Unser Bayern

Der Stich zeigt das vielfältige Handwerk des Scharfrichter im Mittelalter. (Foto: SZPhoto)

17.01.2014

Zum Henker!

Serie "Aktenkundig". Züchtigen, foltern, hinrichten: Scharfrichter hatte viele Aufgaben, entsprechend vielfältig waren seine Berufsbezeichnungen

Obwohl seit der römischen Antike der Vollzug von Hinrichtungen dem carnifex oblag – meist waren das Soldaten –, hat das Amt des Scharfrichters, so wie wir es heute verstehen, damit wenig zu tun. Dieses bildete sich erst im 13. Jahrhundert heraus, als sich das Rechtssystem zu professionalisieren begann und das Inquisitionsverfahren den Akkusationsprozess verdrängte. So ist der erste Scharfrichter im Jahr 1276 im Augsburger Stadtrecht genannt. Das passt auch gut in das Gesamtbild zu anderen bayerischen Städten: In München ist der Henker erstmals 1318 erwähnt. Zunächst stammten die Scharfrichter aus einem recht zwielichtigen Milieu. Es kam nicht selten vor, dass eine der ersten Amtshandlungen eines neuen Scharfrichters die Hinrichtung bzw. Verstümmelung seines Vorgängers war. So in München: Der erste namentlich bekannte Henker Haimpert musste 1321 seinen Vorgänger, in den Quellen nur als iugulus, also Halsabschneider belegt, hängen. Ähnliches wiederholte sich 1378, 1381 und 1408 als der „Neue" seinen Vorgänger entweder köpfen, die Augen ausstechen oder aus der Stadt hinausprügeln musste. Bereits aus dieser kurzen Tätigkeitsaufzählung fällt auf, dass der Scharfrichter nicht nur die Todesstrafe vollstrecken musste, sondern auch für körperliche Züchtigungsstrafen aller Art zuständig war: Für die Strafen an „Haut und Haar", zum Beispiel das Ausstäupen (Ausstreichen mit Ruten) oder Auspeitschen ebenso wie für die Strafen an „Hals und Hand", also die schweren Leibesstrafen wie Köpfen, Hängen, Rädern, Handabschlagen, Augenausstechen, Zunge ausreißen oder die Brandmarkungen mit glühenden Eisen. Darüber hinaus gehörte auch das Foltern von Beschuldigten zu seinem Aufgabenbereich. Analog zu diesen Aufgaben schwankte der Berufsname: Es finden sich Bezeichnungen wie „Meister" oder „magister", „Züchtiger", „Carnifex", „Tortor" oder „Tormentarius", häufig „Nachrichter", also der, der nach dem Richter richtet. Die immer wieder zu lesende Bezeichnung „Freimann" rührt allerdings nicht von seinem Handwerk her, sondern umschreibt den sozialen Stand des Betreffenden: Keiner wollte etwas mit ihm zu tun haben, galt der Henker doch als Unehrlich; allein die Berührung konnte unehrlich machen. Doch nicht nur allein der Strafvollzug machte unehrlich. Auch oder vor allem die Nebenbeschäftigungen brachten den Scharfrichtern ihren äußerst zweifelhaften Ruf ein. Sie bezogen kein festes Gehalt – es bemaß sich je nach Verrichtung und darauf abgestimmten Tarifen. Ihr Einkommen besserten sie auf: als Bordellbetreiber, Abdecker, Schinder oder Wasenmeister, deren Aufgabe darin bestand, herrenlose tote Tiere aufzusammeln, zu enthäuten und anschließend zu verscharren. Nicht selten arbeiteten sie auch als „Goldgrübler", „Pappenheimer" oder „Führer", also als Reiniger von Abortgruben. Außerdem hatten sie die unangenehme Aufgabe, die Gehenkten, die zur Abschreckung oft tage-, wochen-, ja sogar jahrelang bis zur Skelettierung an den Galgen blieben, von dort herunter zu holen und zu begraben. Andererseits konnten sich einige Scharfrichter durch ihr Hantieren mit menschlichen Körpern durchaus solides anatomisches Wissen aneignen und sich deshalb als Rossärzte oder auch Chirurgen einiges hinzuverdienen. Weil sie die Produkte ihrer Abdeckereien selbst verwerten durften, hatten sie auch manch „magisches Heilmittel" zur Hand: Hundefett wurde gerne zur Salbung entzündeter Gelenke bei Pferd und Mensch verwendet. Besonders wertvoll und von besonderer Heilkraft sollte das Menschenfett sein; dieses „Armsünderfett" diente bis ins 19. Jahrhundert hinein als Grundlage für Salben gegen Knochen- und Zahnschmerzen sowie gegen Gicht. Ohnehin galt es als Allheilmittel bei allen Krankheiten, die mit Gewichtsverlust einhergingen, wie zum Beispiel Tuberkulose. Totenhände waren aufgrund ihrer geringen Verfügbarkeit sehr begehrt, da die Volksmedizin den abgeschnittenen Hände Hingerichteter – besonders denen von Kindern – die höchste Heilkraft bei Geschwüren, Hautkrankheiten und Rheuma zusprach. Das Streichen mit der Totenhand über die entsprechende Stelle sollte die Krankheit auf die Totenhand übertragen und den Kranken heilen. Auch wenn sich die Entstehung der Unehrlichkeit bei den Henkern nicht mehr zufrieden stellend erklären lässt, führte wohl die Summe all ihrer Tätigkeiten dazu, dass sie außerhalb der bürgerlichen Ordnung standen – wie auch die Bader und Müller. Das bedeutete: Den Unehrlichen war es verboten, sich in Zünften zu organisieren. Sie durften keine öffentlichen Bäder betreten, sich in Wirtshäusern zu anderen Gästen setzen. Sie konnten nicht in geweihter Erde bestattet werden und anderes mehr. So nimmt es nicht wunder, dass auch die Wohnung des städtischen Henkers häufig weit an den Stadtrand gedrängt war, außerhalb des bürgerlichen Wohnbereichs. Als beispielsweise in Landsberg a. Lech 1425 der Bau der neuen Stadtmauer abgeschlossen wurde, lag die Scharfrichterwohnung mitten im Burgfrieden der Stadt, was den Stadtoberen ein Dorn im Auge war: Der Scharfrichter musste ausziehen und sich eine Wohnung am Seelberg, außerhalb des Mauerrings nehmen... (Christoph Bachmann) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Januar-Ausgabe von Unser Bayern (Bayerische Staatszeitung Nr. 3 vom 17. Januar) !

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