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Die „Birnenförmige“, frisch geerntet. Um deren Rettung (wie auch anderer in Vergessenheit geratenen lokalen Gemüsesorten) kümmert sich der Bamberger Sortengarten – Grünes Erbe Bamberg e.V. Dessen Anlagen kann man zwischen Mai und Oktober immer mittwochs bis sonntags erforschen. (Foto: BSZ)

19.06.2015

Tausendsassa aus der Gärtnerstadt

Jahr der Zwiebel: Über ihren Anbau und die Rekultivierung historischer Sorten in Bamberg

Jeder kennt sie, doch nicht alle vertragen sie. Spätestens, wenn man das Rätsel aus Kindertagen hört „Hat sieben Häut‘, beißt alle Leut‘“, weiß man, um wen es geht: Um die Küchenzwiebel (Allium cepa), das würzende Gemüse, das in keiner Küche fehlt. Ob als angeschmolzene Zwiebelringe auf den Käsespätzle oder als essentieller Bestandteil der Bratensoße, ob gebacken auf pikantem Kuchen oder roh dem Obazden/Gerupften zugesetzt: Jeder Bundesbürger verspeist durchschnittlich sieben Kilogramm Zwiebeln pro Jahr. Die Zwiebel schmeckt den allermeisten Menschen nicht nur, sondern sie hat – auch wenn der eine oder andere Verdauungsprobleme mit ihr hat, neben einem hohen Vitamin-Gehalt auch Heilwirkung. Das allerdings gerät zunehmend in Vergessenheit. Da schadet es nicht, wenn der Zwiebel in diesem Jahre die Ehre zuteil wird, Arzneipflanze des Jahres zu sein. Der Münchner Verein NHV Theophrastus, der die Auszeichnung vergibt, hat sich vorgenommen, die Heilwirkungen des Gewächses in den Fokus zu rücken. Wie beispielsweise ihre zuverlässig appetitanregende Wirkung. Oder die hervorragenden antibakteriellen Eigenschaften, die erklären, dass warme Zwiebelauflagen bei Ohrenentzündungen und bei eitrigen Wunden so heilsam sind. Außerdem wirkt Zwiebelsaft schleimlösend und erweist sich seit Urzeiten als ein probates Hausmittel bei Husten und Bronchitis. Die enthaltenen Flavonoide wiederum wirken sich positiv auf Blutfette, Blutzucker und Blutdruck aus und haben sogar einen antiallergischen Effekt. Dabei gibt es gar nicht die eine Zwiebel, sondern viele Sorten davon, die sich in Form, Größe, Farbe, Geschmack und Inhaltsstoffen unterscheiden. Ganz abgesehen von den weiteren Verwandten, die neben der Küchenzwiebel in die Gattung der Lauch-(Allium-)arten gehören wie Schalotten, Knoblauch, Porree etc. Schon vor rund 500 Jahren bemerkte Leonard Fuchs in seinem „New Kreüterbuch“: „Die Zwibel aber so in unnsern Landen wachsen seind ettlich groß/ettlich klein/an der farb ettlich rot / ettlich weiß / ettlich rund / die anderen lang. Die besten aber seind die runden und von farben rot.“ Und, was den besten Anbauort, angeht, fügt er hinzu: „Die Zwibeln wachsen gern im feysten mürben und feuchten erdtrich. Werden allenthalben in gärten gepflanzt.“ In der Tat gehören seit dem späten Mittelalter Zwiebeln in jeden Küchengarten nördlich und südlich der Donau. Doch es gab in Bayern Gebiete, in denen Zwiebeln lange in größerem Stil angebaut wurden. Im Bamberger Raum waren vom milden Klima und den sandigen Böden her die Bedingungen besonders günstig für den Gemüseanbau. Zudem lag Bamberg vorteilhaft an der Fernhandelsstraße zwischen Nürnberg und Erfurt. Dementsprechend hat die Gärtnerzunft in Bamberg eine jahrhundertelange Tradition. Ihre Spuren sind bis heute in der Bamberger Gärtnerstadt anzutreffen und machen einen wesentlichen Anteil des Unesco-Weltkulturerbes der Stadt aus. Bereits 1444 soll es „auf dem Mose“ südöstlich der Wunderburg den ersten Zwiebelgarten gegeben haben. Die Gärtner bauten auch andere Gemüse an: gelbe und weisse Rüben, Kraut, Kohl und Wirsing, Blumenkohl, Artischocken, Kohlrabi, Kräuter wie Majoran und Anis und vor allem Süßholz, das für lange Zeit der Exportschlager der Stadt war. Neben dem Süßholzanbau war der Zwiebelanbau in Bamberg über Jahrhunderte von besonders großer Bedeutung. Er brachte den Bambergern den Spitznamen „Dswiefeldredä“ (Zwiebeltreter) ein, der sich bis heute gehalten hat. Im Sommer konnte man die Gärtner nämlich oft mit kleinen Brettchen an den Schuhen auf ihren Feldern beobachten. Sie traten die Zwiebelblätter nieder, damit die Zwiebelrosette gut weiterwachsen konnte und nicht alle Kraft der Pflanze ins Kraut schoss. Die Bamberger verlegten sich nicht nur auf den Handel mit dem reifen Gemüse. Schon im 15. und 16. Jahrhundert wurde der Verkauf von Zwiebelsamen zum Aushängeschild. Wie der Kurator des Bamberger Gärtner- und Häckermuseums, Hubertus Habel, publizierte, exportierten die Bamberger Gärtner seit dem 15. Jahrhundert Samen von Zwiebeln und anderen Gewächsen über die Fernhandelsmärkte in Frankfurt und Straßburg. Dabei gelangte der Zwiebelsamen bis nach England. Das belegt beispielsweise der im November 1576 abgeschlossene Vertrag des Londoners Simon Toller mit zwei Bambergern. „Damit die statt Bamberg ihren guten alten namen und berueff, den sie durch ettliche verlohrn, wieder bekomen möchte“, wurde 1611 eine Qualitätskontrolle für das Saatgut eingeführt. In der Tat gab es immer wieder Betrüger, die das Saatgut mit verschimmelter Ware streckten. Das nun eingerichtete „Städtische Samenbeschauamt“, das dieser Praxis ein Ende setzte, arbeitete bis ins Jahr 1795 hinein.
Im Jahr 1620 wurden in Bamberg etwa 255 Zentner Zwiebelsamen erzeugt. Es ist davon auszugehen, dass allein dafür auf etwa 200 ha Zwiebeln angebaut wurden. Hinzu kamen Flächen für die Zwiebeln, die als Gemüse verkauft wurden. Nach dem Ende des 30-jährigen Krieges kam es dann zu Turbulenzen auf dem Zwiebelsamenmarkt. Zwiebelsamen wurden mehr und mehr nachgefragt, und viele Bauern, die wegen der Bevölkerungsverluste ihr Getreide nicht mehr los wurden, stiegen auf Gemüseanbau um und begannen, auch Zwiebeln für die Samengewinnung zu kultivieren. Von 1661 bis 1665 verdoppelte sich der Preis für Zwiebelsamen – doch dann ging es bergab. 1670 wurde ein Dekret verabschiedet, dass nur noch die in der Gärtnerzunft organisierten Gärtner Zwiebeln und viele andere Gemüse für den Handel anbauen durften. Auch den Zunftmitgliedern wurde der Zwiebelanbau reglementiert, dem Gärtner mit den meisten Feldern waren nur noch „vier Butten Samenzwiebeln erlaubt“, dem mit den wenigsten nur noch „eine Butte“. Der Preis erholte sich kurzzeitig, verfiel dann aber weiter und betrug 1688 nur mehr ein Fünftel des Preises von 1661. Man glaubte, dass diese prekäre Situation vor allem den vielen kleinen Händlern außerhalb der Zunft geschuldet sei, die das Saatgut zu Fuß und per Kraxe „auf München, Straßburg, Wien, Hamburg, Danzig, Lübeck, Amsterdam“ und vor allem „ins nahe Nürnberg verführet“. Zur Abhilfe wurden von Stadt und Domkapitel Maßnahmen wie die Errichtung einer professionellen „Handlungssozietät“ erwogen, aber dann doch nicht durchgeführt. Eine Festsetzung des Preises im Jahr 1688 brachte schließlich wieder Beruhigung in den Markt... (Petra Raschke) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Juni-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 25 vom 19. Juni 2015) Abbildungen:
Auf dem Markt in der „Zwiefeltreter“-Hochburg Bamberg gehören Zwiebeln natürlich auf die Verkaufsstände der Gärtnerinnen. Hier eine Aufnahme von 1899. (Foto: Stadtarchiv Bamberg)

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