Wirtschaft

Das sogenannte Vectoring bietet Übertragungsgeschwindigkeiten von 100 bis 150 Megabit pro Sekunde. Das ist für 80 Prozent der Anwendungsfälle durchaus ausreichend, meint Gemeindetagspräsident Uwe Brandl. (Foto: Deutsche Telekom)

02.08.2019

"Bei der CO2-Steuer fehlt die politische Weitsicht"

Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetags, über verschlafene Autokonzerne, Wasserstofftechnologie, Mobilfunklöcher und Glasfaserausbau

Hitzewellen, Fridays for Future, Energie-, Verkehrs- und Wärmewende sowie die Doppelmoral der saturierten Wohlstandsgesellschaft – über all diese Themen sprachen wir mit Uwe Brandl (CSU), Bürgermeister der Stadt Abensberg, Präsident des Bayerischen Gemeindetags sowie Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

BSZ: Herr Brandl, was halten Sie angesichts der Klimadebatte von einer CO2-Steuer?
Uwe Brandl: Gar nichts, denn bei der jetzt diskutierten ökologischen Pendlerpauschale als Kompensation für so eine Steuer fehlt die politische Weitsicht.

BSZ: Warum?
Brandl: Weil wesentliche Teile der Bevölkerung vergessen werden. Ältere Menschen sind auf dem Land auf das Auto angewiesen, um zum Arzt oder in den Supermarkt zu kommen. Die zahlen dann die CO2-Steuer voll und ganz. Aber das ist nur ein Aspekt der fehlenden Weitsicht.

BSZ: Was kommt noch hinzu?
Brandl: Menschen, die im guten Glauben, etwas fürs Klima zu tun, vor Kurzem erst ihre Heizanlage von Öl auf Gas umgestellt haben, werden die Gelackmeierten sein. Sie vertrauten darauf, dass Erdgas als Energieträger wesentlich umweltfreundlicher ist. Doch nun sollen sie für diese Investition bestraft werden. Ich glaube, dass es intelligentere Lösungen gibt.

BSZ: Wie sehen die aus?
Brandl: Man nehme nur die gesamte Industrie. Viele Betriebe sind immer noch nicht so energieeffizient aufgestellt, wie es am optimalsten wäre. Oder man nehme den Bereich der alternativen Antriebe. Das E-Auto ist nicht das Allheilmittel. Man muss auch in die Wasserstofftechnologie investieren.

Explosiver Wasserstoff


BSZ: Aber Kritiker verweisen immer wieder auf die große Explosionsgefahr von Wasserstoff.
Brandl: Es gibt technische Möglichkeiten, genau diese Gefahr zu bannen. Ein Unternehmen aus Erlangen vertreibt diese und erfunden wurde sie am Energiecampus in Nürnberg in Kooperation mit der Uni Erlangen.

BSZ: Sie meinen den flüssigen organischen Wasserstoffträger Dibenzyltoluol?
Brandl: Ja. Man sollte jetzt die Chance ergreifen, Bayern zum Kompetenzzentrum für alternative Antriebe zu machen. Die Fahrzeughersteller sollten nicht eine alte Technologie totreiten, bis auch noch der letzte Cent damit verdient wurde. Sie sollten vielmehr jetzt parallel neue Antriebsarten entwickeln. Die Asiaten machen es uns vor. Wenn wir industriepolitisch so weitermachen wie bisher, ist unser Wohlstand ganz schnell verspielt.

BSZ: Die Grünen haben jetzt gefordert, der Deutschen Bahn jährlich drei Milliarden Euro zu geben, damit das Schienennetz ausgebaut wird und mehr Menschen Zug fahren können. Was halten Sie davon?
Brandl: Das ist eine verquere Diskussion. Einerseits den Bau neuer Schienenwege fordern, andererseits gegen den Flächenverbrauch vorgehen. Das bedeutet, dass dann keine neuen Kindergärten oder Schulen mehr gebaut werden dürfen, weil das Flächenverbrauchskontingent durch das Verlegen neuer Gleise bereits aufgebraucht ist. Mir fehlt hier ein weitsichtiges Gesamtkonzept.

Alternative Fahrangebote fürs Land


BSZ: In dieses gehört dann auch der ÖPNV-Ausbau auf dem Land?
Brandl: Ja, aber wir werden kaum neue Buslinien bekommen, weil das einfach zu teuer ist. Schon in den Großstädten ist der ÖPNV defizitär. Wie soll das dann auf dem Land funktionieren? Wir brauchen alternative Angebote. Doch die sind derzeit rechtlich nicht zulässig.

BSZ: Das heißt ein Uber dürfte die Oma nicht zum Arzt fahren?
Brandl: Genau. Denn unsere Gesetzgebung protegiert den Linienbetrieb. Sogenannte On-Demand-Dienste sind nicht erlaubt. Doch genau die wären es. Wenn heute die Oma eine Viertelstunde Weg zum Arzt hat, muss sie vier Stunden früher losfahren, weil sie sonst kein Bus mehr in die Praxis bringt – wenn überhaupt eine Linie verfügbar ist.

BSZ: Wenn man Uber zulässt, hat man aber alle Taxler gegen sich.
Brandl: Man muss den Mut haben, etwas auszuprobieren. Wie bei jedem disruptiven Angebot, wird es erst einmal zu einer Schieflage kommen. Aber der Taxler könnte ja mit anderen Vorzügen punkten.

BSZ: Zum Beispiel?
Brandl: Damit, dass er einen sofort und direkt von A nach B bringt. Auf einen On-Demand-Service muss ich in der Regel länger warten und er hält unterwegs mehrmals, weil er mehrere Fahrgäste dabei hat.

Mobilfunk als Staatsaufgabe


BSZ: Um so einen Service zu buchen, braucht man aber ein Smartphone und damit ein Mobilfunknetz ohne Funkloch. Jetzt wird 5G propagiert, aber bräuchten wir nicht erst einmal flächendeckend 4G?
Brandl: Nicht nur flächendeckend 4G, sondern ein sprachgesteuertes Buchungsverfahren für so einen On-Demand-Service. Denn viele ältere Menschen haben kein Smartphone, wollen auch keins und können damit auch nicht umgehen. Das darf aber nicht dazu führen, dass die Kommunen die Masten aufstellen müssen. Das muss Staatsaufgabe sein, weil dieser wesentlich schneller agieren kann. Kommunen müssen erst umfangreiche Beteiligungsverfahren durchziehen. Was dabei herauskommt kennen wir: Jeder will eine gute Mobilfunkabdeckung, aber keinen Masten vor seiner Nase.

BSZ: Und wie sieht es beim Glasfaserausbau aus? Ist das Vectoring sinnvoll?
Brandl: Mit Vectoring, also der Leistungsverstärkung der alten Kupferkabel, bietet die Telekom Übertragungsgeschwindigkeiten von 100 bis 150 Megabit pro Sekunde. Das ist für 80 Prozent der Anwendungsfälle durchaus ausreichend. Man muss mit Glasfaser eine Parallelstruktur, eine Art Spinnennetz schaffen, an das man dann sukzessive neue Glasfaserkabel anschließt, wenn man die alten Kupferleitungen austauscht.

BSZ: Wer zahlt das?
Brandl: Ich bin mir sicher, dass es ein viertes Förderprogramm geben wird, um Kupferkabel zu ersetzen. Aktuell müssen wir uns noch auf die Schaffung der Glasfasergrundstruktur konzentrieren, wir müssen Geld und die Baukapazitäten sinnvoll einsetzen und erst im nächsten Schritt optimieren.

Bäume gegen Hitze in den Ortszentren


BSZ: Springen wir noch einmal zum Klimawandel zurück. Der Bund Naturschutz fordert jetzt angesichts der Hitzewellen in diesem Sommer, dass alte Bäume in den Ortszentren besser geschützt werden, weil diese eine wesentlich größere Kühlfunktion haben als junge oder gar keine Bäume.
Brandl: Das ist in der Sache richtig. Aber wenn es konkret wird, jammern die Menschen wieder. So ein Baum verliert im Herbst seine Blätter und das macht Dreck, der die Anlieger stört. Insgesamt müsste man viel mehr Aufforsten, um die Erderwärmung zu verlangsamen. Das bedeutet aber, dass man aus Äckern Wälder machen muss. Ob da die Landwirte mitspielen? In der ganzen Klimadebatte schlägt einem ohnehin eine absurde Doppelmoral entgegen.

BSZ: Inwiefern?
Brandl: Jeder meint, sein eigenes Gewissen beruhigen zu können, indem er beim Volksbegehren sein Kreuzerl macht – eigene Verhaltensänderung kommt nicht infrage.

BSZ: Was könnte denn jeder einzelne tun?
Brandl: Mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen. Gerade auf dem Land wird sehr gerne auch noch der letzte Meter mit dem Auto gefahren. Und diejenigen, die jetzt so lautstark eine Besteuerung der Flugtickets fordern, sind vorwiegend in der Partei mit den meisten Vielfliegern organisiert. Die Energie- und Klimawende kann nicht die Politik schaffen, es sind die Menschen, es ist jeder einzelne, der aktiv seinen persönlichen Beitrag leisten muss.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

Kommentare (1)

  1. Markus am 03.08.2019
    Wir meinen, der Herr Präsident des Bayerischen Gemeindetags hat möglicherweise in seinen Darlegungen einen Denkfehler.
    So berücksichtigt er nicht, dass es eine der dringlichsten und vornehmsten Hauptaufgaben der Politik ist, vernünftige sowie zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für das Gemeinwohl zu schaffen bzw. zu gestalten, insbesondere für die Wirtschaft.
    In den vergangenen zwanzig Jahren konnte hierzu ein diesbezüglicher Fast-Stillstand beobachtet werden.
    Stattdessen verwirklichte unsere politische Machtelite einen "schlanken Staat" mit schwerwiegenden und noch anhaltenden negativen Folgen in vielen Lebensbereichen.

    Die heutige Politik kann sich nicht aus dieser Verantwortung nehmen. Und es ist zumindest unfair der Wahlbevölkerung zu suggerieren: "die Energie-und Klimawende kann nicht die Politik schaffen, es sind die Menschen ..." .

    Die politische Machtelite muss sich endlich ihres Wahlauftrags bewusst werden. Es ist zudem der falsche Weg, bei politischem Handlungsbedarf sofort reflexartig auf die Einführung neuer Steuern zu verweisen.
    Das politische Nichstun kann auch durch das Veröffentlichen scheinbarer Gegenargumente nicht gerechtfertigt werden.
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