Wirtschaft

Der Bahnhof Fürth-Unterfarrnbach wird barrierefrei ausgebaut. (Foto: Wraneschitz)

12.11.2021

Die Bahn im Baurausch

In den nächsten Jahren werden vier Milliarden Euro in Nordbayerns Schienenverkehr investiert

Vor genau 30 Jahren kam „Das Schweigen der Lämmer“ ins Kino. Im fünffach oscarprämierten Hollywood-Thriller nach einer Romanvorlage bringt Jodie Foster als junge FBI-Agentin mithilfe des von Anthony Hopkins gespielten Menschenfressers und Psychiaters Hannibal Lecter einen Serienmörder zur Strecke. Strecke: Das ist das Stichwort für den fast genauso alten Thriller, um den es hier unter anderem geht: Den sogenannten „S-Bahn-Verschwenk“ von Fürth. Anfang der 1990er-Jahre hatte nämlich die damals eng vernetzte mittelfränkische „Städteachse“ Nürnberg, Fürth und Erlangen vor, mitten im Gemüseanbaugebiet Knoblauchsland einen gemeinsamen Technologiepark zu bauen. Zur Erschließung sollte die damals ebenfalls noch geplante S-Bahn zwischen Nürnberg und Bamberg genau dorthin „verschwenkt“ werden.

ICE-Verkehr Nürnberg-Berlin entlasten

Nun ist die Gewerbepark-Gesellschaft bereits seit fast zwei Jahrzehnten Geschichte, die Zusammenarbeitspläne längst vom Tisch. Anders aber der S-Bahn-Verschwenk: Dazu hat zwar das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 9. November 2017 ein klares Urteil gegen die Bahn und deren Verschwenkpläne gefällt. Trotzdem lässt die bundeseigene Verkehrsgesellschaft bis heute nicht erkennen: Will sie die zur Entlastung des ICE-Verkehrs Nürnberg-Berlin dringend benötigten S-Bahn-Gleise hier oder woanders verlegen?

„Das Schweigen der Bahn“: Mit diesem Satz fasst deshalb der Fürther SPD-Oberbürgermeister Thomas Jung seine heftige Konzernkritik zum 4. Jahrestag des BVerwG-Urteils zusammen. Das Bahn-Verhalten sei ein „Schaden für die Region wie für die Entwicklung eines leistungsfähigen Nahverkehrs, der ja im Sinne des im Fokus stehenden Umwelt- und Klimaschutzes eine wichtige Rolle spielt“.

Doch warum passiert beim Verschwenk seit vier Jahren nichts? Dazu hält sich selbst Matthias Trykowski bedeckt, erklärt nur allgemein: Der dürfe „nicht losgelöst von den geschwindigkeitserhöhenden Maßnahmen gesehen werden“ – womit er die bestehende ICE-Strecke Nürnberg-Bamberg meint. Beide Themen gehören zum „Bereich Bahnausbau Nordbayern“, für den er verantwortlich ist.

Starke Schiene

„Eine starke Schiene für die Region“ war die Präsentation überschrieben, die Trykowski dieser Tage in Nürnberg zeigte. Er koordiniert 800 Projekte zwischen Aschaffenburg, Hof und Regensburg; Investitionsvolumen: zusammen vier Milliarden Euro. Wann das alles abgearbeitet sein wird: auch dazu wenig Konkretes.

Zwar sollen gerade die Hauptstrecken Nürnberg-Würzburg und Nürnberg-Bamberg für den sogenannten „Deutschlandtakt 2030“ ertüchtigt werden. Doch „2030 heißt nicht immer 2030“. Und für viele dieser Projekte „haben wir noch keinen Planungsauftrag“. Denn große Teile des Geldes kommen oft vom Bund, und das müsse jeweils der Bundestag bewilligen.

Das betrifft zum Beispiel die „Franken-Sachsen-Magistrale“ von Nürnberg nach Hof und Schirnding. Die ist wichtiger Teil des Europaplans zur Verbindung der Metropolen. Doch wann die Strecke, vor allem der Teil durch das Pegnitztal über viele Brücken und durch zahlreiche Tunnel, endlich elektrifiziert wird? Keine Antwort. Auch nicht zur mehrfach genannten S-Bahn von Nürnberg nach Pegnitz, einem zentralen Teil der „Magistrale“ mit dem eigentlichen Ziel Prag.

Bisher habe er „keinen Planungsauftrag über die ersten zwei Leistungsphasen hinaus“, bekennt Trykowski. Und er bemängelt, dass bei der Kosten-Nutzen-Bewertung von Strecken-Neu- und Ausbau bis heute den hochgesteckten „deutschen Klimaschutzzielen zu wenig Gewicht beigemessen wird“.

Ausbaupläne im Unklaren

Im Unklaren ist Trykowski augenscheinlich auch, was genau die im Sommer vorgestellten Ausbaupläne im „Abschlussbericht zum Zielfahrplan Deutschlandtakt“ für Nordbayern bedeuten (Staatszeitung berichtete). So findet sich darin eine komplette Neubaustrecke zwischen Nürnberg und Würzburg: Einschließlich eines mehrere Kilometer langen Tunnels unter Fürth hindurch sollen einst ICEs die Distanz zwischen den beiden Städten in weniger als 30 Minuten zurücklegen können. Ein Zeitplan dafür fehlt.

Immerhin bestätigt Matthias Trykowski die recht konkreten Pläne, dass zwischen Würzburg und Kitzingen 90 Kilometer neue Oberleitungen gebaut, im Bayerischen Wald und über die Autobahn A 70 70 neue Bahnbrücken gespannt, an 27 Stationen der Nürnberger S-Bahn-Linien S1 und S2 Bahnsteige angepasst werden. Außerdem werden auf den Hauptstrecken wohl bald 740 Meter lange Güterzüge unterwegs sein können: 23 der bundesweit 75 neuen Überholstellen entstehen gerade in Bayern. Dafür stehen 500 Millionen Euro bereit.

Langersehnter Güterzugtunnel

Aber noch einmal zurück nach Fürth. Einerseits kritisiert OB Jung die Bahn im Falle Verschwenk heftig für die fehlende „Entscheidung für den Bau der Linie entlang der Bestandstrasse“. Doch andererseits hat er auch Lob für den Verkehrskonzern parat. Konkret nennt Jung „die Planungen für den ebenfalls langersehnten Güterzugtunnel, den dringend notwendigen barrierefreien Ausbau des Hauptbahnhofs und die in Aussicht gestellte Eröffnung des neu gestalteten, barrierefreien Bahnhofs Unterfarrnbach im August 2022“.

Genau hier lagen jahrelang ungenutzt Schienen herum. Bald werden sie als „drittes Gleis“ ab dem Hauptbahnhof Fürth dienen, vor allem für den S-Bahn-Verkehr Richtung Bamberg. Eigentlich hätte von hier ins Knoblauchsland verschwenkt werden sollen.
(Heinz Wraneschitz)

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