Wirtschaft

Dank seiner Industrie,wie beispielsweise beim Ingolstädter Autohersteller Audi, hat Bayern laut Prognos-Studie nach wie vor gute Zukunftsaussichten. (Foto: dpa)

05.06.2015

Bayern, Baden-Württemberg und Hessen wachsen

Eine Studie zu Europas Wirtschaft im Jahr 2040 und ihre demografischen Herausforderungen

Prognosen sind schwer, besonders, wenn sie sich so weit in die Zukunft richten, wie es die Prognos AG getan hat. Im Auftrag der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft hatte die Schweizer Wirtschaftsforschungsgesellschaft die Ökonomie Europas, Deutschlands und einzelner Bundesländer im 2040 analysiert. Ergebnis: die Bedeutung des Freistaats wächst, die der Bundesrepublik insgesamt nimmt dagegen ab.

Bayern und Baden-Württemberg und der Stadtstaat Hamburg würden 2040 die Wachstumslokomotiven innerhalb Deutschland sein, so eine Aussage der Studie. Aber das Gewicht Deutschlands und der EU in der Weltwirtschaft werde leichter.
„Wenn ich in die Runde schaue, werden wir alle hier im Saal 2040 noch erleben“, sagte der Leiter der bayerischen EU-Landesvertretung Michael Hinterdobler bei der Begrüßung der Gäste. 25 Jahre voraussehen, ist das eigentlich möglich? Je langfristiger die Prognose, desto ähnlicher werde sie der Fata Morgana, hatte der deutsche Chemieprofessor Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger (76) einmal gesagt. Dirk Pollert, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. war anderer Meinung: „Langfristige Prognosen machen Sinn“, sagte er. Und die Prognos AG sieht das natürlich auch so: „(…) es ist uns in 50 Jahren gelungen, die großen Linien der demografischen und ökomischen Entwicklungen in Deutschland und der Welt verlässlich aufzuzeigen“, heißt es im Vorwort der Studie. Viele dieser Entwicklungen zeichneten sich durch eine hohe Bestimmtheit aus und seien auch durch unvorhergesehene Ereignisse nicht leicht aus der Bahn zu werfen.
Michael Böhmer, Chefökonom und Vizedirektor der Prognos AG präsentierte die Ergebnisse des Reports: „Unsere langfristigen Aussagen zeigen, dass Deutschland keinen rosigen, aber soliden Jahren entgegenblicken kann“, Die Wirtschaft der EU werde bis 2020 um jährlich 1,3 Prozent wachsen, im Zeitraum 2020 bis 2030 um zwei Prozent und zwischen 2030 und 2040 um 1,7 Prozent. Die entsprechenden jährlichen Wachstumsraten Deutschlands würden 1,2 Prozent (2012 bis 2020), 1,5 Prozent (2020 bis 2030) und ein Prozent (2030 bis 2040) betragen. Deutschland, im Jahre 2012 noch viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt gemessen am Bruttoinlandsprodukt nach den USA, Japan und China, werde bis 2040 auf Rang fünf herabsteigen, China auf Platz zwei und Indien (2012 Nummer 8) auf Platz drei vorrücken. Die USA würden größte Wirtschaftsmacht bleiben. Der Grund: Die dortige positive Bevölkerungsentwicklung und die Annahme, dass der US-Dollar die Weltwährung bleiben werde. Europas Gewicht in der globalen Wirtschaft werde immer leichter und Deutschland Gewicht in der EU auch. Hauptgrund sei die demografische Entwicklung.

Alterung der Bevölkerung ist ein Problem


Die demografische Entwicklung in Deutschland bremse sein Wirtschaftswachstum. 2040 werde die Bevölkerung der Bundesrepublik kaum größer sein als vor der Wiedervereinigung, trotz der krisenbedingten Zuwanderung, die nicht von Dauer sei. Nicht die Schrumpfung der Bevölkerung sei das Problem, sondern deren Alterung, deren Ursache in den 1930er Jahre liege und mit einem Zinseszinseffekt zu vergleichen sei. „Der Tanker ist in Fahrt und man kann ihn nicht mehr aufhalten“, sagte Prognos-Ökonom Böhmer. Bis 2040 werde die Zahl der über 65-Jährigen in Deutschland gegenüber heute um 42 Prozent ansteigen und die Zahl jährlich der neugeborenen Kinder von heute 675 000 auf 570 000 sinken. Die Verknappung des Faktors Arbeit dämpfe zunehmend das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Zwar gehe das Erwerbsvolumen aufgrund steigender Erwerbsquoten und steigender durchschnittlicher Arbeitszeiten weniger stark zurück, als durch die demografischen Zahlen vorgezeichnet, aber die Löhne und Preise würden steigen und das BIP-Wachstum bremsen, heißt es in der Prognose.
2040 werde es nur noch 1,3 Millionen Arbeitslose in Deutschland geben, heißt es in der Prognos-Studie. Aber das Arbeitsangebot altere und schrumpfe. Ohne umfassende Gegenmaßnahmen steuere Deutschland auf einen massiven Fachkräftemangel zu. Bei konstanter Erwerbsbeteiligung und Arbeitszeit läge die Lücke im Jahr 2020 bei 1,7 Millionen Personen und 2035 bei vier Millionen Personen. Die implizierte Botschaft formulierte Vize-Chef der vbw, Dirk Pollert, in einer an die Bundesregierung gerichtete Forderung so: „Keine Fehlanreize durch Frühverrentung.“
Die demografische Entwicklung mache Arbeit immer teurer ließe die Renten sinken. Der Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung, also die Summe der Beiträge für einen versicherungspflichtig Beschäftigten zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, werde von derzeit 40,2 Prozent auf 47,8 Prozent 2040 steigen. Das Rentenniveau, das heißt das Sicherungsniveau vor Steuern, werde 2040 bei nur noch 42 Prozent liegen.
Prognos erwartet, dass die südlichen Bundesländer die Wachstumslokomotiven der deutschen Wirtschaft bleiben. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen würden mit jeweils 1,5 Prozent jährlichem Wachstum die höchste Dynamik aller deutschen Flächenstaaten aufweisen. Lediglich der Staatstaat Hamburg wachse mehr (1,6 Prozent). Die ostdeutschen Bundesländer mit Ausnahme Sachsens (0,9 Prozent) würden spürbar langsamer wachsen.
2040 werde man wegen der Digitalisierung anders wirtschaften als heute, weshalb die derzeitige Einteilung der Wirtschaft in Sektoren und Wirtschaftszweige nicht mehr zweckmäßig sei. Man müsse in Querschnittsbranchen denken, sagte Prognos-Ökonom Böhmer. Prognos schlägt eine Einteilung in fünf Sektoren und 16 Querschnittsbranchen vor. Die Industrie sei wichtiger einzustufen, als es ihr derzeitig gemessener Anteil an der Bruttowertschöpfung vermuten lasse. Der Grund sei, weil sie mit anderen Branchen eng verflochten sei. „Was ist wichtiger, die Waschmaschine von Bosch oder die Software, die in ihr steckt?“, fragte er, um das Problem zu verdeutlichen. Die Botschaft war klar. In der Industrie liegt die Zukunft. Und hier hat Bayern eine gute Basis. (Rainer Lütkehus)

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