Unser Bayern

Anlehnungsbedürftig: Damit es nicht im machtpolitischen Poker zwischen den europäischen Großstaaten unterging, musste sich das Kurfürstentum Bayern einen starken Partner suchen – und entschied sich für Napoleon. Die „Ehe“ wurde mit allen diplomatischen Finessen geschlossen; im Vertrag von Bogenhausen wurde der Bund besiegelt. Fortan musste Napoleon, der Genius Frankreichs, Bayern schützen. Die allegorische Darstellung "Gallia schützt Bavaria" stammt von Marianne Kunst (1805); in der Bayerischen Landesausstellung zeigt das Haus der Bayerischen Geschichte eine Reproduktion des Gemäldes. (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)

24.04.2015

Zwiespältige Allianz

Ein Kurfürstentum im Strudel der großen Weltpolitik: Napoleon brachte Bayern Erfolg, aber auch viel Elend

Es war alles andere als absehbar gewesen, dass Max Joseph, ein Wittelsbacher aus der Nebenlinie Zweibrücken-Birkenfeld, nach dem Aussterben der Hauptlinien Bayern und Pfalz 1799 bayerischer Kurfürst werden würde. Im selben Jahr griff Napoleon Bonaparte, der Spross einer verarmten korsischen Landadelsfamilie, in Paris nach der Macht. Als erster Konsul war er de facto der Alleinherrscher Frankreichs. Und als solcher wirbelte er die europäische Staatenwelt bis 1815 gehörig durcheinander. Und damit geriet auch Bayern in den Strudel der napoleonischen Politik. Als Kurfürst Max IV. Joseph die Regierung in München übernahm, war seine dringlichste Aufgabe, die Existenz Bayerns zu sichern. Das Kernland war von österreichischen, die linksrheinischen Gebiete von französischen Truppen besetzt. Dem Kurfürsten wie seinem Berater und späteren Minister Montgelas war klar, dass eine eigenständige bayerische Politik zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war. Sie mussten sich dem antifranzösischen Bündnis fügen. Mit Österreich teilte daher Bayern 1800 die vernichtende Niederlage bei Hohenlinden gegen die Franzosen. Max Joseph und Montgelas lavierten geschickt: Nach einem Friedensvertrag mit Frankreich (1801) gehörte Bayern beim Reichsdeputationshauptschluss von 1803 zu den Gewinnern, als die weltlichen Fürsten abgefunden wurden, denen im Rahmen der Revolutionskriege Besitz verloren gegangen war. Weite Teile von Schwaben und Franken fielen an Bayern. Als der nächste Krieg mit Frankreich drohte, vollzog der bayerische Kurfürst im Geheimvertrag von Bogenhausen (1805) tatsächlich den Bündniswechsel – und stand damit auf Seiten des Siegers. Napoleon schlug Österreich bei Ulm und Austerlitz vernichtend. Für den Bündnispartner aus Bayern waren weitere Gebietsgewinne (unter anderem Augsburg, Ansbach, Eichstätt und Passau), die Anerkennung der staatlichen Souveränität und die Königskrone die Folge. Als der Herold am 1. Januar 1806 auf den Straßen Münchens verkündete, dass der Landesherr die Königswürde angenommen habe, weilte auch Napoleon in der Stadt. Ein 14 Tage dauernder Festreigen folgte, der in der Hochzeit der Königstochter Auguste Amalie mit Eugène Beauharnais, dem Adoptivsohn Napoleons, gipfelte. Schon längst hatte Max Joseph nach einem passenden Ehemann für seine Tochter Auguste Ausschau gehalten und sich für Prinz Karl von Baden entschieden. Doch man hatte die Rechnung ohne Napoleon gemacht, der die gut aussehende und liebenswürdige Prinzessin aus Bayern für seinen Stiefsohn Eugen Beauharnais auserkoren hatte. Sich selbst brachte er damit in verwandtschaftliche Beziehungen zu einem alten Herrschergeschlecht. Die Hochzeit machte er zu einer der Bedingungen für die Erhebung Bayerns zum Königreich. Lange hatten sich die Prinzessin und ihr Vater gesträubt, schließlich fügten sie sich dem Wunsch Napoleons. Wider Erwarten wurde aus der Zwangsehe eine glückliche Beziehung. Nach seinem Sieg bei Austerlitz rief Napoleon 1806 den von ihm abhängigen Rheinbund ins Leben. Dies bedeutete nach fast 900 Jahren das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Neben Bayern traten 15 weitere deutsche (Klein-)Staaten diesem Bund bei. Er war eine Offensiv- und Defensivallianz. Die Mitglieder mussten im Kriegsfall Truppen stellen. Für ihre Bündnistreue wurden sie mit Gebietsgewinnen belohnt. Bayern erhielt die ehemalige Reichsstadt Nürnberg. An der Seite Frankreichs kämpfte Bayern 1806/07 gegen Preußen und Russland und 1809 gegen Österreich. Mindestens 10 000 bayerische Soldaten kamen ums Leben. 1812 zog ein bayerisches Kontingent von 33 000 Mann mit Napoleon nach Russland – und wurde nahezu vollständig aufgerieben. Die meisten Soldaten waren verhungert, erfroren oder von einer Seuche dahingerafft worden. Am Münchner Karolinenplatz erinnert ein fast 30 Meter hoher Obelisk an diese Katastrophe. Als Napoleons Stern am Sinken war, vollzog Bayern 1813 erneut einen Bündniswechsel, verließ als erster Staat den Rheinbund, der kurz darauf auseinanderbrach, und kämpfte in den Befreiungskriegen mit der antinapoleonischen Koalition. Damit gehörte Bayern wieder zu den Siegermächten. Der Wiener Kongress (September 1814 bis Juni 1815) beendete die französische Vorherrschaft, machte die Eroberungen Napoleons rückgängig und stärkte die Großmächte Preußen, Österreich und Russland. Bayern hatte erneut gewonnen: Es behielt den Königstitel, die Souveränität und bekam viele neue Gebiet. Napoleons endgültiger Untergang wurde schließlich in der Schlacht bei Waterloo (18. Juni 1815) besiegelt. Einerseits war Bayern also im sogenannten Napoleonischen Zeitalter zu einem Königreich mit einer ersten liberalen Verfassung und zu einem modernen, gut organisierten Flächenstaat geworden, der bis heute Bestand hat. Aber der Preis dafür war hoch. Denn andererseits stand am Ende der Epoche ein bankrotter Staat. Und die Folgen der verheerenden kriegerischen Auseinandersetzungen für die Bevölkerung waren entsetzlich. Aus den Jahren 1799 bis 1815 sind zahlreiche eindrucksvolle und ergreifende Zeugnisse überliefert. Denkmäler für Gefallene, Votivtafeln zur Errettung vor den feindlichen Truppen oder für die glückliche Heimkehr, Tagebücher und Erinnerungen von Soldaten, Priestern oder anderen Zeitgenossen, Einquartierungsbelege, Schlachtfeldfunde und Berichte über Plünderungen, Verwüstungen, Vergewaltigungen und vieles mehr erinnern an diese leidvolle Zeit. Von einigen Schicksalen soll hier die Rede sein. Im Taufbuch der Gemeinde Peiting (Landkreis Weilheim-Schongau) finden sich zwei Einträge zu Theresia Karl, der Mutter zweier Töchter. Sie wurde 1799 von einem österreichischen Soldaten vergewaltigt: „Theresia Karl, von einem österreichischen Jäger des [Regiments] Leloup auf der Straße niedergedrückt worden. So schwört es die Geschwängerte." 1801 entehrte sie dann ein Angehöriger der französischen Armee: „Vater ein Franzose, der sie mit Gewalt bedrückte, wie die Mutter Theresia Karl, ledigen Standes von hier aussagt, und ihr ist der Vater unbekannt." Die Versorgung der Armeen ging vor allem auch zu Lasten der Zivilbevölkerung. Zwangseinquartierungen waren an der Tagesordnung. Die Bürde, die beispielsweise der Bierbrauer, Bürgermeister und Hauptmann der Bürgerwehr Aichach, Lorenz Aloys Gerhauser (1768 bis 1837), zu tragen hatte, ist gut dokumentiert. Gerhauser sammelte die Zettel mit den Quartierszuweisungen der bei ihm untergebrachten Soldaten. Alleine von 1796 bis 1802 versorgte er auf eigene Kosten 1700 Offiziere, 11 200 Mannschaften und 11 241 Pferde. Die Gesamtlast der Einquartierungen der Stadt Aichach lag von 1796 bis Februar 1809 bei 18 699 Offizieren, 194 086 Mannschaften und 95 784 Pferden – bei einer Zahl von etwa 220 Häusern. Die hohe Belastung der Stadt ist vor allem durch ihre geographische Lage an der Schnittstelle der Verbindungen München/Donauwörth und Augsburg/Regensburg begründet. Gerhausers Entschädigungsfforderungen waren erfolglos. Wegen der vielen Ansprüche konnten keine Zahlungen vorgenommen werden, hieß es von offizieller Seite. Vollkommen bankrott musste Gerhauser im Jahre 1816 seine Brauerei und den Gasthof verkaufen... (Eva Meier) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Aprilausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 17 vom 24. April 2015)

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