Unser Bayern

Sehen und Gesehen werden im luxuriösen Ambiente: Das Hotel Bellevue wurde 1862 am Münchner Karlsplatz („Stachus“) gebaut. 1914 wurde es in Hotel Königshof umbenannt. Die Aufnahme stammt ungefähr aus dem Jahr 1885.  (Foto: Neumayer/BLFD)

17.09.2010

Zwischen Grandhotel und Gefängnis, Wohnheim und Kaserne

Serie Wohnen in Bayern: Die Architektursprache für Domizile mit seriellem Raumgefüge

Beim „Wohnen auf Zeit" geht es um grundverschiedene Anforderungen: Ein Hotel ist kein Wohnheim und ein Kloster kein Gefängnis. Aber es geht in der Regel ums Wohnen in einem einzigen Raum. Denn die Lust- und Jagdschlösser sind ein anderes Thema, auch jene Villen, mit denen Neureiche adeligen Lebensstil nachzuahmen versuchten: Die Sommerfrische als bürgerliches Pendant zum Landschloss kam im 19. Jahrhundert schwer in Mode. Wer sich keine eigene Villa leisten konnte, zog dann eben in ein Grandhotel. Ursprünglich meinte „Hotel" im barocken Frankreich ein Stadtpalais des Adels, ehe der Begriff auf Gasthäuser mit gehobener Ausstattung überging. Das Grandhotel entstand wenig später. Es ist nicht mehr lediglich eine Übernachtungsstation für Durchreisende, sondern wird selbst zum Reiseziel und Sehnsuchtsort. Anleihen bei der Schlossarchitektur, Luxusausstattung und Personal in Operettenlivree vermittelten den zahlenden Gästen ein aristokratisches Lebensgefühl. „Der Gast soll im Hotel finden, wovon er zu Hause träumt", hieß das Erfolgsrezept von Conrad Hilton (1887 bis 1979). Die Ausstattung mit prunkvollen Salons, Bars, Festsälen, Restaurants, Wintergärten und Terrassen war so umfassend, dass man das Haus während des Aufenthalts nicht zu verlassen brauchte; Ausblicke ersetzten das Naturerlebnis. Das Leben im Grandhotel spielt sich in den öffentlichen Räumen ab; sie sind Laufstege mondäner Selbstinszenierung. „Wenn man in einem eleganten Hotel sitzt, ist man selber elegant", spottete Kurt Tucholsky. Die Zimmer blieben dagegen spartanisch wie Mönchszellen: Einer der Gründe, dass nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich das gesellschaftliche Leben und die Ansprüche veränderten, viele der frühen Grandhotels zusperrten. Kaum ein Haus, das der Baedeker von 1910 im Voralpenland empfahl, hat überlebt. Anders in München. Als König Ludwig I. durch seine Architekten die eher provinzielle Residenzstadt zur Kunstmetropole aufpeppen ließ, dachte er auch an den Fremdenverkehr. „Seine Königliche Majestät wünschen, dass ein bedeutender Gasthof hierher komme", ließ er am 23. August 1836 verlautbaren. Der Industrielle Joseph Anton Ritter von Maffei erwarb mehrere Gebäude am Promenadenplatz, um dort das Hotel „Bayerischer Hof" zu errichten. Ob die Pläne tatsächlich Friedrich von Gärtner lieferte, ist ungewiss. Auch als Maximilian II. einen Weltstadtboulevard in Auftrag gab, durfte ein Luxushotel nicht fehlen. Der Architekt Rudolf Gottgetreu zog aus der Investitionsruine eines Textilfabrikanten an der Maximilianstraße die Luxusherberge „Vier Jahreszeiten" hoch. Als das Haus im Juli 1858 eröffnete, setzte die Ausstattung Maßstäbe. Ein Luxushotel musste ständig neue Trends vorweg nehmen, um das verwöhnte Klientel zu locken. Die Zimmer wurden größer und komfortabler: erst Gasbeleuchtung, dann elektrisches Licht, eigenes Bad, eigener Salon, Telefon, Internetzugang, die eigene Küche in der Suite mit hunderten Quadratmetern Wohnfläche und Vorzimmern für Leibwächter ... Die Aufmöblierung spiegelt die gesellschaftliche Individualisierung mit dem Schwinden sozialer Bezüge wider, bis hin zu dem, was man im Städtebau als „gated community" bezeichnet, bewachte Wohnviertel für Betuchte. Das „Vier Jahreszeiten" bewahrt immerhin die originäre Fassaden in vereinfachter Form, während der „Bayerische Hof" Ende des 19. Jahrhunderts völlig verändert und mit einer Neorenaissancefassade verblendet wurde. Nürnbergs erstes Luxushotel entstand im Jahr 1875 in der Karolinenstraße. Mit ihm begann die Umwandlung des Lorenzer Altstadtquartiers zum Geschäftsviertel. Als die Eisenbahn zum Massenverkehrsmittel aufstieg, eröffneten vis-á-vis vom Hauptbahnhof gleich zwei Luxusherbergen: der im Zweiten Weltkrieg zerstörte „Wittelsbacher Hof" im Jahr 1892 und das bestehende „Grand Hotel" anno 1896. Für die „Stadt der Reichsparteitage" erweiterte Franz Ruff den „Deutschen Hof". Dazu kam ein „neuzeitliches Gästehaus großen Stils" der NSDAP zum Reichsparteitag 1936. Die Fassade des fünfgeschossigen Gebäudes in einem klirrenden Klassizismus lud mit dem angrenzenden Grandhotel als „monumentale Front" den Bahnhofsplatz pathetisch auf. Alle geplanten Großhotels von München bis Bayreuth hätten ähnlich aussehen sollen. Mit exklusiver Ausstattung suchte die Diktatur ihre Modernität vorzuführen. Tatsächlich zeigten sich ausländische Journalisten beeindruckt. Unmittelbar vor Kriegsausbruch entstand das Hotel „Fränkischer Hof" mit 161 Gästezimmern. Daraus wurde nach 1945 das „Hotel Carlton", wobei das Gebäude im Jahr 2001 einem monotonen Neubau wich. Ambitionierte zeitgenössische Hotelarchitektur sucht man in Bayern vergebens. Architekten bedienen sich im Märchenwald der Stilgeschichte: mal Pomp, mal hausbackener Modernismus wie beim Luxushotel auf dem Obersalzberg, das sich als Staatsbetrieb für die Steuerzahler zu einem Millionengrab entwickelt hat. Wie souverän wirkt dagegen noch heute Sep Rufs „Hotel Hilton", errichtet zwischen 1969 und 1972 am Münchner Tucherpark. Die Eleganz und Leichtigkeit des 14-geschossigen Bettenhochhauses in Stahlbeton mit vorgehängten Naturstein- und Leichtmetallfassaden und dem dünnen Dach tritt gerade im Vergleich mit den gleichzeitig gebauten Beton-Bettenburgen „Arabella" und „Sheraton" hervor. Auf einen neuen Trend hoffen Hoteliers, die historische Strafanstalten zu „Gefängnishotels" umfunktionieren. In Amberg sollen Gäste ab 2011 in den Zellen eines Gebäudekomplexes übernachten, der seit 1699 als Gefängnis diente. Hartgesottene können die Todeszelle buchen, in der noch 1935 Verurteilte auf ihre Hinrichtung warteten. Beim Geschmack gibt es bekanntlich keine Grenzen. Der Aufenthalt im Hotel und im Gefängnis sind die gegensätzlichen Formen des Wohnens auf Zeit: Luxus und Konsum einerseits, Zwang, Verzicht und Erziehung andererseits. Eine moderne JVA speist sich architektonisch aus zwei Quellen: Der Bauaufgabe, Gefängnis als Ort sicherer Verwahrung zu sein, und dem „Zucht"-haus, wie im 17. Jahrhundert aus den Arbeits- und Besserungshäusern entstanden. Die Gefängnisfassade sucht mit martialischen Formen einzuschüchtern. Die Grundrissdisposition von Zuchthäusern entwickelte sich aus ihrem Erziehungsauftrag: Besserung durch Arbeit und Gebet, durch Einsamkeit und Einschließen. (Rudolf Maria Bergmann) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der August/September-Ausgabe von Unser Bayern.

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