Wirtschaft

Behälter mit hochradioaktiven Abfällen stehen im atomaren Zwischenlager Gorleben. (Foto: dpa/Lucas Bäuml)

02.12.2022

Die nächste Stufe der Aufschieberei

Die Suche nach einem Atommüllendlager wird nicht wie geplant im Jahr 2031 abgeschlossen sein, sondern wohl irgendwann zwischen 2046 und 2068

Stein und Bein hatte die BGE geschworen, die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH in Peine, dass sie 2031 die Suche nach dem Standort für ein deutsches Atommüll-Endlager abgeschlossen haben werde. Und so steht es auch im Standortauswahlgesetz, kurz StandAG. Das hatte 2017 der Deutsche Bundestag beschlossen.

Doch schon die erste Aufgabe hat besagte bundeseigene BGE nicht wirklich auf die Reihe bekommen. Statt wie allgemein erwartet ein gutes Dutzend möglicher Standortregionen hat die BGE im September 2020 gleich 90 Regionen als für das deutsche Atommüllloch geeignet bezeichnet. Und seither ist über die Hälfte der Bundesrepublik potenzielles Teilgebiet. Dann folgte die mehrteilige „Fachkonferenz Teilgebiete“, deren Ablauf und Ergebnisse sogar das neutrale „Nationale Begleitgremium“ mehrfach ziemlich undiplomatisch kritisierte.

Vorgehen überdenken

Aber weder diese noch die Kritik vieler Teilnehmender an der Fachkonferenz brachten die BGE oder deren „Aufsichtsbehörde“ BASE, das Bundesamt für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung, dazu, ihr Vorgehen ernsthaft zu überdenken. Vor allem die vom Gesetzgeber im StandAG vorgegebene Selbstorganisation und Beschlüsse der Teilnehmenden wurden vom BASE schlichtweg ignoriert.

Zwar läuft derzeit die Öffentlichkeitsbeteiligung der Bürger*innenschaft an der Endlagersuche offiziell weiter. Doch von der Öffentlichkeit wird dieses „Forum Endlagersuche“ kaum wahrgenommen.

Selbstbefriedigungsforum?

Mitten hinein in dieses seit einem Jahr laufende – manche sagen Selbstbefriedigungsforum – Forum Endlagersuche veröffentlichte die BGE am Martinstag, dem 11. November 2022, ein Diskussionspapier. Wobei schon das Wort „veröffentlicht“ nicht stimmt. Denn wie BGE-Öffentlichkeits-Chefin Dagmar Dehmer auf Nachfrage bestätigt, „finden Sie es noch nirgends. Und Sie werden es auch nicht finden. Die BGE wird rechtzeitig vor dem vom PFE geplanten Workshop zum Zeitbedarf am 13. Januar 2023 eine Unterlage mit den für den Zeitbedarf der BGE relevanten Informationen veröffentlichen. Das angesprochene Diskussionspapier ist genau das: ein Diskussionspapier, das sich nicht an die Öffentlichkeit richtet und genau deshalb auch noch nicht fertig ist.

Trotzdem ist ein ganz wesentlicher Punkt in die Öffentlichkeit gelangt: Nicht mehr 2031, sondern „eine Zeitspanne von 2046 bis 2068 für eine Standortentscheidung“ werde darin genannt, schreibt das BASE. Ansonsten verweist die Pressestelle des Bundesamts auf die BGE, „da die dieses Papier verfasst hat“.

Und was sagt die zuständige Grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke dazu, dass die BGE einfach so die Festlegung auf einen Atommüll-Endlagerstandort um 15, wahrscheinlich eher 37 Jahre nach hinten schiebt? Öffentlich bisher nur ein Mal, und zwar im „Frühstart“ von ntv. Dort sagte sie, dass der gesetzlich vorgesehene Betriebsstart eines Endlagers für radioaktive Abfälle bis 2050 nicht mehr garantiert werden kann.

Neuland betreten

Lemke begründete die Verzögerung damit, dass man „Neuland“ betrete. Weltweit sei noch kein einziges Endlager in Betrieb. Es müsse ein ganz neues Prinzip für die extrem lange Lagerung des radioaktiven Mülls entwickelt werden. „Wir wollten es anders machen als damals, als mit einer politischen Entscheidung einfach für Gorleben entschieden wurde von Vorgängerregierungen.“ Damals sei es nicht um die Sicherheit gegangen, sondern darum, das Endlager möglichst an die Grenze zur damaligen DDR zu setzen. „Wir sagen, Sicherheit muss der Maßstab sein, weil wir Müll für viele Generationen hinterlassen, der hochgiftig, der strahlend ist.“ Trotzdem steht bis heute auf der Webseite des BMUV, dass die Endlager-Standortsuche „bis zum Jahr 2031 abgeschlossen ist“.

Raimund Kamm hat zu dieser offensichtlichen Arbeitsverweigerung der BGE eine ganz klare Meinung. Der Vorstand des „FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e. V.“, welches sich rund um das 2021 endgültig abgeschaltete Atomkraftwerk Gundremmingen (Landkreis Günzburg) organisiert hat, empfindet die Verzögerung des Auswahlprozesses „völlig inakzeptabel. Die BGE muss die Prozesse überprüfen, es muss schneller gehen.“ Dabei hat er vor allem die Atommüll-Zwischenlager im Blick. Gegen das in Gundremmingen betriebene führt sein Forum seit Jahren ein Klageverfahren, „weil es gefährlich ist. Es ist zum Beispiel nicht gegen Terrorangriffe geschützt.“ Die Forderung sei deshalb, zumindest neue, etwas sicherere Zwischenlager zu bauen. Doch nicht einmal von der – inzwischen sogar neue Atomkraftwerke nicht mehr ausschließenden – bayerischen Staatsregierung gebe es dafür eine Unterstützung, so Kamm.

Die Atommüll-Endlagersuche könnte gar zur (fast) unendlichen Geschichte werden, wenn sich die BGE mit ihren jetzt genannten zeitlichen Vorstellungen durchsetzt. Aber vielleicht hat ja genau jene Bundesgesellschaft die Suche bereits im Jahre 2020 abgebrochen? Zu diesem Zeitpunkt jedenfalls endet auf der Webseite der BGE www.bge.de/de/endlagersuche/geschichte-der-endlagersuche/ die „Geschichte der Endlagersuche“.
(Heinz Wraneschitz)

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