Wirtschaft

11.02.2011

Der Club der alten Herren

BSZ-Umfrage: Weniger Frauen in bayerischen DAX-Aufsichtsräten als im Bundesdurchschnitt

Lediglich 17 von 132 Aufsichtsratsmitgliedern der acht bayerischen DAX-Konzerne sind Frauen. Damit ist deren Anteil sogar noch niedriger als im Bundesdurchschnitt. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) lehnt eine gesetzliche Quote allerdings nach wie vor ab. Stattdessen müssten Frauen konkrete Angebote gemacht werden, damit sie Familie und Beruf besser vereinbaren könnten. Den Frauen im Freistaat bleibt der Weg in die Spitzenpositionen der Wirtschaft noch immer versperrt. Das ergab eine Umfrage der Staatszeitung unter den acht bayerischen DAX-Unternehmen. Lediglich 17 von 132 Aufsichtsratsmitgliedern der acht Konzerne sind Frauen. Das entspricht einem Anteil von 12,9 Prozent.
Die Kontrollgremien der großen Aktiengesellschaften zwischen Isar und Main haben damit sogar noch weniger weibliche Mitglieder als der Durchschnitt aller 30 im Deutschen Aktiendindex vertretenen Firmen. Bundesweit liegt die Quote bei 13,6 Prozent – damit ist nicht einmal jedes siebte Aufsichtsratsmitglied in der Republik eine Frau.
Noch miserabler ist es um die Gleichberechtigung in den Chefetagen bestellt: In sieben DAX-Konzernen des südlichsten Bundeslands sitzt keine einzige Frau im Vorstand. Lediglich bei Siemens sind zwei von acht Posten des Führungsgremiums an Frauen vergeben. Damit liegt ausgerechnet ein Elektronikkonzern bundesweit an der Spitze.
Keine einzige Frau findet sich dagegen im Vorstand und im Aufsichtsrat des Münchner Chemie-riesen Linde. Beim Maschinenbauier MAN sitzt nur eine Frau neben 16 Herren im Aufsichtsrat. Selbst bei den Versicherungsriesen, bei denen traditionell sehr viele Frauen arbeiten, schaffen es nur wenige Auserwählte an die Spitze. Besser sieht es dort allerdings in der zweiten Reihe aus: So ist laut einer Firmensprecherin ein Viertel aller Allianz-Führungskräfte weiblich. Und bei der Munich Re kletterte die Quote nach Konzernangaben allein 2009 von 20,7 auf 23,2 Prozent. „Wir wollen den Anteil von Frauen in Führungspositionen sukzessive erhöhen“, sagt Eva-Maria Gose-Fehlisch, Sprecherin des weltweit größten Rückversicherers.
Zum Vergleich: Bei MAN sind derzeit nur 7 Prozent der Führungsposten mit einer Frau besetzt. Doch sei die Tendenz „steigend“, versichert ein Sprecher. So unterstütze MAN diverse Förderprogramme. Bei Siemens heißt es dagegen nur: „Wir reden nicht über das Thema. Wir haben bereits gehandelt.“
Die meisten Konzernlenker sehen dagegen bislang wenig Handlungsbedarf: Neben Siemens residiert lediglich in zwei der wichtigsten im deutschen Börsenindex vertretenen Firmen noch eine Frau in der obersten Führungsetage. Während in Bayern 4,4 Prozent der Vorstandsmitglieder weiblich sind, liegt die Quote bundesweit sogar nur bei 2,1 Prozent.
Die Gewerkschaften fordern deshalb eine Frauenquote – zumindest für die Spitzengremien der Unternehmen. „Wir brauchen eine gesetzliche Quote für die private Wirtschaft. Nur so werden Frauen in der männerdominierten Wirtschaftswelt entsprechend ihren Fähigkeiten in Spitzenpositionen rücken“, ist Christiane Berger, stellvertretende Chefin des DGB Bayern, überzeugt.
Sie verweist auf „gute Erfahrungen“ mit der bereits seit dem Jahr 2000 im Betriebsverfassungsgesetz festgelegten Frauenquote für Betriebsräte. Daran solle sich die private Wirtschaft ein Beispiel nehmen.
Die Aussage ist pikant. Denn auch auf den Bänken der Arbeitnehmerseite in den Aufsichtsräten nehmen nach wie vor zu wenige weibliche Spitzenkräfte Platz.
Nur neun Arbeitnehmervertreter in bayerischen DAX-Kontrollgremien sind derzeit im Freistaat Frauen. Bundesweit fällt die Wahl dagegen weit häufiger auf das angeblich schwache Geschlecht.
Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), lehnt eine gesetzliche Lösung dagegen ab: „Die Unternehmen in Deutschland brauchen und wollen mehr Frauen in Führungspositionen. Per Gesetz – ob mit einer verbindlichen oder mit einer flexiblen Quote – mehr Frauen in Führungspositionen bringen zu wollen, ist jedoch der falsche Weg“, ist er überzeugt.
Deutschland brauche „keine bürokratische, staatlich verordnete Personalpolitik, sondern konkrete Angebote für junge Frauen, damit sie ihre guten Bildungsabschlüsse in der Arbeitswelt nutzen und gleichzeitig Familie und Beruf besser vereinbaren können“.
Auch die von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder geforderte Selbstverpflichtung der Wirtschaft zu einer Frauenquote lehnt er ab. Eine solche staatliche Vorgabe schränke die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ein und löse den Kern des Problems nicht, ist Brossardt überzeugt. Auch die Liberalen sind anders als SPD, Linke, Grüne und Teile der Union strikt gegen eine Quote.
(Tobias Lill)

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