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Während der Advents- und Fastenzeit verzichtete man im Stift Kempten seit Mitte des 17. Jahrhunderts strikt auf Fleisch, doch wurde jeweils am Sonntag, Dienstag, Donnerstag und Samstag zweimal, an den übrigen Tagen einmal Fisch serviert, wobei neben heimischen Arten, also vor allem Karpfen, Hechten und sogenannten Raufischen (Speisefisch minderwertiger Arten) auch Hering und Stockfisch auf dem Speiseplan standen. Forellen waren der Prälatentafel vorbehalten. Die in großen Mengen gefangenen Nasen wurden verkauft, ebenso ein Teil der Karpfen. (Foto: Staatsarchiv Augsburg)

08.03.2022

Reichlich Fisch für die Stiftsherren

Fasten ja – aber nicht darben: Die adeligen Benediktiner in Kempten betrieben einst eine intensive Fischwirtschaft

Klöster und Fischzucht gehören seit alters her zusammen. Man hat zwar nördlich der Alpen die in Regel des heiligen Benedikt enthaltene Bestimmung, dass Mönche kein Fleisch vierfüßiger Tiere essen sollten – Geflügel war erlaubt – nie so strenggenommen wie im fischaffinen Mittelmeerraum. Daneben aber gab es ja auch noch allgemeine Kirchengebote über Fleischabstinenz insbesondere in der Advents- und Fastenzeit sowie am Freitag, die ihrerseits unter dem Einfluss des östlichen Wüstenmönchtums entstanden waren. Ordensregeln und consuetudines (Gewohnheiten) für bestimmte Klosterfamilien legten und legen oft noch heute für erhebliche Teile des Kirchenjahrs fleischlose Kost fest.

Die Durchsetzung dieser Regeln war darum immer auch ein Anliegen von Klosterreformern. So auch im Benediktinerstift Kempten, das ausschließlich Adelige als Mönche aufnahm, was schon im 13. Jahrhundert zu einem Verfall der Disziplin geführt hatte. Verarmende Familien des Ritterstands betrachteten das Kloster als eine Anstalt zur Versorgung nachgeborener Söhne mit Pfründen. Nachdem die benachbarte Reichsstadt Kempten sich 1527 der Reformation angeschlossen hatte, stellten die skandalösen Zustände geradezu eine Bedrohung der Existenz der reichen Abtei dar. Erste Reformansätze gab es unter dem von 1535 bis 1557 regierenden Fürstabt Wolfgang von Grünenstein; es dürfte kein reiner Zufall sein, dass er sich auch als Förderer der Fischerei im Stiftsland betätigte. Geradezu ein Fanatiker der völligen Fleischabstinenz war der 1639 gewählte Fürstabt Roman Giel von Gielsberg. Völlig durchsetzen konnte er sich nicht, da der Konvent und dessen adelige Verwandtschaft darauf verwiesen, dass nördlich der Alpen das auch bei ganz gewöhnlichen Benediktinern nicht üblich sei. Aber immerhin legten die Stiftsstatuten von 1650 fest, dass auch außerhalb der Fastenzeiten nur am Sonntag, Dienstag und Donnerstag Fleisch aufgetischt werden sollte. Im Jahr 1723 hat man diese Regel erneut eingeschärft.

Die Fischereiverwaltung

Somit war die Versorgung mit Fischen für die Hofküche des Fürstabts, aus der der Konvent wie die leitende Beamtenschaft des Stiftslandes verpflegt wurden, wichtig.
Wie die klösterliche Fischerei organisiert war, darüber fließen seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts reichlich schriftliche Quellen. Im Jahr 1669 übernahm die Hofkammer als oberste Finanz- und Wirtschaftsbehörde diese Aufgabe; hinsichtlich der Oberaufsicht blieb es dabei bis zur Aufhebung des Stifts 1803. Für die alltägliche Organisation des Fischereiwesens wurde ab 1680 ein „Fischerherr“ ernannt, der sich zwischen die Hofkammer und die Fischereibediensteten schob. Er wurde stets aus dem Stiftskapitel genommen, was zwei Ursachen hatte. Einmal konnte dadurch der Konvent, und zwar gerade in einem Bereich, der die eigenen Lebensbedürfnisse so unmittelbar betraf, durch eines seiner Mitglieder Einfluss auf die Verwaltung des Stiftsvermögens ausüben.

Zum anderen wurde durch derartige Verwaltungsämter, von denen das des Fischerherrn nur eines war, den adeligen Stiftherren die Möglichkeit geschaffen, der benediktinischen Grundmaxime „Ora et labora!“ nachzukommen, ohne für einen Adeligen unstandesgemäße Handarbeit verrichten zu müssen. Da Talent, Vorbildung und Engagement der Patres für diese Ämter aber sehr unterschiedlich ausfielen, war in der stiftischen Verwaltung ganz allgemein Sorge dafür getragen, den geistlichen Herren in der Regel einen weltlichen Bediensteten mit entsprechender Fachausbildung zur Seite zu stellen.

Seit 1702 ist darum auch das Amt eines stift-kemptischen Fischermeisters belegt, es dürfte freilich schon früher einen gegeben haben. Nach der überlieferten Instruktion wurde er aus den Reihen der Fischer gewählt, war also ein erfahrener Handwerker, und seine Aufgaben lagen vor allem im Bereich der praktischen Fischerei. Der Fischerherr dagegen hatte sich vorwiegend um die rechtlichen und administrativen Aspekte zu kümmern, auch wenn er durch seine Instruktion angewiesen war, „die Fischery und deren Wissenschaft selbsten zu besizen und zu erkundigen.“ Er war der Behördenchef eines eigenen, der Hofkammer unterstellten Fischeramts und Vorgesetzter des Fischermeisters, der Fischer und Weiherwarte.

Von den meisten Amtsinhabern ist außer ihrem Namen und der Dauer ihrer Tätigkeit nichts bekannt. Einer jedoch ging derart in seinem Amt auf, dass er wirklich der Leiter des gesamten Fischereiwesens im Fürststift Kempten wurde und uns in seinem Fischereibuch die wertvollste Quelle über deren Entwicklung und Stand hinterlassen hat: Es war der von 1755 bis zu seinem Tod 1785 amtierende Benedikt Freiherr von Schönau. Er war 31 Jahre alt und seit 15 Jahren Mitglied des Konvents, als er das Amt übernahm. Er  stammte aus Säckingen am Hochrhein. Schon als Knabe dürfte er also Fischern bei der Arbeit zugesehen, vielleicht selbst geangelt haben. Jedenfalls ging er seiner Aufgabe in Kempten mit sichtlicher Begeisterung nach. Ein Gehalt stand ihm, da er ja Mönch war, dafür nicht zu. Immerhin bekam er für die Bemühung, den Verhören von Fischfrevlern beiwohnen zu müssen, die Hälfte der Strafgelder. Auch sonst hatte er einige Nebeneinkünfte, an denen er aber zum Teil die Fischer partizipieren ließ.

Ein Vorteil des Amtes war es außerdem für Schönau, dass sich ein Fischerherr „wann Er auf dem Fischen oder in Fischambtl[ichen] Geschäffte begriffen ist, sich wohl auch einen guetten Bissen geschmecken lassen därffe.“

Die monetäre Besoldung der Fischer war übrigens ebenfalls niedrig, aber sie genossen freie Kost von der Hofküche. Dazu bekamen sie Fanggelder, die teils nach Arbeitstagen, überwiegend aber nach der Menge des Fischfangs berechnet wurden. Die Weiherwarte erhielten eine Besoldung in Geld, Hafer und Holz, die ihnen jährlich zu Martini ausbezahlt wurde, sofern sie ihren Pflichten ordentlich nachgekommen waren. Sie waren örtlich ansässige Untertanen, gelegentlich auch stiftische Jäger oder Gutsverwalter, die ihr Amt nebenberuflich ausübten. Ihre Aufgabe war es, die Stauhöhe zu überwachen, bei starken Regenfällen die Abflüsse rechtzeitig zu öffnen, um ein Überlaufen und damit ein Abschwemmen der Fische zu verhindern, sowie die Rechen und die Grenzmarken der Weiher gegen die Anrainer in Ordnung zu halten.... (Gerhard Immler)

Abbildung: Eine besondere Würdigung im Fischereibuch erhielt der Hofküchenmeister Peter Funder, weil er sich darauf verstand, Fische sehr abwechslungsreich zuzubereiten. Auf dem Porträt ist er nicht nur mit verschiedenen großen Fischen, sondern auch mit Froschschenkeln zu sehen (auf einem Spieß). Hat er seine Kunst etwa in Frankreich gelernt? (Foto: Staatsarchiv Augsburg)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in UNSER BAYERN, Ausgabe März/April in der BSZ Nr. 9 vom 4. März 2022

 

 

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