Wirtschaft

In Großbritannien sind derartige Anblicke an der Tagesordnung. In Deutschland zum Glück nicht. (Foto: dpa/Christoph Soeder)

17.09.2021

Es drohen wieder leere Supermarktregale

Lkw-Fahrermangel sorgt jetzt schon in Großbritannien für Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln – das könnte bald auch in Deutschland so sein

Leere Supermarktregale wegen fehlendem Nachschub kennt man derzeit nur aus Großbritannien. Dort hat der Brexit das Problem noch verschärft. Doch die Güterverkehrsbranche rechnet wegen eines Mangels an Lastwagenfahrern auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern mit Störungen im Lieferverkehr.

Dem Bund Deutscher Berufs-Kraftfahrer (BDBK) zufolge bestehen jetzt schon Lieferengpässe. „Diese werden durch illegale Kabotage (Erbringen von Transportdienstleistungen innerhalb eines Landes durch ein ausländisches Verkehrsunternehmen, d. Red.) verschleiert“, sagt BDBK-Bundesvorsitzender Wolfgang Westermann. Fahrer aus Osteuropa würden unter menschenunwürdigen Umständen eingesetzt.

Wertschätzung verbessern

Damit mehr Menschen den Beruf des Kraftfahrers ergreifen, fordert Westermann, dass die Wertschätzung der Kraftfahrer sowohl an den Be- und Entladestellen als auch im Allgemeinen verbessert wird. Er verweist darauf, dass nur auf BDBK-Initiative der Beruf des Kraftfahrers zum Ausbildungsberuf geworden ist.

„Wir können aktuell unseren Bedarf decken, vermutlich dank geregelterer Arbeitszeiten als etwa im nationalen und internationalen Speditionsgeschäft, überdurchschnittlicher Arbeitgeberleistungen sowie gutem Recruiting und Image“, sagt Thomas Bonrath, Pressesprecher der deutschlandweit präsenten Supermarktkette Rewe. Von Deutschland zweiter großen Supermarktkette Edeka war leider trotz mehrmaliger Nachfragen keine Auskunft zu bekommen.

Kein plötzliches Phänomen

In der glücklichen Lage wie bei Rewe sind nicht alle. Denn in Deutschland fehlen derzeit circa 60.000 bis 80.000 Fahrer*innen. „Für Bayern können Sie daran einen Anteil von circa 15 Prozent rechnen“, sagt Sebastian Lechner, Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT). Es handle sich nicht um ein plötzliches Phänomen, sondern um eine seit mehreren Jahren vorhandene Entwicklung. Lechner zufolge verlassen pro Jahr rund 30.000 Fahrer*innen aufgrund der Demografie oder aus anderen Gründen den Fahrer-Arbeitsmarkt, während nur knapp die Hälfte wieder nachkommt.

Darum fordert Lechner, dass Transport und Logistik mehr als bisher als systemrelevant anerkannt und wahrgenommen werden müssen. „Das war im letzten Jahr während des Anfangs der Pandemie sehr gut feststellbar: Sobald einige Güter auch nur ansatzweise knapp wurden – Toilettenpapier zum Beispiel – wurden unsere Fahrer*innen als Corona-Held*innen gefeiert. Kaum war wieder einigermaßen Normalität eingekehrt, wurden die Lkw wieder als lästig und stinkend empfunden“, so der LBT-Geschäftsführer. Es sei also eine Frage der Wertschätzung, ob sich jemand für die Branche entscheidet und diese Wertschätzung fehle leider sehr oft. „Es fehlt auch oft beim Verbraucher der Sinn dafür, wie die Waren, die er entweder im Geschäft oder direkt an der Haustüre beim Online-Handel bezieht, tatsächlich ankommen, nämlich in der Regel mit dem Lkw“, so Lechner.

Parkplätze fehlen

Außerdem fehlen, und das ist seit Jahren bekannt, etwa 40.000 sozialadäquate Lkw-Parkplätze an den Autobahnen. „Bayern hat hier in den letzten Jahren einiges getan, aber auch hier fehlt es nicht am Willen oder der Fähigkeit von Ministerium und Behörden, sondern an der Akzeptanz durch die umliegende Bevölkerung“, betont der LBT-Geschäftsführer. Oftmals bestehe Planungsreife für neue oder zusätzliche Parkplätze, aber die Zustimmung der Anlieger*innen sei nicht zu erreichen. „Den Lkw-Fahrer*innen ist es jedoch weder gesetzlich möglich, noch zumutbar, in den Abendstunden unabsehbar lange nach einem vernünftigen, mit Sozial- und Hygieneinfrastruktur ausgestatteten Parkplatz zu suchen“, so Lechner.

Wegen all dieser Probleme könnte sich die Versorgungssituation in Deutschland verschärfen. „Ein Szenario wie in Großbritannien sehe ich zumindest kurzfristig jedoch noch nicht“, beruhigt Lechner.

Begrenzte Alternative

Sollten die Lkw-Transportkapazitäten knapp werden, ist die Bahn nur eine begrenzte Alternative. Denn auf den Haupttrassen in Deutschland hat die Bahn schon heute ein Kapazitätsproblem, da sie dort schon stark ausgelastet ist. Hinzu kommt, dass auch der Bahn Lokführer fehlen. „Und: Knapp 70 Prozent der Güterverkehrsleistung in Deutschland findet bis zu einer Entfernung von lediglich 400 Kilometer statt, also einem Bereich, der für Bahnverkehre eigentlich nicht in Betracht kommt“, betont Lechner. Außerdem findet die Endbelieferung von Verbraucher*innen, Industrie und Handel immer durch den Lkw statt. Das kann die Bahn nicht ersetzen.

Auch kleinere Lastwagen, die mit dem Pkw-Führerschein gefahren werden dürfen, sind keine Alternative für den Lkw. Denn spätestens ab einer Beladung mit zwei normalen Europaletten würden diese Kleinlaster zusammenbrechen. „Sie eignen sich für Pakete und kleine Sendungsgrößen, nicht jedoch für die Ladungseinheiten, um die es bei der Versorgung der Geschäfte, Fabriken und Baustellen geht“, unterstreicht LBT-Geschäftsführer Lechner. Das sieht auch der BDBK-Bundesvorsitzende Westermann so.
(Ralph Schweinfurth)

 

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