Wirtschaft

Wenn Glasfaserkabel verlegt werden, sieht es im Garten nicht mehr so schön aus. Das wollen einige nicht. (Foto: Deutsche Telekom)

24.03.2023

"Es sind sehr schwierige Verhandlungen mit dem Bund"

Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) über den Glasfaserausbau, das neue Förderverfahren der Bundesregierung und skurrile Erlebnisse

In Bayern werden voraussichtlich noch in diesem Jahr 99 Prozent der Menschen an schnelles Internet angebunden sein. Viele davon erhalten Glasfaser. Damit steht der Freistaat auf Platz eins unter den bundesdeutschen Flächenstaaten. Trotzdem gibt es noch einiges zu tun.

BSZ: Herr Füracker, wie bewerten Sie den bisherigen Breitbandausbau in Bayern?
Albert Füracker: Wir sind im Freistaat sehr gut unterwegs. Über 98 Prozent der bayerischen Haushalte haben bereits schnelles Internet. Und wenn alles gebaut ist, was derzeit genehmigt ist, werden es über 99 Prozent sein. Aber hier schließt sich auch die Frage an, was ist eigentlich schnelles Internet?

BSZ: Wie definiert es Bayern?
Füracker: Fangen wir bei der EU an. Die EU definiert schnelles Internet bis heute mit 30 Megabit pro Sekunde. Das bedeutet, dass wir als öffentliche Hand auch in Bayern sehr lange nur dort fördern dürften, wo bislang kein schnelles Internet nach dieser Definition vorhanden war.

„Waren das erste Land in Europa, das auch dort fördern durfte, wo es bereits eine Versorgung mit 30 Megabit gibt“

BSZ: Ein Witz, damit kann man doch gar nichts anfangen.
Füracker: Richtig, schon heute und vor allem in Zukunft brauchen wir deutlich mehr. Oft braucht man 100 Megabit in einem Familienhaushalt, damit Netflixen, Homeschooling und Homeoffice gleichzeitig geht. Das wollen wir der Bevölkerung auch ermöglichen. In ein paar Jahren wird Glasfaser der Standard sein. Deshalb haben wir bei der EU einen Antrag gestellt. 2020 waren wir das erste Land in Europa, das auch dort fördern durfte, wo es bereits eine Versorgung mit 30 Megabit gibt. Das machen wir nun erfolgreich mit unserer Bayerischen Gigabitrichtlinie. Das war ein echter Meilenstein!

BSZ: Das kommt bei den Menschen gut an.
Füracker: Ja, habe ich 2014 noch 100 Beschwerdebriefe am Tag bekommen, so ist es jetzt etwa ein Beschwerdebrief in 100 Tagen. Und in der Regel können wir heute mitteilen, dass der Ausbau bereits beauftragt ist. Aber man muss bedenken, dass der Freistaat gar nicht zuständig ist.

BSZ: Wie jetzt?
Füracker: Der Glasfaserausbau ist eine privatisierte Dienstleistung und keine Aufgabe des Freistaats Bayern. Wenn uns also jemand schimpft, wir würden nicht für den Glasfaserausbau sorgen, sind wir der falsche Adressat. Anders sieht es zum Beispiel bei Wasser und Abwasser aus. Da gibt es per Gesetz einen Anschluss- und Benutzungszwang – verbunden mit einer Rechnung für jeden Anschluss. Hier sind die Kommunen zuständig, dass jeder einen Anschluss erhält.

Als Nothelfer eingesprungen

BSZ: Warum baut dann Bayern das Breitbandnetz so aus?
Füracker: Weil wir zusammen mit den Bürgermeistern sozusagen als Nothelfer eingesprungen sind. Denn nach dem Telekommunikationsgesetz ist der Bund zuständig. Das Engagement des Bundes war ja in der ersten Zeit eher überschaubar. Gerade Gemeinden im ländlichen Raum sind aber auf Fördermittel angewiesen, weil sich hier der privatwirtschaftliche Ausbau oft nicht lohnt. Seit fast zehn Jahren fördert der Freistaat daher mit eigenen Programmen freiwillig und massiv!

BSZ: Immer wieder gibt es Kritik, dass Privatanschlüsse mit mehr Bandbreite versorgt sind als Gewerbegebiete. Woran liegt das?
Füracker: Oftmals ganz einfach an den Unternehmen in den Gewerbegebieten selbst. Wenn diese keine höheren Bandbreiten buchen, weil sie diese zumindest aktuell nicht brauchen, wird auch nicht in Richtung Gigabit bei den Übertragungsgeschwindigkeiten ausgebaut. Wenn mehr Gigabit gebucht würde, könnte man auch hier noch viel mobilisieren.

BSZ: Wie viel hat der Freistaat bisher in den Glasfaserausbau investiert?
Füracker: Wir haben mittlerweile 2,1 Milliarden Euro an bayerischen Steuermitteln ausgegeben – und wir machen weiter. Den Ausbau übernehmen die Gemeinden, die wir zu 90 Prozent fördern. Bei Gemeinden, die das Bundesprogramm nutzen, legen wir 40 Prozent drauf, damit auch diese 90 Prozent erhalten. Denn der Bund fördert nur zu 50 Prozent.

Dem Bund ist das Geld ausgegangen

BSZ: Derzeit fördert er aber gar nicht.
Füracker: Ja, weil ihm im letzten Dezember das Geld ausgegangen ist. Wichtig ist nun, dass diese Bundesgelder, die auch von bayerischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern erwirtschaftet wurden, schnell wieder fließen und auch in Bayern investiert werden. Daher haben wir darauf gedrungen, dass die Bundesförderung jetzt zügig weitergeht.

BSZ: Können Sie schon etwas dazu sagen?
Füracker: Es sind sehr schwierige Verhandlungen mit dem Bund gewesen. Denn viele Kommunen, die schon im Förderverfahren sind, müssen für die neue Bundesförderung jetzt wieder von vorn anfangen. Das wollten wir verhindern. Das Ganze muss so unbürokratisch wie möglich verlaufen. Da kann man diesen Kommunen nicht zumuten, erneut eine Markterkundung durchzuführen.

BSZ: Was bedeutet Markterkundung?
Füracker: Markterkundung bedeutet, dass die Kommunen zunächst abfragen, ob ein Netzbetreiber den Ausbau auf eigene Rechnung, also ohne öffentliche Mittel, stemmen kann. Dafür vergeht schon mal ein halbes bis ein dreiviertel Jahr. Jetzt war ein Streitpunkt mit dem Bund, in welchem Verfahrensstand welche Kommune sein muss, um nicht wieder bei Null starten zu müssen. Wir als bayerische Staatsregierung wollen, dass Kommunen, die bereits in ein Verfahren gestartet sind, auch nahtlos ins neue Förderprogramm des Bundes überführt werden. Aber das ist nicht alles.

Geld muss auch 2024 abrufbar sein

BSZ: Sondern?
Füracker: Das Fördergeld des Bundes für dieses Jahr muss unbedingt auch in 2024 für die Kommunen abrufbar sein. Denn bis der Bund mit dem neuen Programm jetzt startet, vergeht noch ein weiterer Monat. Dann verbleiben den Kommunen nur noch acht Monate, um die Förderung zu beantragen. Das ist für viele nicht zu schaffen. Und es gibt noch einen weiteren Kritikpunkt. Der Bund will eine sogenannte „Fast Lane“ einrichten.

BSZ: Das heißt?
Füracker: Dort, wo es ganz wenig Breitband gibt, soll bevorzugt gefördert werden. Wenn es dort wenig gibt, ist es grundsätzlich richtig, hier mehr zu tun. In Bayern haben wir die meisten „weißen Flecken“ bereits ausgebaut. Wir wollen, dass alle Vorhaben „Fast Lane“ sind. Denn beim Glasfaserausbau muss doch jedes Projekt die größtmögliche Beschleunigung erhalten!

BSZ: Wie viel Geld stellt der Bund für das neue Breitbandförderprogramm zur Verfügung?
Füracker: Es sind rund 3 Milliarden Euro für ganz Deutschland. Davon soll Bayern voraussichtlich 450 Millionen erhalten. Ich hoffe, dass diese 450 Millionen Euro dann auch jährlich fließen, sonst wäre das zu wenig.

Einfach und unbürokratisch

BSZ: Wie viele bayerische Kommunen wurden bisher gefördert?
Füracker: An der Bayerischen Breitbandrichtlinie haben über 2000, also fast alle bayerischen Kommunen teilgenommen! Daneben sind 1265 Kommunen bei der Förderung nach der Bayerischen Gigabitrichtlinie eingestiegen. Auf die restlichen Kommunen gehen unsere Vermessungsämter, die auch für die Breitbandberatung zuständig sind, aktiv zu. Mein Eindruck ist, unsere Kommunen sind sehr zufrieden und bewerten unsere Förderprogramme vor allem als einfach und unbürokratisch.

BSZ: Es wird immer wieder beklagt, dass es keine ausreichende Datenlage gibt, um zu sehen, wo noch ausgebaut werden muss. Stimmt das?
Füracker: Der Bund müsste diese Daten eigentlich auf Knopfdruck bereitstellen können. Doch bis die jeweiligen Ausbaustände an den Bund übermittelt und dort ins System eingepflegt werden, vergeht zu viel Zeit. Das müsste dringend optimiert werden.

BSZ: Was war Ihr bisher skurrilstes Erlebnis in Zusammenhang mit dem Breitbandausbau?
Füracker: Das skurrilste war wohl die Geschichte um das Mädchen im Schnee. In der Pandemie wurde in den Medien ein Mädchen mit seinem Laptop draußen im Garten sitzend gezeigt, das fürs Abitur lernte. Im Haus habe sie keine ordentliche Internetverbindung gehabt. Dem sind wir nachgegangen.

90 Prozent Förderung gibt es nur in Bayern

BSZ: Und?
Füracker: Es stellte sich heraus, dass ein halbes Jahr vor diesem Bild das Haus – wie viele in dieser Gemeinde – mit Glasfaser versorgt wurde. Nur hatte der Vater des Mädchens den schnellen Anschluss nicht gebucht. Doch dieser Umstand wurde medial nicht mehr verbreitet.

BSZ: Was raten Sie den Kommunen?
Füracker: Mein Appell: Rein in die Förderprogramme! 90 Prozent Förderung ist eine Summe, die es andernorts in Deutschland nicht gibt. Eine leistungsfähige Glasfaserinfrastruktur ist für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune unabdingbar und ein wichtiger Standortfaktor. Wir beraten die Kommunen gerne!
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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