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In der Kunstkammer der Universität Ingolstadt gab es bereits im 16. Jahrhundert Exotika aus Südamerika wie diese amazonische Federarbeiten, zeitgenössisch als „indianische Weiberhaube“ bezeichnet. Solche Stücke waren außerordentlich gesucht – in Altbayern konnte man sie ansonsten nur in der Kunstkammer des Landesherrn in München finden. (Foto: MFK/Marietta Weidner)

02.11.2018

Wundersame Lehrstücke

Überraschender Nachweis: Nicht nur der Landesfürst, auch die Universität Ingolstadt hatte Exotika in ihrer Kunstkammer

Die Universität Ingolstadt, die im Jahr 1800 nach Landshut und 1826 nach München transferiert wurde, die heutige Ludwig-Maximilians- Universität München (LMU), wies im Bereich ihrer dinglichen Kultur ein Alleinstellungsmerkmal auf: An keiner anderen alteuropäischen Universität gab es bereits im 16. Jahrhundert eine Kunstkammer. Darüber hinaus erhielt die Hohe Schule im 18. Jahrhundert eine zweite derartige Sammlung. In beiden Fällen handelte es sich um Initiativen von Einzelpersonen: Der Augsburger Domherr Johann Egolph von Knöringen (1537 bis 1575) vermachte 1573 der Universität Ingolstadt seine Kunstkammer. Der Ingolstädter Jesuitenpater Ferdinand Orban (1655 bis 1732) überließ seine außerordentlich umfangreiche Sammlung dem dortigen Kolleg, dessen Inventar 1773 mit der Aufhebung des Jesuitenordens der Hohen Schule zufiel. Für beide Bestände existierten eigene Sammlungsgebäude. Die darin aufbewahrten Objekte bildeten den Grundstock der wissenschaftlichen Sammlungen der LMU.

Als Dauerleihgabe ins Museum

In den Münchner staatlichen Museen und Sammlungen, insbesondere im Bayerischen Nationalmuseum und im Museum Fünf Kontinente, lassen sich heute rund 700 Objekte nachweisen, die aus den beiden Kunstkammern der Universität Ingolstadt stammen. Die LMU hatte diese Stücke 1881 diesen Institutionen als Dauerleihgaben überlassen. Seit der Vereinigung der zwei Kunstkammern, bald nach 1773, war mangels entsprechender Verzeichnisse nicht mehr unterscheidbar, was auf Johann Egolph von Knöringen und was auf Ferdinand Orban zurückging.

Aufgrund eines jüngst an entlegener Stelle wiederentdeckten Inventars von 1682 ist es nun doch möglich, die Provenienzen festzustellen. Die meisten Objekte stammen aus der Sammlung Orban, bestimmte Stücke sind aber mehr oder weniger zweifelsfrei auf den Domherrn Knöringen und sein Ingolstädter Stiftungswerk, somit auf das 16. Jahrhundert, zurückzuführen. Im Gründungsbestand waren „Exotika“: Solche fanden sich also während der frühen Neuzeit nicht nur in den Hofsammlungen der Wittelsbacher, sondern eben auch in der Ingolstädter Kunstkammer - ein für den altbayerischen Raum völlig neuer Befund.

Im Inventar von 1682 tauchen beispielsweise „2 indianische Weiberhauben“ auf, wohl identisch mit den beiden amazonischen Federarbeiten des Museums Fünf Kontinente (MFK, Inv.-Nr. Orb-162, 193). Dass solche Kopfbedeckungen nur von Männern getragen wurden, war 1682 in Ingolstadt unbekannt, wie auch allgemein Kenntnisse über Funktion und Herkunft von ethnographischen Objekten in den Kunstkammerinventaren nur rudimentär und pauschal überliefert werden. Dass die beiden Hauben dieses Museums ein erheblich höheres Alter haben als bisher angenommen, kann man daraus schließen, weil sie aus dem Knöringen-Bestand stammen und somit auf das 16. Jahrhundert zurückgehen.

Die meisten Exotika der Sammlung Knöringen, zu denen hier auch fremde Tiere gerechnet werden, sind freilich längst verschwunden. Die folgende Zusammenstellung, die sich am Inventar von 1682 orientiert, vermag immerhin noch einen vagen Eindruck von der seinerzeitigen, zwischen Realität, Fremdheit und Fiktion kaum unterscheidenden Reichhaltigkeit der Ingolstädter Kunstkammer zu vermitteln.

Zentauren und Schnepfen

In der Kunstkammer waren enthalten: eingefasste Kokosnüsse, türkische Pantoffeln, Schüsseln aus Schildkröten, Pfeil und Bogen aus der Türkei, seltsame indianische Gewächse, indianische Nüsse, zerrupfte Federn eines Paradiesvogels, Zweige, an denen Korallen wachsen, türkische Löffel, der Zahn eines Hypozentaurs, eine Meerschnepfe, die Spitze eines Palmbaums, große und kleine Muscheln und Schnecken, Zöpfe aus indianischem Flachs, ein indianischer Baum, die Zunge von einem Schwertfisch, ein junges Krokodil, das Fischlein Remora, ein Chamäleon, eine Meerspinne, eine Meertaube, drei Basilisken und ein basiliskenähnliches Tier, Porträts türkischer Sultane. Das Chamäleon und die Basilisken, hinter denen sich schlicht Eidechsen verbargen, waren auch dem gelehrten Jesuiten Daniel Papebroch aufgefallen, den sein Weg 1660 auf der Suche nach Handschriften für die von ihm wesentlich mitgetragenen „Acta sanctorum“ nach Ingolstadt führte.

Der Untergang der Knöringen-Sammlung hat auch mit ihrer räumlichen Unterbringung am Standort Ingolstadt zu tun. Das ursprünglich für sie gedachte, 1570/71 errichtete Stiftungsgebäude wurde 1586/87 abgerissen, um der neuen Jesuitenkirche Platz zu machen. Die Bestände wanderten daraufhin in das Alte Kolleg, also in jenes Gebäude, das bis 1800 die Hohe Schule beherbergte. Dort verteilte man sie auf einige Kammern, in die es regelmäßig hineinregnete, und auf den Dachboden, wo noch schlimmere konservatorische Verhältnisse herrschten. Allzu viel scheint es also nicht mehr gewesen zu sein, was bald nach 1773 aus dem Alten Kolleg in den Orban-Saal übertragen worden ist.

Mit der Aufhebung des Jesuitenordens hatte die Universität Verfügungsgewalt über dessen Vermögen erhalten, somit auch über die Sammlung Orban und die 1725 für sie geschaffene bauliche Hülle. Auf die Probleme, die sich aus der Vereinigung der Kunstkammern von Knöringen und Orban für Provenienzfragen ergeben haben, wurde bereits hingewiesen. Und es geriet für lange Zeit in Vergessenheit, dass sich im Orban-Saal auch Bestände aus der 200 Jahre älteren Knöringen- Sammlung befanden.

Prächtiges Sammlungsgebäude

Der Orban- Saal war eine Ingolstädter Hauptsehenswürdigkeit. Für den weitgereisten, aus Luxemburg stammenden Jesuiten Franz Xaver Feller (1735 bis 1802), der 1765 die Stadt an der Donau besichtigte, war dieser Saal sogar das prächtigste und größte Sammlungsgebäude, das er jemals gesehen hat. Seine Reiseeindrücke ... (Claudius Stein)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der November/Dezember-Ausgabe von UNSER BAYERN in der BSZ Nr. 44 vom 2. November 2018)

Abbildungen:
Im 18. Jahrhundert erhielt die Universität Ingolstadt eine zweite Kunstkammer – sie ging auf den Jesuiten Ferdinand Orban zurück. An Kaspar Castner, einen Schüler Orbans, erinnerte in dieser Sammlung eine Reihe von Gegenständen, beispielsweise ein komplettes Mandaringewand, das man einer lebensgroßen Puppe angezogen hatte. Erhalten hat sich hiervon nur der Mandarinhut, den Castner auch auf dem hier abgebildeten Gemälde trägt. Die Barttracht verrät, wie gut es die jesuitischen Missionare verstanden, sich den chinesischen Sitten anzupassen. (Fotos: Gymnasialkonvikt Rottweil, Erwin Reiter, MFK/Nikolai Kästner))

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