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Die Erwerbsverhandlungen für die Madonna Tempi (1508, hier ein Ausschnitt) dauerten zwei Jahrzehnte. Um die Käuferkonkurrenz in die Irre zu führen, liest man im Schriftverkehr zwischen Ludwig I. alias „Herrn Schmid“ und seinen Unterhändlern nur von der „Täubin“. (Foto: Alte Pinakothek/Bayerische Staatsgemäldesammlungen)

19.05.2020

Herrn Schmids Faible für den Malergott

Vor 500 Jahren starb Raffael. Ludwig I. führte trickreiche Verhandlungen, um an Bilder des Genies zu kommen

Giorgio Vasari war eher kritisch, wenn es um die Beurteilung anderer Künstler ging. Doch bei Raffael kam er ins Schwärmen: . Er sei nicht nur „schlechthin ein Mensch“, sondern „ein sterblicher Gott“ gewesen. „Wie freigebig und gütig der Himmel sich bisweilen erweist, indem er auf einen einzigen Menschen den unendlichen Reichtum seiner Schätze, alle Anmut und seltene Gaben häuft [....] sah man deutlich an dem ebenso herrlichen als anmutigen Raffael Sanzio von Urbino“, schrieb Vasari (1511 bis 1574), der als Sammler und Architekt auch Biografien italienischer Künstler verfasste – die ersten überhaupt in der Kunstgeschichte. Der Ruhm Raffaels hat sich über die Jahrhunderte weltweit verbreitet, und ganz sicher wird das Genie auch dieses Jahr zu seinem 500. Todestag in den Medien und in kunstwissenschaftlichen Beiträgen ehrenvolles Andenken erfahren. Herrn Schmids Faible für den Malergott Vor 500 Jahren starb Raffael. Ludwig I. führte trickreiche Verhandlungen, um an Bilder des Genies zu kommen

Der "narrete Verehrer"

Einer der größten und beständigsten Verehrer Raffaels war Bayerns König Ludwig I., der schon als Kronprinz alle Hebel in Bewegung setzte, um wenigstens an einzelne, damals bereits international heiß begehrte und hoch gehandelte Kunstwerke aus der Hand des Meisters zu kommen. Mit den bis 1806 in München zusammenströmenden Gemäldesammlungen der Wittelsbacher aus den Residenzen Mannheim und Düsseldorf platzte die Hofgartengalerie zwar schon aus allen Nähten, doch war darunter mit Heilige Familie aus dem Hause Canigiani nur ein einziges Raffael-Gemälde. Dieses hatte Kurfürst Wilhelm von der Pfalz um 1700 erstanden.

Ludwigs Kunstbegeisterung wurde früh geweckt. Bei seiner ersten Italienreise 1804/05 war ihm in Venedig bei der Betrachtung von Antonio Canovas Skulptur der Göttin der Jugend, Hebe, „der Sinn für Kunst aufgegangen“. Und spätestens in Rom war sein Entschluss gefasst, selbst Kunst zu sammeln. Entnervt schrieb sein Erzieher und Begleiter Franz Anton Kirschbaum an den Vater, Kurfürst Max in München: „Seit acht Tagen ist der Prinz der wildeste Liebhaber von Gemälden den ich je gesehen habe.“ Mit einem Seitenhieb auf den sammlungswütigen König nannte Kaiser Franz I. später Ludwig I. sogar seinen „narreten Neffen“. Ganz anders der schon frühe Eindruck des bayerischen Gesandten in Rom, Bischof Häfflein, nach Ludwigs Besuch. In einem Brief an den Münchner Galeriedirektor Johann Christian Mannlich pries er den guten Geschmack und die perfekte Kennerschaft des jungen damaligen Kurprinzen.


Bei den Erwerbungen für seine Sammlung und bei den Plänen für ihre Präsentation in der Münchner Residenz bediente sich der Kronprinz der Expertise renommierter Künstler, Architekten und erfahrener Kunstagenten, aber auch gesellschaftlich-politischer Kanäle. Ludwigs Vorgaben für seine Unterhändler waren eindeutig: „Das schönste Kaufbare zu erwerben, ist mein Wille“ und „Werke ausgezeichneter Schönheit will ich erwerben, wenn nicht anders zu erhalten, theuer, selbst bezahle“. Also höchste Qualität und Authentizität waren die Maxime, und Ludwig war auch bereit, hohe Preise aus eigener Tasche zu bezahlen.

Renommierte Berater

Den Aufbau seiner antiken Sammlung begleitete, beriet und organisierte vornehmlich der Würzburger Maler und Bildhauer Johann Martin Wagner, der auch vor Ort in Italien und Griechenland die Verhandlungen führte. Nahezu 1500 Briefe umfasst die einschlägige Korrespondenz der beiden. Bei seinen Gemäldekäufen verließ sich der Prinz vorzugsweise auf die Kennerschaft des Künstlers und Direktors der „Centralgalerie“ in München, Georg Dillis, der für ihn häufig in den einschlägigen europäischen Kunstzentren tätig war, dem Kronprinzen aber ebenso auf seinen Kulturreisen als Berater zur Seite stand. Auch hier zeugen nahezu 650 Briefe von der Intensität des prinzlichen Engagements für die Kunst.

In Italien war es der aus Baden stammende Kupferstecher und Kunsthändler Johann Metzger, der wiederum Dillis‘ Ansprechpartner für Ludwigs Kaufinteressen war. Metzger hatte seinen ständigen Wohnsitz in Florenz, wo er, gefördert vom badischen Kurfürsten und Großherzog Karl Friedrich, seine künstlerische Ausbildung beim berühmten florentinischen Kupferstecher Raffaello Morghen erhielt. Später zog er nach Rom um. Er war dem Kronprinzen seit langem bekannt und spielte für ihn eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung und Verhandlung von Kaufoptionen für Gemälde und Altarbilder renommierter italienischer Künstler der Renaissance, insbesondere beim Erwerb eines der bekanntesten Werke Raffaels.

Nervenaufreibende Verhandlungen

Die erste Nachricht über eine Chance zum Erwerb von Gemälden Raffaels erhielt der Kronprinz am 20. August 1808. Dillis schrieb ihm aus Rom, dass sich ein Selbstporträt Raffaels – „in seiner schönsten Blüte gemalt“ – in Florenz im Palast der Familie Altoviti befände. Das Bildnis sei bekannt durch den Kupferstich von Raffaello Morghen, dem Lehrer Metzgers. Und eine weitere Entdeckung sei „eine Madonna, die das Jesuskind liebkoset, von Raphael seiner besten Zeit“. Sie hinge auch in dieser Stadt im Palast des Marchese Tempi und er schicke einen Kupferstich vom Gemälde nach München. Der Erwerb dieses Kunstwerks wurde für den Kronprinz eine ausgesprochene Herzensangelegenheit und entwickelte sich bei den Beteiligten zu einem von ständigem Hoffen und Bangen begleiteten, nervenaufreibenden und trickreichen Verhandlungsmarathon.

Zunächst sandte Ludwig Ende September für das Selbstporträt einen Wechsel über 24 000 Rheinische Gulden an Dillis in Rom. Zum Vergleich: Ein höherer Ministerialbeamter in Bayern verdiente damals etwa 1000 Gulden im Jahr. Um das Preisniveau möglichst niedrig zu halten und potenzielle Wettbewerber nicht auf den Plan zu bringen, verordnete Ludwig seinen Beratern strengstes Stillschweigen über den wahren Interessenten und endgültigen Erwerber der nachgefragten Kunstwerke. Das gelang Metzger beim Selbstbildnis hervorragend. Der Kauf kam im Dezember mit 19 000 Rheinischen Gulden zustande. Begeistert notierte Dillis: „Ich habe den König von der Mahlerei in meinen Händen. Ich bin nun der glücklichste Mensch der Welt.“ Durch Probleme bei der Ausfuhrgenehmigung und beim Transport verging jedoch noch weit über ein Jahr, bis das Bild schließlich in München ankam.

Herr Schmid und die Täubin

In der Folge begann das Ringen um das zweite Bild, die Madonna Tempi, wie das Bild allgemein genannt wurde. Dabei ließ Ludwig ganz besondere Vorsicht walten: Um die Anonymität des Objekts zu wahren, wies er seine Agenten an, auch im Schriftverkehr künftig nur noch den Decknamen „Täubin“ für das Gemälde zu benutzen. Und Metzger als Hauptverhandler vor Ort wurde angehalten, niemals vom Kronprinzen zu schreiben, sondern stets nur von „unserem Freund Schmid“. In über 100 Briefen des folgenden Schriftwechsels ist der Erwerb dieses Bildes eines der Themen. In Ludwigs Schreiben findet man immer wieder – für Uneingeweihte sicher merkwürdig klingende – Passagen wie: „sehnend girrt der Tauber nach der Täubin“ oder „… daß er ja doch mache, daß wir ein warmes schönes Nest an der Isar anweisen können“ und „… daß sie nur in keinen anderen Taubenschlag gerathe!“ Durchaus berechtigte Bedenken, denn es lagen Konkurrenzangebote von russischen und spanischen Interessenten vor, und Metzger warnte auch, es könnten „preussische Pfiffe die Täubin fangen“.

Unermüdlich und mit großem Geschick war der Kunsthändler am Werk. Er selbst sprach von „Mirakelwirken“ über seine Versuche, den Marchese Tempi zum Verkauf des Gemäldes zu bewegen... (Cornelia Oelwein)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in UNSER BAYERN, Ausgabe Mai/Juni 2020 (BSZ Nr. 19. vom 8. Mai 2020)

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