Wirtschaft

Links alt, rechts neu: Ein intelligenter Stromzähler wird eingebaut. (Foto: VBEW)

15.01.2016

Fluch oder Segen für die Stromverbraucher?

Sogenannte Smart Meter sollen helfen, Strom zu sparen: Was sie tatsächlich bringen

In den vergangenen Jahren führte die massive finanzielle Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu stetig steigenden Strommengen aus erneuerbaren Energien im Netz der allgemeinen Versorgung. Diese stark volatil auftretenden Strommengen bringen die Netze an die Belastungsgrenze und machen sowohl einen örtlichen als auch einen überregionalen Netzausbau notwendig. Die Begeisterung der Gesellschaft, diesen – quasi als notwendiges Übel der Energiewende – mitzutragen, hält sich in Grenzen. In der Energiebranche wird daher heftig diskutiert, inwieweit eine intelligente Steuerung des Stromverbrauchs mithelfen kann, Netzausbaumaßnahmen zu reduzieren, indem die Stromnetze bei einem zu verändernden Verbrauchsverhalten optimal ausgelastet werden. Hinzu kommt, dass die Stromkunden verstärkt zu sogenannten Prosumern werden, also ihren Strom teilweise selbst erzeugen und verbrauchen, und es damit immer schwieriger wird, die Netze mit der bisherigen Datengrundlage auszubalancieren.

Als ersten flächendeckenden grundlegenden Schritt hin zu einem zukünftig intelligenten Stromnetz (Smart Grid) sollen daher intelligente Messsysteme bei möglichst vielen Kunden sukzessive die bestehenden analogen Stromzähler ersetzen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Organisation des sogenannten Rollouts wurde vom Bundeskabinett nach zehn Jahren Diskussion in Fachkreisen beschlossen und auch bereits vom Bundesrat vor Weihnachten erstmals beraten. Dem Stromkunden werden durch ge-schicktes Verbrauchsverhalten mit Hilfe des Smart Meters signifikante Einsparungen bei seinen Stromkosten versprochen. Ob das realistisch ist, wird nachfolgend erläutert.

Rollout der intelligenten Zähler dauert 16 Jahre


Das im Rahmen der Digitalisierung der Energiewende zu schaffende Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) sieht eine Einführung intelligenter Messsysteme ab dem Jahr 2017 vor. Begonnen wird hierbei bei den Kunden mit einer Jahresverbrauchsmenge über 10.000 Kilowattstunden (kWh) beziehungsweise Stromeinspeisern mit Anlagen über sieben Kilowatt (kW) Leistung. Der letzte intelligente Zähler soll in dieser Gruppe im Jahr 2024 eingebaut sein.

Ab dem Jahr 2020 sollen auch bei Verbrauchsstellen mit einem Jahresstromverbrauch über 6000 kWh entsprechende Messsysteme eingebaut werden. Das wird auch den Geldbeutel vieler privater Haushalte treffen. Die notwendige Installation soll hier bis 2027 abgeschlossen sein. Der komplette Rollout, der insbesondere die Vielzahl der Stromabnahmestellen unter 6000 kWh/a optional betrifft, soll nach derzeitiger Planung im Jahre 2032 beendet werden. Damit wäre dann auch die EU-Vorgabe erfüllt, welche den Mitgliedsstaaten auferlegt hat, 80 Prozent der Letztverbraucher mit intelligenten Zähleinrichtungen auszustatten.

Laut aktuellem Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur sind im Haushaltskundenbereich deutschlandweit derzeit 47 Millionen Zählpunkte mit einer Messeinrichtung versehen. Hinzu kommen nochmals rund 450.000 Zähler, die bereits über eine registrierende Leistungsmessung verfügen und bei Kunden mit einem Jahresstromverbrauch über 100.000 kWh installiert sind. Durch die Digitalisierung würden nach derzeitigem Stand für jeden Haushaltskunden nicht mehr ein Messwert pro Jahr, sondern über 35.000 Messwerte verarbeitet und mit den Marktteilnehmern kommuniziert. Das heißt, bei Annahme eines 100-Prozent-Rollouts werden pro Jahr 1,65 Billionen Daten durch Deutschland und gegebenenfalls sonstwohin geschickt und von den Computerservern verarbeitet. Ein Eldorado für Datenfreaks und die damit ver-bundenen denkbaren Geschäftsmodelle. Um diese Datenflut zu vermeiden, werden bis heute statistische Modelle (sogenannte Lastprofile) herangezogen, die das Stromverbrauchsverhalten der Kunden definieren. Die jährliche Datenablesung erfolgt noch weitverbreitet per Ablesekarte oder bereits auch online über das Internet. Ein bislang bewährtes System, das keinen Anlass zur Klage gibt.

Stromkosten individuell senken


Der Einbau intelligenter Messsysteme soll den Stromkunden die Möglichkeit eröffnen, aus zeitlich variablen Tarifen, die ihnen zukünftig von den Lieferanten angeboten werden, zu wählen und damit ihre Stromkosten individuell zu senken. Dadurch verspricht man sich eine stromverbrauchsregulierende Wirkung, da zum Beispiel bei hohem Stromaufkommen durch Windkraft und Photovoltaik der Preis an der Strombörse sinkt, der Preisvorteil an den Kunden weitergegeben wird und dadurch die Nachfrage nach Elektrizität entsprechend steigt. Ob der Kunde hierbei in der Praxis mitspielt und sich entsprechend preissensitiv verhält, muss jedoch sehr kritisch gesehen werden. Es ist davon auszugehen, dass das realistische Sparpotential bei den meisten Kunden deutlich unter zehn Euro pro Jahr liegen dürfte. So haben im vergangenen Jahr lediglich acht Prozent der Haushaltskunden in Deutschland den Stromversorger gewechselt, obwohl ein Wechsel des Anbieters zu erheblich größeren Einsparungen als ein Smart Meter führen kann. Andere Branchen wie die Handysparte haben bereits gelernt, dass der Endkunde durch die Komplexität variabler Tarife eher abgeschreckt wird, sich lieber für eine Flatrate entscheidet und für diesen Komfort sogar bereit ist, mehr zu bezahlen als für eine datenscharfe Abrechnung. Und wer will schon bügeln, wenn die Sonne scheint und damit Photovoltaikstrom im Überfluss vorhanden ist? Mit dem 6-Zylinder-Cabriolet durch die Gegend düsen macht dann doch viel mehr Spaß. Der gemeine Stromkunde ist träge und will dann Strom verbrauchen, wenn er es möchte. Stecker rein und fertig. Das empfinden viele Kunden seit Generationen als wichtigen Bestandteil ihrer liebgewonnen Lebensqualität.

Die Energieversorger werden also vom Staat mit der Zwangsbeglückung durch Smart Meter genötigt, den Kunden etwas einzubauen, was er eigentlich gar nicht haben und schon gar nicht nutzen will. Jedes nach marktwirtschaftlichen Prinzipien operierendes Unternehmen würde bei dieser Praxis von seinen Kunden mit Kaufverweigerung abgestraft werden und nach kurzer Zeit in Konkurs gehen.

Kosten bleiben bei den Verbrauchern


Die Gesamtkosten für die flächendeckende Installation derartiger intelligenter Messsysteme werden erheblich sein und die Verbaucher trotz ohnehin schon hoher Strompreise in Deutschland weiter belasten. Der Rollout kann vom Energieversorger vor Ort als grundzuständiger Messstellenbereiber durchgeführt werden, oder er kann diese Tätigkeit auch auf ein anderes Unternehmen übertragen. Der Gesetzgeber hat Preisobergrenzen in Höhe von maximal 100 Euro pro Jahr für Kunden mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 6000 kWh und bis zu 200 Euro für Konsumenten mit einem Stromverbrauch von über 50 000 kWh definiert. Hiermit soll verhindert werden, dass die Kosten den zu erwartenden Nutzen für jeden Verbraucher massiv übersteigen. Besonders spannend wird es für den Geldbeutel, wenn vor Einbau des Smart Meters bauliche Veränderungen am Zählerschrank durchgeführt werden müssen oder der Smart Meter nach dem Einbau aufgrund eines vermeintlichen Defekts nicht die gewünschten Daten bereitstellt. Streit, wer dafür die Kosten trägt, ist jetzt schon vorprogrammiert.

 Neben der, realistisch betrachtet, geringen Chance, durch Smart Meter Energiekosten in signifikanter Höhe zu sparen, ist beim Verbraucher vor allem die Sorge vorhanden, durch die Digitalisierung zum „gläsernen Kunden“ zu werden. Es besteht die Gefahr, Daten zum gesamten Stromverbrauchsverhalten von sich preiszugeben. Einem möglichen Datenmissbrauch sollen vorgeschriebene Schutzprofile und technische Richtlinien für intelligente Messsysteme zur Gewährleistung von Datenschutz und -sicherheit entgegenwirken. Ein ständiger Wettlauf zwischen Hackern und Datenschützern ist, wie jetzt schon beim Internet, dann auch in der Stromversorgung zu erwarten. Davon völlig unbenommen bleibt natürlich das, was der Kunde freiwillig von seinen Messdaten freigibt. Nicht wenige Kunden werden der Offerte des modernen Messstellenbetreibers unterliegen, dass man den Smart Meter kostenlos erhält, wenn dieser die gemessenen Daten an seine Werbepartner weitergeben darf. Anschließend macht es dann täglich mehrmals „BING“ auf dem Smartphone, und der örtliche Lebensmittelhandel bietet seine Angebote an, nachdem die Kühlschranktür geöffnet wurde. Manche werden das vielleicht am Anfang sogar toll finden, die Meisten dürften sich aber sehr schnell gegängelt fühlen.

Smart Meter stellen nur Messdaten zur Verfügung


Die kundenspezifische Digitalisierung hat weltweit die Konsumgesellschaften erreicht und nimmt täglich verstärkt Einfluss auf Arbeitsprozesse und Lebensgewohnheiten. Dieser Entwicklung kann und sollte man sich nicht verschließen. Aufgrund der erheblichen Kosten muss jedoch hinterfragt werden, in welchem Ausmaß und mit welchem Aufwand durch intelligente Zähler die erhoffte Stromverbrauchssteuerung erreicht wird. Smart Meter sorgen lediglich für die Datengrundlage. Es ist fraglich, ob der Stromkunde die neu gewonnenen Informationen tatsächlich zu einer Verhaltensänderung nutzt, denn nur dann spart er ein paar Euro. Am Trend einer zunehmenden Stromeigenversorgung wird ein Smart Meter natürlich auch nichts ändern. Damit werden für Kunden mit wenig Strombezug aus dem Netz Preissignale noch unwichtiger. Und es ist durchaus möglich, dass der Betrieb der intelligenten Messsysteme insgesamt mehr Strom verschlingt als er einspart. Und zu guter Letzt: Ein elektronischer Zähler verliert bereits nach acht Jahren seine erste Eichgültigkeit, der bewährte schwarze Kasten hält hingegen mehrere Jahrzehnte durch und muss dann auch nicht als Elektronikschrott entsorgt werden.

Die Freunde des Smart Meters sollten daher so ehrlich sein, dass es ihnen in erster Linie nicht um einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende geht, sondern um die Daten der Kunden, um daraus ein Geschäft zu machen. Aber wie sagte schon Mark Twain „Wahrheit ist ein kostbares Gut, man sollte besonders sparsam damit umgehen.“ Das gilt im Übrigen in der Energiewende nicht nur für den Smart Meter.
(D. Fischer und T. Schaller)

(Detlef Fischer ist Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW).
Timo Schaller ist Referent für Energiewirtschaft im VBEW.
)

Kommentare (1)

  1. ea am 17.01.2016
    Relativ oberflächlich und einseitig gegen Smart Meter.
    Wieso wird die Heizungsablesung/Wärmemengenabrechung für Mieter zunehmend auf elektronische, eher smarte Systeme umgestellt? Sicher nicht weil das teurer ist. Das dauert auch nicht Jahrzehnte...
    Will da jemand seine Kohle-und Atomkraftwerke möglichst 24 h durchlaufen bzw. sich als Reservekraftwerke allimentieren lassen?;
    eine Verzögerung des Runterfahrens erzwingen durch den "unumgänglichen" für uns teuren aber für sich gewinnbringenden Stromtrassenausbau?
    Schön dass sie sich so wenig Mühe geben bei der Argumention!
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