Wirtschaft

Das Handwerk sucht verzweifelt Lehrlinge. (Foto: Bilderbox)

30.01.2015

Azubis und Facharbeiter händeringend gesucht

Das Handwerk profitiert vom starken Konsum

Von der privaten Konsumerhöhung um 2,1 Prozent in 2014 haben wir als stark binnenmarktorientierter Wirtschaftsbereich überdurchschnittlich profitiert“, betonte Georg Schlagbauer, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), bei der Vorstellung der Konjunkturzahlen. Aber auch die gestiegenen Exporte sowie ein Mehr an Investitionen seien dem Handwerk direkt oder indirekt zugute gekommen, betonte Schlagbauer. „Für 2015 erwarten die Wirtschaftsforscher eine Fortsetzung dieser positiven Entwicklung. Aktuell feuern vor allem der sinkende Ölpreis, die niedrige Inflation und der robuste Arbeits-markt den privaten Konsum weiter an. Mal sehen, wie sich die Unsicherheiten um den Euro, die unter anderem durch den möglichen massiven Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB beflügelt werden, auf das Verbrauchervertrauen auswirken.“
88 Prozent der Betriebe im bayerischen Handwerk bewerteten ihre Lage im 4. Quartal 2014 mit gut oder befriedigend. Damit liegt die Stimmung deutlich über dem Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre (78 Punkte) und hat sich im Vergleich zum Vorjahr um einen Punkt verbessert. Auf das Jahr 2015 blickt das bayerische Handwerk mit Zuversicht: 84 Prozent der Betriebe erwarten laut Schlagbauer in den ersten Monaten gute oder befriedigende Geschäfte. Vor Jahresfrist lag dieser Wert bei 83 Prozent. Die Kapazitäten der bayerischen Betriebe waren im 4. Quartal 2014 zu 80 Prozent ausgelastet. Das entspricht dem Stand des Vorjahrs.
Zum Jahresende 2014 standen bei den bayerischen Handwerksbetrieben durchschnittlich Aufträge für 6,1 Wochen in den Büchern. Damit verringerte sich die Reichweite binnen Jahresfrist um 0,3 Wochen, berichtete der BHT-Präsident. Nach ersten Schätzungen erwirtschafteten die Betriebe im Abschlussquartal 28,2 Milliarden Euro. Dies entspricht im Vorjahresvergleich einem Zuwachs von nominal 0,9 Prozent. Für das Gesamtjahr 2014 dürfte im bayerischen Handwerk nach Schlagbauers Worten ein Umsatz von rund 98,1 Milliarden Euro stehen (+ 2,4 Prozent nominal). „Nach Abzug der Preissteigerung verbleibt ein reales Plus von 0,7 Prozent.“
In den von der amtlichen Statistik erfassten Handwerksunternehmen im Freistaat waren Ende Dezember 2014 rund 889.000 Personen tätig. Im Vergleich zum Vorjahr veränderte sich die Beschäftigung kaum (+ 0,1 Prozent). Im Vergleich zu 2013 stieg die Beschäftigung im Gesamtjahr 2014 um 0,6 Prozent auf durchschnittlich 902.000. Kräftig gestiegene Investitionssumme
Die niedrigen Zinsen haben das Investitionsklima auch im Jahresschlussquartal entscheidend geprägt. Insgesamt führten 34 Prozent der bayerischen Betriebe Investitionsprojekte durch. Vor einem Jahr lag diese Quote nur unwesentlich niedriger (33 Prozent). Die Investitionssumme stieg dagegen kräftig. Insgesamt dürften die Betriebe im 4. Quartal 2014 etwa 850 Millionen Euro für Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen ausgegeben haben, erklärte der BHT-Präsident. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht das einem deutlichen Zuwachs von 4,9 Prozent. Auch für das Gesamtjahr 2014 steht bei den Investitionen ein „üppiges Plus“ von 6,5 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro, so Schlagbauer.
Die Zahl der bayerischen Handwerksbetriebe lag zum 31. Dezember 2014 bei rund 203 000. Das entspricht einem Jahreszuwachs von 0,5 Prozent. Nach vorläufigen Zahlen wurden im bayerischen Handwerk 2014 etwa 26.000 Lehrverträge abgeschlossen, das ist unterhalb des Vorjahresniveaus. Nicht besetzt werden konnten etwa 4700 Ausbildungsplätze, das sind 15,2 Prozent des Gesamtangebots. Das treibt Schlagbauer, wie er sagt, Sorgenfalten auf die Stirn. „Das bedeutet, dass wir noch stärker um Zielgruppen werben müssen, die in der handwerklichen Berufsausbildung bislang unterrepräsentiert sind, wie beispielsweise Realschüler und Abiturienten.“ Diese müssten nicht mit Gewalt in Richtung Hochschule gedrängt werden. Auch das Handwerk biete Jugendlichen mit einem höheren Schulabschluss viele Chancen als Führungskräfte und Betriebsnachfolger.
Derzeit würde man auch verstärkt junge Flüchtlinge ansprechen. Diese sollen nach Sprachkurs und nachgeholtem Schulabschluss das Handwerk zunächst über Praktika kennenlernen und anschließend eine Ausbildung beginnen. Die Bereitschaft zur Ausbildung ist laut Schlagbauer bei den Firmen grundsätzlich vorhanden. Dort habe man aber auch ganz klare Erwartungen. Neben gutem Deutsch und sozialen Kompetenzen zähle dazu auch ein Bleiberecht während und für mindestens zwei Jahre nach der Ausbildung. Speziell das Bleiberecht ist ein Thema, um das sich die Handwerksorganisation, im Schulterschluss mit anderen Wirtschaftsverbänden, kümmern wird, sagte der BHT-Präsident.
2015 dürfte das Umfeld für die bayerischen Handwerker günstig bleiben. Der BHT rechnet mit einem Umsatzplus von nominal 1,4 Prozent. Die Beschäftigung dürfte um rund 0,1 Prozent wachsen. Der zum Jahresbeginn eingeführte gesetzliche Mindestlohn bereitet laut Schlagbauer den meisten Betrieben in erster Linie bürokratische Probleme. „Unsere Betriebe besorgt, dass sie durch die penibel zu führenden Stundennachweise für geringfügig Beschäftigte in allen Branchen und von Arbeitnehmern in Branchen, die vom Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz erfasst werden, wie zum Beispiel die Baubranche, früher oder später ins Visier des Zolls geraten könnten, obwohl sie durch branchenspezifische Mindestlöhne oder Tarifabschlüsse ohnehin Gehälter von mehr als 8,50 Euro pro Stunde bezahlen. Hier muss die Politik nachjustieren, um den bürokratischen Aufwand für kleine und mittlere Betriebe so gering wie möglich zu halten.“
Als Mittel gegen den Fachkräftemangel regte Schlagbauer an, über eine geregelte Zuwanderung nachzudenken: „Da das Asylrecht dafür aber nicht geeignet und auch nicht ausgelegt ist, sollte über ein eigenes Zuwanderungsgesetz nachgedacht werden. Klare Regelungen unter denen Menschen nach Deutschland einwandern dürfen, wären auch ein erster Schritt zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität.“ Nötig ist eine Reform der Erbschaftssteuer Gleichzeitig brach Schlagbauer eine Lanze für die energetische Gebäudesanierung, die natürlich auch ein Konjunkturprogramm für das Handwerk wäre. Allerdings würde man die Förderung auch brauchen, um die angepeilten Klimaziele zu erreichen. Sogar die Bundeskanzlerin habe auf den Selbstfinanzierungseffekt eines solchen Projekts über die Mehrwertsteuereinnahmen hingewiesen. „Von den zusätzlichen Einnahmen für die Sozialkassen ganz zu schweigen.“
Vorsichtig optimistisch ist das bayerische Handwerk bei der Reform der Erbschaftsteuer. In den nächsten Jahren erreichen im Freistaat etwa 37.000 Betriebsinhaber das Rentenalter – das betrifft beinahe jedes vierte Einzelunternehmen im Handwerk. „Der Bestand der Betriebe darf“, so Schlagbauer, „durch die Belastung mit Erbschaftsteuer nicht gefährdet werden. Wichtig ist vor allem, dass die zu erwartenden Modifizierungen bei der Lohnsummenklausel für die Betriebe nicht zu neuen bürokratischen Belastungen führen. Erste Äußerungen aus den Regierungsparteien lassen hoffen, dass es nur zu punktuellen, aufkommensneutralen Nachbesserungen kommt. Daran werden wir die Politik messen.“ (Friedrich H. Hettler)

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