Unser Bayern

Der Münchner Hauptbahnhof: Scharnier zwischen alter und neuer Heimat. (Foto: SZPhoto)

23.01.2015

Neue Heimat an der Isar

Migranten gehören seit jeher zu München. Drei Skizzen aus der Stadtgeschichte über Italiener, Griechen und Türken

Gleis 11, Münchner Hauptbahnhof – genauer: unter Gleis 11. Dort ist ein ehemaliger Luftschutzbunker, der 1960 umfunktioniert wurde zu einer Zwischenunterkunft und Weiterleitungsstelle für ausländische Arbeitskräfte. Seit Mitte der 1950er Jahren warb das Wirtschaftswunderland Deutschland um Hilfskräfte anderer Länder. Das erste Anwerbeabkommen wurde 1955 mit Italien geschlossen, es folgten weitere mit anderen Staaten, bis 1973 ein Anwerbestopp verfügt wurde. Diese zwischenstaatlichen Vereinbarungen waren als temporäre Maßnahme angelegt. Man rechnete damit, dass die so genannten Gastarbeiter nach Ablauf ihrer befristeten Arbeitsverträge wieder in ihre Heimat zurückkehren würden. Heute wissen wir, dass dem nicht so war. Aber nicht nur durch diese ausländischen Hilfskräfte ist Deutschland ein Einwanderungsland geworden – heute leben hier mehr als 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. 38 Prozent der Münchnerinnen und Münchner haben ihre Wurzeln in anderen Ländern. Besonders München versteht sich als weltoffene, multikulturelle und multireligiöse Stadt, die seit eh und je von Zuwanderung geprägt wurde. Kulturelle Vielfalt erwies sich schon immer als Bereicherung und Motor für die Entwicklung der Stadtgesellschaft. Der Zuzug von Fremden nach München war mit einer gewissen Faszination verbunden – ebenso oft aber auch mit Ablehnung oder gar Ausgrenzung. Bei den folgenden drei Skizzen überwiegt meist der Aspekt der Faszination.

„Welsche" an der Isar

München wurde Anfang des 16. Jahrhunderts unter Herzog Albrecht IV. Haupt- und Residenzstadt des wiedervereinigten Herzogtums Bayern. Der Machtzuwachs des erstarkten bayerischen Fürsten zeigte sich auch in ihrer Attraktivität für ausländische Prinzessinnen. Die Ehefrauen der bayerischen Herzöge und Kurfürsten stammten nun meist aus dem Hause Habsburg, waren Kaisertöchter. Unter dem Aspekt „Münchner Migrationsgeschichte" sind drei Ehen von besonderer Bedeutung, weil in diesen Fällen die Frauen aus dem nicht deutschsprachigen Ausland kamen. Wilhelm V. (1548 bis 1626) heiratete Renata 1544 bis 1602), die Tochter des Herzogs von Lothringen. Ferdinand Maria (1636 bis 1679) vermählte sich mit Henriette Adelaide (1636 bis 1676), deren Vater Herzog Viktor Amadeus I. von Savoyen war. Und an der Seite von Maximilian II. Emanuel (1662 bis 1726) residierte die polnische Königstochter Therese Kunigunde (1676 bis 1730). Alle drei Bräute brachten jeweils ein kleines Gefolge aus ihrer alten Heimat mit nach München. Bei Henriette Adelaide machten die Italienerinnen 27 Prozent ihrer Hofgesellschaft aus, bei Therese Kunigunde die Französinnen 36 Prozent und die Polinnen fünf Prozent. Im Gefolge der Bräute waren nicht nur Hofdamen, sondern auch Priester oder Mönche (als Beichtväter), Musiker, Schneider, Köche und viele andere mehr. Zusätzlich versuchten viele andere Adelige, wenn schon nicht direkt am Hof, eine Anstellung oder zumindest eine bezahlte Aufgabe zu finden und ließen sich in der direkten Nachbarschaft zur Münchner Residenz nieder. Das Kreuzviertel wurde das Viertel der Adelspalais. Schaut man sich die Namen der Besitzer an, die im weiteren Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts dort eingezogen sind, könnte man von Münchens „Little Italy" sprechen: Arco, Simeoni, Minucci, Rambaldi, Porcia, Spreti, Piosasque, Nogarola, Pistorini, Capri, Vacchieri, Cetto, Guidobono-Cavalchini, Triva, Pocci und Maffei. Nehmen wir Allessandro di Maffei heraus: Er lebte ab September 1671 als Page am Münchner Hof und verbrachte den Rest seiner kurzen Kindheit in enger Gesellschaft mit dem gleichaltrigen zukünftigen Kurfürsten Max Emanuel, dem er Zeit seines Lebens eng verbunden blieb. Er machte große Karriere in der bayerischen Armee – wie viele Italiener, die 20 Prozent der Generäle und Obersten unter Kurfürst Max Emanuel stellten. Auch Künstler kamen seit Mitte des 16. Jahrhunderts aus Italien nach München, vor allem über Florenz, das als Hauptstadt der Renaissance gilt.Für diese Kunstentwicklung interessierte sich zuerst Herzog Albrecht V. und nach ihm verstärkt sein kunstsinniger Sohn Wilhelm V. Im Bereich der Musik ist der bekannteste Name der 1532 in den burgundischen Niederlande geborene, aber in Italien geschulte Orlando di Lasso. Er trat 1557 als Musiker in bayerische Dienste und wurde 1563 Leiter der Münchner Hofkapelle wurde. Die Fürstenhochzeit des Thronfolgers Wilhelm V. mit Renata von Lothringen in München am 22. Februar 1568 war ein Höhepunkt für Orlando, der mit der Hofkapelle während der Gottesdienste und bei der Tischmusik auftrat und bei einer Commedia dell’arte-Aufführung mit Erfolg selbst als Schauspieler, Sänger und Lautenist mitspielte. Orlando di Lasso selbst hatte 1558 geheiratet – eine Einheimische: Regina Wagginger, mit der er viele Kinder hatte (die Zahlen schwanken zwischen acht und 16). Seit 1567 wohnte er prominent am Platzl, wo er 1594 verstarb...  (Michael Stephan) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Januar-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 4 vom 23. Januar 2015)

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