Wirtschaft

Bäder sind dauerhafte Verlustbringer in den Kommunen. Aber der Bürger will diese Serviceleistung. (Foto: Bilderbox)

01.10.2010

Der Feind sitzt in Berlin

Das Bundesfinanzministerium konterkariert Gesetze, die die Kommunen entlasten sollen

Unsere Sparkassen und unsere Stadtwerke sind bedeutende Steuerzahler“, sagt Regensburgs Oberbürgermeister und Bayerns Städtetagsvorsitzender, Hans Schaidinger (CSU), beim Kommunalforum 2010. Deshalb gerieten sie immer wieder ins Visier  des Bundesfinanzministeriums (BMF), das Gesetze des Bundestags, die zugunsten von Städten und Gemeinden verabschiedet wurden, mit Erlassen so verschärft, dass sie zu ungunsten der Kommunen wirken. Thema des in Kooperation mit dem Bayerischen Städtetag, der Landesgruppe Bayern im Verband kommunaler Unternehmen und den LKC-Rechtsanwälten aus München veranstalteten Forums in Pullach war „Kommunalwirtschaft im Fokus des Steuerrechts: Querverbund, verdeckte Gewinnausschüttung und Vorsteuerabzug“.
Die kommunalen Unternehmen bringen laut Schaidinger gewichtige Einnahmen nicht nur im Körperschafts- und Umsatzsteuerbereich für Bund und Länder, sondern auch für die Kommunen selbst im Bereich der Gewerbesteuer. Wegen dieser Besonderheit, dass die kommunalen Betriebe Steuern bezahlen, die zum Teil auch ihren kommunalen Müttern zugute kommen, sei das Thema der Besteuerung der Städte und Gemeinden durchaus zwiespältig. In der Kommune seien diese Steuereinnahmen natürlich willkommen. „Sie belasten die Kommune aber dann, wenn ihre Betriebe im Bereich der Daseinsvorsorge besonders besteuert werden“, so Bayerns Städtetagspräsident.
Deshalb gehe es den Kommunen nicht um eine Privilegierung gegenüber der Privatwirtschaft, sondern um eine Gleichbehandlung. Diese sei oftmals dort nicht gegeben, wo kommunale Unternehmen teilweise im Wettbewerb mit privaten Anbietern stehen und auch Gewinne erwirtschaften. „Und zum anderen geht es vor allem darum, dass Kommunen und ihre Betriebe dort, wo sie in der Daseinsvorsorge Leistungen erbringen, die keine Gewinne abwerfen, sondern dauerhaft Verluste mit sich bringen, wenigstens ihre Steuerlast minimieren können“, so Schaidinger.
Bislang unterliegen kommunale Unternehmen der Umsatzsteuerpflicht, soweit sie Wirtschaftsgüter wie Strom oder Trinkwasser produzieren oder liefern, erläutert Schaidinger. Für die Trinkwasserversorgung gelte dabei der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent. „Alle anderen hoheitlichen Aufgaben in der Daseinsvorsorge, die dem Gemeinwohl dienen, sind von dieser Steuer befreit – also zum Beispiel Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung.“ Denn hier gehe es nicht vorrangig um die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr, sondern um die ordnungsgemäße Entsorgung umweltbelastender und gefährdender Stoffe als kommunale Aufgabe. „Diese Bereiche müssen auch weiterhin von der Umsatzsteuer befreit bleiben, weil sonst der Bürger doppelt bezahlen müsste“, erklärt der Städtetagsvorsitzende. Schon jetzt würden bei kommunalen Abfallentsorgern im Gegensatz zur privaten Entsorgungswirtschaft sämtliche Investitionen besteuert werden. „Die Kommunen sind hier nicht vorsteuerabzugsberechtigt und die Bürger zahlen diese Umsatzsteuer durch ihre Müllgebühren.“ Würde die Bundesregierung auch noch die Müllgebühren umsatzsteuerpflichtig machen, würde der Bürger zweimal zur Kasse gebeten.
Eine unverzichtbare Säule zur Finanzierung der Aufgaben der Daseinsvorsorge ist laut Schaidinger der steuerliche Querverbund mit einem bundesweiten Finanzvolumen von 1,4 Milliarden Euro im Jahr. „Hier stellen die steuerrechtlichen Anforderungen an die wirtschaftlich-technische Verflechtung, insbesondere bei den Bädern, zu hohe Hürden dar“, sagt Schaidinger. Mit dem Querverbund könnten die Fahrpreise für Bus und Straßenbahn sowie die Eintrittsgelder für die Bäder sozialer gestaltet werden. Diese Aufrechnung von Gewinnen und Verlusten einzelner Unternehmenssparten der öffentlichen Hand ist seit Jahrzehnten bewährte Steuerpraxis. Auch in der Privatwirtschaft sind Aufrechnungen von Gewinnen und Verlusten innerhalb der Unternehmen üblich. „Erfreulich ist deshalb, dass der Querverbund durch das Jahressteuergesetz 2009 gesichert werden konnte. Allerdings wird dies vom Bundesfinanzministerium durch Erlasse wieder relativiert“, verdeutlicht Schaidinger. Es könne nicht Aufgabe des BMF sein, den Querverbund in einigen Bereichen unmöglich zu machen.
Schaidinger macht dies an drei Beispielen deutlich. So können drei Gruppen von Betrieben zusammengefasst werden:
• gleichartige Betriebe gewerblicher Art
• Betriebe gewerblicher Art, zwischen denen eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht vorliegt
• die so genannten Katalogbetriebe, also Versorgungs-, Verkehrs- und Hafenbetriebe.
Das BMF verlangt aber das zusätzliche Kriterium, dass der zusammenfassende Betrieb „von einigem Gewicht“ für den Querverbund ist. Das wird laut Schaidinger problematisch, wenn beispielsweise ein kleiner Bäderbetrieb und sein entsprechend kleines Blockheizkraftwerk mit einem großen Versorgungs- und Verkehrsverbund zusammengefasst wird. Bisher war das ohne Schwierigkeiten möglich. Seit das BMF das zusätzliche Kriterium eingefügt hat, wird die Zusammenfassung unzulässig.
Mit dem Jahressteuergesetz 2009 hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine Liste von so genannten begünstigten Dauerverlustgeschäften definiert. „Das ist grundsätzlich zu begrüßen“, sagt Schaidinger. Aber es seien wichtige kommunale Aufgaben mit Dauerverlusten nicht in die Liste übernommen worden. Es fehlen zum Beispiel Messegesellschaften, Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Stadthallen, Wochenmärkte und Tourismusförderung. Gerade Tourismusförderung oder der Stadthallenbetrieb gehören zu den unverzichtbaren Leistungen von Kommunen, wo kaum kostendeckende Erlöse berechnet werden können.
Außerdem kritisiert Schaidinger die praxisferne Fiktion der Betriebsaufspaltung. „Führt ein an einen Betreiber verpachteter Kiosk oder kleiner Gastronomiebetrieb innerhalb eines dauerdefizitären kommunalen Schwimmbades etwa dazu, dass das Schwimmbad aus der Begünstigung herausfällt, weil der Kioskpächter natürlich für seinen Betrieb Gewinn erzielen will?“, fragt Schaidinger. Er kann sich keine kommunalen Bäder, Krankenhäuser oder Sportanlagen ohne eine solche Bewirtschaftung vorstellen. „Wenn das aber dazu führt, dass all diese Verlustgeschäfte künftig als eine verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden sollen, können wir diese Einrichtungen nicht weiterführen“, macht Schaidinger deutlich.
Schwimmbäder seien aber auch in anderer Hinsicht Problemkinder. Das BMF ordne ein Schulschwimmbad zu Recht als hoheitliches Dauerverlustgeschäft ein. Das sei beim reinen Schulschwimmsport unproblematisch. Strittig werde die Frage aber bei der Aufteilung eines Schwimmbades mit öffentlichem Bäderbetrieb und Schulschwimmen. „Das wird zu einem erheblichen Aufwand beim Zuordnen und Aufteilen der Kosten führen“, prophezeit Schaidinger. Findet dieses Schulschwimmen dann in einem Bad statt, das in einem Querverbund mit einem Versorgungsbetrieb enthalten ist, seien wegen der dann fehlenden Verrechnungsmöglichkeit der anteiligen Verluste aus dem Schulschwimmen wiederum steuerliche Mehrbelastungen im Querverbund zu befürchten.
Ein weiterer Bereich, in dem das BMF den finanziell sowieso schon gebeutelten Kommunen zusätzliche Lasten auferlegt, ist laut Schaidinger die „steuerliche Wirkung der Mehrerlösabschöpfung“. Unternehmen und Kommunen fehlen heute Einnahmen, weil aus der Mehrerlösabschöpfung in der Regulierung handelsrechtlich nötige Rückstellungen steuerrechtlich vom BMF nicht anerkannt werden, so der Städtetagsvorsitzende. Wichtig aus Sicht der Kommunen sei, dass die Unternehmen vor zwei Jahren handelsrechtlich Rückstellungen für die Mehrerlösabschöpfung bilden mussten und dieses Geld ihren Kommunen nicht ausschütten konnten. Der VKU geht bundesweit von Rückstellungen im Gesamtwert von 3 Milliarden Euro aus. „Dafür kann das Bundesfinanzministerium nichts“, sagt Schaidinger. Aber heute fordere das BMF wegen der steuerlichen Nichtanerkennung genau dieser Rückstellungen die Steuerzahlung. Somit fehle den Kommunen mitten in den Auswirkungen der globalen Finanzkrise noch einmal Geld – etwa eine Million Euro für eine mittelgroße Stadt. „Dieses Vorgehen ist im Übrigen mit den oberen Finanzbehörden der Länder abgestimmt“, verdeutlicht Schaidinger.
Leider konnte Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) wegen dringender Haushaltsberatungen nicht am Kommunalforum 2010 in Pullach teilnehmen. Seine Sicht der Dinge wäre durchaus aufschlussreich gewesen.
Spannend wäre seine Reaktion auch auf die von Franz-Stephan von Gronau von den LKC-Rechtsanwälten vorgetragene Kritik an den Finanzbehörden gewesen. Denn laut von Gronau befindet sich ein kommunaler Betrieb, der dauerhaft defizitär ist in einem Spannungsfeld zwischen EU-Beihilferecht und Umsatzsteuerpflicht. Damit keine Steuer auf die Verluste anfällt, hat er zwar für Städte und Gemeinden einen „goldenen Mittelweg“ skizziert, aber eine rechtsverbindliche Auskunft, habe er vom Bundesfinanzministerium nicht bekommen. Eine Kommune müsse jeden Einzelfall bei ihrem zuständigen Finanzamt vortragen und dort eine verbindliche Auskunft erfragen. „Die Finanzverwaltung ist verpflichtet, Rechtssicherheit zu geben“, betont von Gronau.
(Ralph Schweinfurth)

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