funktion einer Hauptstadt auf Zeit übernommen hatte.

Im November 1918 endete die Monarchie der Wittelsbacher in München. Von einer Friedensdemonstration auf der Theresienwiese spaltete sich um Kurt Eisner, dem Vorsitzenden der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD), die sich 1917 von der SPD getrennt hatte, ein kleiner Teil ab. Der Zug durch das Kasernenviertel fand auf dem Weg ins Stadtzentrum zahlreiche Unterstützer. In der Nacht zum 8. November erfolgte der Umsturz in München unblutig, aber nicht gewaltlos. Die Mehrheitssozialdemokratie unter ihrem Vorsitzenden Erhard Auer als Innenminister stellte sich an die Seite Eisners, der das Amt des Ministerpräsidenten übernahm.

Not lindern – für Ruhe sorgen

Für die Regierung des Freistaats Bayern stand die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie die Bewältigung der wirtschaftlichen Not an erster Stelle. Obwohl nur Verkehrsminister Frauendorfer Verwaltungs- beziehungsweise Regierungserfahrung hatte, wurden zumindest partiell Erfolge erzielt, etwa die Etablierung der Volksgerichte, die bis zum Hitler-Prozess Bestand hatten, oder die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht und damit die Zurückdrängung der Kirchen aus dem Bildungswesen durch den aus der Pfalz stammenden ehemaligen Volksschullehrer und nunmehrigen Kultusminister Johannes Hoffmann.

Von zentraler Bedeutung war die Verfassung des neuen Freistaats, konkret das Verhältnis der etwa 6000 bis 7000 Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte zur Idee der parlamentarischen Demokratie. Die MSPD nahm in Bayern wie in Berlin entscheidend Einfluss zugunsten des Parlamentarismus mit Unterstützung der Presse und der meisten Oppositionsparteien. Dazu zählte die katholisch-konservative Bayerische Volkspartei (BVP), die konservative, eher protestantisch orientierte bürgerlich-nationale Bayerische Mittelpartei sowie die liberalen Gruppierungen der Deutschen Volkspartei (DVP) und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP).

Mit dem Staatsrechtler Robert Piloty und dem Ministerialbeamten Josef von Graßmann wurden zwei hochqualifizierte Vertreter aus vorrevolutionärer Zeit berufen, denen die inhaltliche und konzeptionelle Formierung der neuen bayerischen Verfassung übertragen wurde. Den endgültigen Durchbruch zum parlamentarischen System brachte die Ausschreibung von Wahlen für Januar 1919. Ministerpräsident Eisner erlitt mit 2,5 Prozent der abgegebenen Stimmen eine deutliche Niederlage. Stärkste Partei wurde die BVP vor der MSPD, der linksliberalen DDP und dem Bauernbund. Erstmals konnten Frauen ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben; schließlich befanden sich unter den 180 Abgeordneten acht Frauen.

Flucht nach Attentat

Am 21. Februar wurde Eisner auf dem Weg zu seiner Rücktrittserklärung im Landtag auf offener Straße von Anton Graf von Arco-Valley erschossen. Danach wurden im Parlament in der Prannerstraße bei einem Attentat Erhard Auer schwer verletzt und der Abgeordnete Josef Osel (BVP) getötet. Nach der Flucht der Abgeordneten war der Landtag lahmgelegt. Generalstreik und gewaltsame Auseinandersetzungen bestimmten den Alltag. Einer möglichen Ausrufung der Räterepublik standen die Position der parlamentarischen Demokratie und der durch Wahlen legitimierte Landtag gegenüber. Mit seiner Einberufung und der Bildung eines Kabinetts mit dem bisherigen Kultusminister Hoffmann an der Spitze aus Vertretern der Sozialdemokratie und des Bauernbundes mit Zustimmung der Rätevertreter und daher ohne bürgerliche Mitglieder wurde am 17. März ein Kompromiss erzielt.

Für die Räte war die Fortführung der Revolution das Ziel. Vor einer solchen „zweiten Revolution“ hatte schon Eisner gewarnt. Am Tag vor der Einberufung des Landtags wurde in München die Räterepublik ausgerufen, der sich mehrere Städte in Bayern anschlossen. Nachdem sich in München mit der Ausrufung der Räterepublik am 6./7. April und dem Verbot der Einberufung des Landtags die Lage zugespitzt hatte, verließ die Regierung Hoffmann die Landeshauptstadt.

Münchner Narrenhauspolitik

Inzwischen wurden in der Presse Stimmen laut, die einen eigenen Weg Frankens weg von der „Münchener Narrenhauspolitik“ forderten. Im Bamberger Tagblatt wurde der Landtag als einzige souveräne Volksvertretung bezeichnet. Falls er nicht zusammentreten sollte, müsse sich das übrige Bayern von der Münchner Diktatur befreien unter der Parole: „Los von München!“ Das Ausweichen beider Verfassungsorgane nach Franken war damit auch ein Signal zur Einheit Bayerns und zur Betonung des förderativen Gedankens bei den Weimarer Verfassungsberatungen.

Das politisch ruhige Klima, der damals schon bekannte Ruf aufgrund des historischen Stadtbildes, die Eisenbahnverbindungen in alle Teile Bayerns und in Richtung Weimar sowie der Militärflugplatz als Ausgangspunkt für Flüge nach München zum Abwurf von Flugblättern sprachen für die Bamberg mit seinen knapp 50 000 Einwohnern und einer ganzen Anzahl staatlicher Gebäude für die Unterbringung der Regierungsstellen.

Am 7. April kamen die Regierungsvertreter in der Stadt an der Regnitz an. Der liberale Abgeordnete und spätere Innenminister Ernst Müller-Meiningen bemerkte dazu in seinen Erinnerungen: „Es war ein kalter, regnerischer Tag. Der Empfang in Bamberg war auch nicht gerade freundlich. Er entsprach ganz dem Wetter.“ Der Ministerpräsident verwies in einem Telegramm an die nachgeordneten Behörden auf die Verlagerung des Regierungssitzes „aus München, wo landesfremde Hetzer seit Wochen jede vernünftige Arbeit zu hintertreiben suchen“. In Bamberg würde sie bleiben, bis die Vernunft in der Landeshauptstadt wieder Geltung hat. Die Regierung Hoffmann sei und bleibe „die einzig gesetzmäßige Gewalt“.

Nun mussten für die Unterbringung und Sicherheit der übersiedelten Beamten Maßnahmen ergriffen werden. Diese Vorkehrungen wurden unter Heranziehung von Polizei, Militär und einer eigens dafür einberufenen Bürgerwehr noch verschärft, als die Mitglieder des Landtags nach Bamberg kamen.

Bamberg gegen den Bolschwismus

Kurz nach seiner Ankunft versicherte sich der Ministerpräsident vor etwa 1000 Soldaten des Rückhalts der Garnison im Hof der Infanteriekaserne im Osten Bambergs. Oberbürgermeister Adolt Wächter informierte am 8. April das Magistratskollegium und betonte die Unterstützung der Stadt, die der Regierung die Treue schwor und sich rückhaltlos hinter sie stellte, um den Bolschewismus zu bekämpfen, „damit von Bamberg aus der Gesundungsprozeß für ganz Bayern seinen Anfang nehme“. Am Abend sprachen etliche Politiker in den Sälen Bamberger Gasthäuser. Die Bamberger Bevölkerung, gerade auch der bürgerliche Teil, der nach der Revolution erst einmal in einer Art Schockzustand verharrte, signalisierte wieder politische Aktivität. Auch das Umland stellte sich hinter die Regierung Hoffmann. Alle Städte sollten von der Lebensmittelversorgung bei Unterstützung der Räteregierung abgeschnitten werden.

Für die Regierung war nun eine effiziente Informationsverarbeitung wichtig. Diesem Ziel diente zunächst die Schaffung einer Poststelle, einer Funkstation und eines Pressereferats im südlichen Flügel der Residenz für die Verbindung mit Nürnberg, Würzburg, München, Weimar und Berlin. Ein Staatskurierdienst versorgte die Verwaltungsstellen mit den notwendigen Unterlagen aus München. Dafür wurde eine Schnellzuglinie eingerichtet... (Horst Gehringer)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Mai/Juni-Ausgabe von UNSER BAYERN, die der BSZ Nr. 18 vom 3. Mai 2019 beiliegt.

Kommentare (1)

  1. FLG-Bamberg am 07.05.2019
    Guten Tag!
    Zu diesem Thema haben wir (Q11 des FLGs Bamberg) eine Austellung im Zuge unseres P-Seminars 100 Jahre Bamberger Verfassung erstellt. Diese kann man unter anderem in unserer Schule ansehen. Wir würden uns über zahlreiches Erscheinen freuen

    Viele Grüße
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