Wirtschaft

Bis 2025 sollen in Bayern 500.000 neue Wohnungen entstehen. (Foto: dpa)

16.08.2018

Das Bauen von Wohnungen könnte schneller gehen

Vorschläge, die Verfahren zu beschleunigen, gibt es viele, sie müssten nur umgesetzt werden

Trotz ehrgeiziger Bauprogramme von Bund und Freistaat kommt der Wohnungsbau nur schleppend voran. Die langen Genehmigungsverfahren sind die größte Baubremse, meldet der VdW Bayern (Verband bayerischer Wohnungsunternehmen). Drei Jahre beträgt im Schnitt die Bauzeit bei den 471 Mitgliedsunternehmen des Verbands. Andere Bauherrn sind auch nicht viel schneller.

Wenn im Freistaat die Wohnungsnot gemildert werden soll, hilft nur bauen, bauen und abermals bauen. Doch schon in der Phase von der Planung bis zum Bezug des Gebäudes kommt es oft zu Verzögerungen. Das ist aber nicht immer so. Es kommt auf das jeweilige Bauvorhaben und die Grundstücksfläche an.

„Ein behördliches Genehmigungsverfahren, sofern überhaupt eine Baugenehmigung erforderlich ist, läuft nicht über den ganzen Zeitraum von der Planung bis zur Fertigstellung. Hier muss man schon genau auf die Definition achten“, erläutert eine Sprecherin des bayerischen Bauministeriums der Staatszeitung.

Es gibt noch viel Beschleunigungspotenzial


1. Freistellungsverfahren:
Für Wohngebäude, die keine Sonderbauten sind (also keine Hochhäuser mit einer Höhe von über 22 Metern), findet, wenn sie im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans der Standortgemeinde verwirklicht werden sollen, das sogenannte Genehmigungsfreistellungsverfahren statt. Im Genehmigungsfreistellungsverfahren kann, wenn das Vorhaben dem geltenden Bebauungsplan entspricht, vier Wochen nach Einreichen der vollständigen Unterlagen bei der Gemeinde mit dem Bau begonnen werden. Eine schnellere Möglichkeit des Baubeginns ist kaum darstellbar. Diese Möglichkeit besteht allerdings nicht, wenn Vorhaben sich nicht an die Festsetzungen der Bebauungspläne halten.

2. Ist eine Baugenehmigung erforderlich, gilt: Bis zur Hochhausgrenze wird eine Baugenehmigung für Wohngebäude im sogenannten vereinfachten Verfahren erteilt. In diesem wird nur Bauplanungsrecht, kommunales Satzungsrecht und, ab 1. September 2018, das Abstandsflächenrecht geprüft. Für das Erteilen von Baugenehmigungen sind in Bayern die unteren Bauaufsichtsbehörden (Landratsämter, kreisfreie Städte, Große Kreisstädte und einige ausgewählte kreisangehörige Gemeinden) zuständig. Insgesamt gibt es in Bayern 138 untere Bauaufsichtsbehörden.

„Eine Erhebung der Genehmigungszeiten durch uns erfolgt nicht, zumal jeder Landrat, jeder Oberbürgermeister und jeder Bürgermeister auf kurze Verfahrensdauer achtet“, betont die Sprecherin des Bauministeriums. Bei den Landratsämtern ist zudem durch das nach § 36 Baugesetzbuch (BauGB) – ein Bundesgesetz – erforderliche gemeindliche Einvernehmen ein Zeitraum von zwei Monaten gesetzt. „Zwei Monate dürfen sich die Gemeinden nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB Zeit nehmen, um das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden“, so die Sprecherin.

Im Übrigen hängt die Laufzeit eines Bauantrags von vielen Faktoren ab, auf die die unteren Bauaufsichtsbehörden nur bedingt Einfluss haben. Hier nur einige Punkte:
• Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen;
• mögliche, durch das Vorhaben aufgeworfene Fachfragen (zum Beispiel Lärmschutz), die gutachtliche Feststellungen erfordern;
• mögliche Einwände von Nachbarn (oft bei Nachverdichtung in städtischen Räumen ein Thema).

„Richtig ist, dass aber auch das bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren selbst noch Beschleunigungspotenzial hat“, so die Ministeriumssprecherin. Deshalb habe Bayerns Bauministerin Ilse Aigner (CSU) ein Pilotprojekt mit ausgewählten Landratsämtern gestartet, in dem das bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren digitalisiert werden soll. Auf Grundlage der Erfahrungen aus dem Pilotprojekt soll dann in allen Bauaufsichtsbehörden das Verfahren digital geführt werden. „Derzeit erfolgt gemeinsam mit dem Innovationsring des Bayerischen Landkreistages die Auswahl der Projektlandratsämter. Aus dem, Pilotprojekt wollen wir lernen und unsere Erkenntnisse dann in weitere Überlegungen dazu einfließen lassen“, erläutert die Sprecherin.

Doch nicht nur Digitalisierung ist gefragt. So sehen zum Beispiel die Bayerische Ingenieurekammer-Bau und der Bayerische Bauindustrieverband erhebliches Beschleunigungspotenzial durch den Einsatz eines Projektmanagers. „Viele Gemeinden tun das schon, aber noch nicht alle“, sagt Werner Weigl, 2. Vizepräsident Bayerische Ingenieurekammer-Bau, zur Staatszeitung.

Aber in den Gemeinden fehlt laut Bayerischem Bauindustrieverband auch häufig qualifiziertes Personal, weil die öffentliche Hand nicht die Gehälter bezahlen kann wie die freie Wirtschaft. Darum schlägt der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) vor, dass bei Großprojekten hochqualifizierte Projektmanager als hochbezahlte Top-Kraft das Projekt energisch durch die Vielzahl beteiligter Stellen führen sollten. Dabei soll der Projektmanager gebündelte Kompetenzen bekommen und direkt an die Verwaltungsspitze sowie das Kommunalparlament berichten. In der Kompetenz des Projektmanagers müsste dann zum Beispiel die Ansetzung eines Konzentrationstermins stehen, an dem alle an der Planung beteiligten Stellen teilnehmen und an dem Planungsentscheidungen ge-meinsam getroffen werden. Bei Nichtteilnahme einer Fachbehörde soll das Antragdetail als genehmigt gelten. Der Projektmanager sollte auch hier für eine frühzeitige und kontinuierliche Beteiligung sorgen. Zwischenergebnisse, auf denen man aufbauen kann, sollten verbindlich festgehalten werden. Zudem schlägt der ZIA eine Incentivierung des Personals für schnellere und qualifizierte Bearbeitung einer Baugenehmigung vor.

Vorhandene Spielräume ausnutzen

Auf diese Weise würden vorhandene Spielräume ausgenutzt, was sich normale Verwaltungsmitarbeiter aus Sorge vor rechtlichen und politischen Konsequenzen nicht trauen. Ursachen für die Nichtnutzung der Freiräume sind laut ZIA Angst, Mängel in der Ausbildung und Personalabbau.

Eine weitere Stellschraube zur Beschleunigung der Bauverfahren ist laut ZIA die Unterstützung der Kommunen bei der Erstellung von Bebauungsplänen (B-Plan). Aktuell dauert die Erstellung eines B-Plans laut ZIA in der Regel länger als ein Jahr. Gründe hierfür seien unter anderem:
• ein langwieriges Rechtsprüfverfahren statt eines Abwägungsverfahrens;
• Durchführung des B-Plan-Verfahrens selbst für kleinste Bauvorhaben;
• eine nicht ausreichende Besetzung in den kommunalen „Bau“-Behörden
• sowie oftmals langwierige und ausufernde Bürgerbeteiligungsprozesse.

Darum schlägt der ZIA vor, die Erstellung der B-Pläne an externe Büros zu vergeben. Dies hätte unter anderem den Vorteil, dass die Finanzierung der Vergabe an Externe über ein Modell von „Beratungsgutscheinen“ (Bund an Städte) gewährleistet werden könnte, ohne dass die Kommunen selbst stark in neues Personal investieren müssten. An diesem Modell könnte auch die Immobilien- und Bauwirtschaft über einen Bauplanungsfonds beteiligt werden. „Wir unterstützen einen Fonds zur Aus- und Weiterbildung und fördern die Jobvielfalt in verschiedenen Berufsfeldern der Stadt- und Regionalplanung und der Immobilienwirtschaft. Damit bieten wir den Kommunen Hilfe im ,war for talents’ um die besten Köpfe“, heißt es im ZIA-Dokument „28 Vorschläge des ZIA zur Beschleunigung bei Stadtentwicklung, Planung und Bau“ (das ZIA-Dokument mit allen 28 Vorschlägen ist im Internet zu finden unter: https://www.zia-deutschland.de/fileadmin/Redaktion/Positionen/PDF/28_Punkte_des_ZIA_fuer_Planungs-_und_Baubeschleunigung.pdf

Es gibt also durchaus Ansätze, das Bauen zu beschleunigen. Dann gelingt es vielleicht auch, die vom Freistaat gesetzte Zielmarke von 500.000 neuen Wohnungen bis 2025 zu erreichen. „Hierzu muss das Bauen in den Kommunen zur Chefsache werden“, fordert Hans Maier, Verbandsdirektor des VdW Bayern. „Wir brauchen ein Miteinander von Wohnungsunternehmen und Baubehörden“, so Maier. Er sieht aber nicht nur die Kommunen in der Pflicht. Von der Bundesregierung erwartet der VdW Bayern flexiblere Baustandards, damit das Bauen schneller geht.

Jetzt sind also Bundes- und Landespolitik am Zug, schnellstmöglich entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die vielen Vorschläge und damit auch das schnellere Bauen Realität werden. Dass Bayern entsprechende Pilotprojekte auf den Weg bringt, ist sicher vielversprechend. Doch auch die Staatsregierung muss noch mehr Gas geben, um gerade den äußerst prekären Wohnungsmarkt zu entspannen.
(Ralph Schweinfurth)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.