Wirtschaft

Diskutierten über die erneuerbaren Energien und die Energiewende (von rechts): Amir Roughani, Inhaber der Firma Vispiron, Rudolf Escheu, Abteilungsleiter erneuerbare Energien im bayerischen Wirtschaftsministerium, Professor Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und Moderatorin Birgit Muth. (Foto: Paul)

21.06.2018

Erzeuger zeigten sich selbstkritisch

Beim Branchentag „Erneuerbare Energien Bayern“ in Taufkirchen bei München wurde klar, dass die Branche zu wenig vernetzt ist

Erstmals seit Beginn der organisierten Energiewende im Freistaat waren Vertreter der unterschiedlichen Erzeugerverbände zusammengekommen: Unter anderem die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Solar-Initiativen, der Fachverband Biogas und der Fachverband Holzenergie, die Erdwärmegemeinschaft Bayern, der Bundesverband Windenergie und die Vereinigung Wasserkraft in Bayern.

Denn das ist ihr großes Problem und das wurde bei der Tagung auch selbstkritisch thematisiert: Eigentlich wurschtelt jeder der unterschiedlichen Erzeuger mehr oder weniger für sich. Es wird sich zu wenig aufeinander abgestimmt, stattdessen eifersüchtig darauf geschaut, dass der andere nicht zu stark von der Politik gefördert wird.

Schwerer Vorwurf an Bayerns Staatsregierung


Für die Wissenschaft in den Ring stieg allen voran Professor Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – und startete gleich mit einem schweren Vorwurf an die bayerische Staatsregierung. Diese habe das Ziel der Energiewende längst aus den Augen verloren.

Der Professor bemühte einen erschreckenden Vergleich aus der Erdgeschichte. Seit der vergangenen Eiszeit vor 40 000 Jahren habe sich das Klima auf der Erde um 3,5 Grad erhöht. Davon seien aber ein Grad auf die Zeit seit 1900 entfallen. Und bis zum Ende des Jahrhunderts werde der Anstieg auf bis zu fünf Grad wachsen. Eine der Folgen: Ein Anstieg des Meeresspiegels bis zum Jahr 2100 auf mehr als 90 Meter.

Auch die weiteren Ausführungen des Wissenschaftlers gerieten sehr apokalyptisch. Nur wenn der Klimaanstieg um maximal 1,5 Grad begrenzt werde, so der Professor, sei die Menschheit noch in der Lage, die Folgen davon zu bewältigen. Aktuell verfolge aber Deutschland nur ein Ziel von 2,5 Grad. Maximal 1950 Gigatonnen Kohlendioxid könnten insgesamt in die Atmosphäre gepumpt werden.

Puffer von 300 Gigatonnen


Davon aber sei nur noch ein Puffer von etwa 300 Gigatonnen offen. „Und die haben wir bis Mitte des übernächsten Jahrzehnts auch aufgebraucht, wenn wir so weitermachen“, rechnete Quaschning vor. Seine Warnung: „Wir werden einen Ansturm von hunderten Millionen Klimaflüchtlingen erleben, gegen die die Flüchtlingskrise der vergangenen Jahre ein Spaziergang war.

Daraus leitete der Professor radikale Forderungen ab. So müssten 100 Prozent des Stroms bis zum Jahr 2040 aus erneuerbaren Energien kommen. Der Dieselmotor müsse bis zum Jahr 2025 verschwinden, die Verwendung von Kohle bis zum Jahr 2030 eingestellt sein. Und jedes Bundesland müsse zwei Prozent seiner Fläche für die Erzeugung erneuerbarer Energien bereitstellen. „Wenn Bayern das aber nicht macht, dann müssen die nördlichen Länder vier Prozent leisten - und das können sie nicht. Die Konsequenz kann also nur lauten: Die 10-H-Regelung muss fallen und zwar sofort.“

Der Gegenspieler des Professors in der Veranstaltung wurde Rudolf Escheu, der Leiter der Abteilung erneuerbare Energien im bayerischen Wirtschaftsministerium. Er verwies darauf, dass die Akzeptanz der Bevölkerung beim Ausbau der erneuerbaren Energien nach unten gehe, das gelte vor allem beim Ausbau der Windenergie.

Weltweit die höchsten Strompreise


Auch sei es wichtig, dass angesichts der weltweit höchsten Strompreise in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Firmen nicht verloren gehe. Und für die Menschen mit den kleinen und mittleren Einkommen müsse Strom weiterhin auch bezahlbar sein.

„Wir müssen die Menschen mitnehmen“, appellierte der leitende Ministerialbeamte an die Anwesenden. Baden-Württemberg etwa kenne keine 10-H-Regelung und sei beim Ausbau der Windenergie im Verhältnis auch nicht weiter als Bayern. „Verbote und Quoten lehnen wir ab.“

An die Branchenvertreter gerichtet meinte der Abteilungsleiter, dass die verschiedenen Erzeugungsformen künftig effizienter ineinander greifen müssten. Momentan erzeuge Bayern jährlich 35 Terrawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien (bei einem Verbrauch von 85 Terrawattstunden insgesamt). „Aber wir dürfen auch nicht immer nur an die Stromerzeugung denken“, warnte Escheu. „Wichtig sind auch die Wärmeversorgung und der Verkehr.“

Bayern hat bei Solarenergie gute Perspektive


Einigkeit bestand unter den anwesenden Experten, dass in Bayern vor allem die Solarenergie eine gute Perspektive habe. Der Freistaat sei ein „Sonnenland“ mit vergleichsweise häufigem Sonnenschein. Auch die Wasserkraft besitze Zukunft dank der vielen Flüsse. Allerdings müsse in die meist überalterten Anlagen in nächster Zeit kräftig investiert werden.

Noch wenig im öffentlichen Fokus steht aktuell die Geothermie. Hier sind Investitionen vergleichsweise teuer, aber es locken eben niedrige Betriebskosten auf lange Sicht. 135.000 Wärmepumpen gibt es derzeit in Bayern, sie erzeugen derzeit aber nur 1,5 Prozent der gesamten Menge. Dabei befindet sich südlich von München eine der größten Lagerstätten in Westeuropa.
(André Paul)

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